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(auct. Myriam Abenthum)
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(auct. Thomas Krefeld)
ABSCHIEDSGRUSS, BEI PERSONEN, DIE GEDUZT WERDEN - Konzept (Auf Karte visualisieren)
ABSCHIEDSGRUSS, ZU SOZIAL HÖHERGESTELLTEN - Konzept (Auf Karte visualisieren)
adieu / addio (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
ALM - Konzept (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
(siehe Wikidata Q27849269)
ALMHÜTTE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
(siehe Wikidata Q2649726)
Anke (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
„Anke(n), (durch Butter ersetzt) Sm ‛Butter’ per. wobd. (8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko.
Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwōn m. ‛Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. (weur.) *ongwen- ‛Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ‛Fett, Salbe’, air. imb ‛Butter’ (*ṇgwen-) zur Verbalwurzel ig. *ongw- ‛salben’ in ai. anákti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ‛Salbe, Schmiere’.“ (Kluge, 47 s.v. Anke(n))
(auct. Thomas Krefeld)
babeurre (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
bärig (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
bärig im Sinne von 'trächtig' (siehe DWDS, Schmeller usw.)
oder im Sinne von 'leuchtend, glänzend' (AWB: http://awb.saw-leipzig.de/cgi/WBNetz/wbgui_py?sigle=AWB&lemma=beraht)
baita (vor) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Aus italianistischer Sicht schlägt DELI roa. baita, bait < althochdeutsch wahta vor – ohne jedoch auf das slv. bajta 'schlechtes Haus' einzugehen oder das gsw. (alemannisch) Beiz, bar. Boazn, Beisl 'Kneipe' zu berücksichtigen (der weit verbreitete Typ fehlt leider im SDS, im Idiotikon und im BSA); die genannten germanischen Formen mit ts, s können so nicht erklärt werden.
Aus germanistischer Sicht leitet Kluge (2011, 106 s.v. Beiz(e); und Beisel) die gsw. (alemannisch) und bar. Formen aus jiddisch bajis 'Haus' < hbo. bajit 'Haus' ab, was nicht zum roa. t passt (vgl. EWD I, 203). Direkte Vermittlung aus dem Hebräischen (ohne jiddische Vermittlung also) ist angesichts des großen Areals und des Bezugs zum bergbäuerlichen Alltag historisch wenig plausibel. Die Semantik der romanischen Formen ('Hütte, Almhütte, Stall' u. Ä.) sowie die slowenischen Belege ('schlechtes Haus') liefern keine Motivationen für die Annahme einer großräumigen Verbreitung einer ursprünglich adstratalen Entlehnung aus dem friaulisch-slowenischen Kontaktgebiet; viel plausibler erscheint die substratale Entlehnung aus dem vorslawischen und vorgermanischen Altromanischen der Ostalpen. Letztlich scheint es sich um ein vorrömisches Alpenwort zu handeln.
(auct. Thomas Krefeld)
balm (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
banc / banco (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
*barica (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Barn (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Im etymologischen Wörterbuch von Kluge wird nur die erste Bedeutung 'Krippe, Heustock' angegeben im Sinne eines Fütterungsgefäßes genannt. In anderen Wörterbüchern hingegen wird auch die Bedeutung eines Gebäudeteils, in dem Futter gelagert wird, belegt (vgl. BWB, DWB, Idiotikon). Auch im Englischen existiert das Nomen barn als "A covered building for the storage of grain; and, in wider usage, of hay, straw, flax, and other produce of the earth" (vgl. OED).
Die Etymologie des Wortes im Deutschen scheint ungewiss. Im Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache wird ein Zusammenhang mit gem. *ber-a- 'tragen' in Erwägung gezogen; dazu gehört vermutlich auch das altenglische (ae.) beren bzw. bere-ærn, dem ae. bere 'Gerste' zugrunde liegt; für letzteres gibt es aber keine Entsprechung im Deutschen.
(auct. Markus Kunzmann)
bassus (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
Beil (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Im Althochdeutschen als bîhal belegt (vgl. AWB s.v. bîhal); es handelt sich um ein „nur deutsches und niederländisches Wort“. Allerdings gibt es in einigen keltischen Sprachen lexikalische Äquivalente, so z.B. im Altirischen bíail, biáil oder Walisischen bwyall, bw(y)ell (vgl. Kluge s.v. Beil).
(auct. Markus Kunzmann)
Bitsche (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Das DWB vermutet eine Bildung der slawischen Wörter nach dem deutschen Bottich. Für den Bottich wiederum nennt Kluge, dass es „sicher aus dem romanischen Bereich entlehnt“ worden sei, setzt aber als Etymon eine Kurzform des Wortes apothēca 'Weinkeller' (vgl. Kluge s.v. Bottich), allerdings lässt sich dort auch lesen, dass das Wort genuin oberdeutsch ist. Für die Bitsche selbst kommt jedoch noch eine andere Etymologie in Frage. Im Treccani-Artikel zu bottìglia (vgl. Treccani s.v. bottìglia) wird ein spätlateinisches bŭ(t)ticŭla, ein Diminutiv zu buttis 'Fass', als Etymon angeführt. Auch in schweizerdeutschen Dialekten existiert Butsch (vgl. Idiotikon s.v. Butsch) und das Idiotikon nennt ein rätoromanisches butschin als Kognate, das ita. botticino entspricht. Geht man von einer fernassimilatorischen Umlautung des Stammvokals durch das /i/ und einer späteren im Bairischen typischen Hebung von /y/ zu /i/, dann könnte so die Bitschn wie sie hauptsächlich in Derviaten wie Millibitschn (vgl. Karte Milchbitsche) zu finden ist, zu erklären sein.
(auct. Markus Kunzmann)
brama (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
*brod (gem) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
*brottiare (vor) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
brousse (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
"D'apr. Brüch dans Z. rom. Philol. t. 35, p. 635, GAM. Rom.1t. 1, p. 369, t. 2, p. 38 et Gamillscheg dans Z. rom. Philol. t. 40, p. 148, ce groupe de mots est issu du got. *brǔkja « ce qui est brisé », dér. du got. gabruka « morceau » (FEIST, s.v. gabruka; KLUGE20, s.v. Brocken). E. Schüle dans Pat. Suisse rom., s.v. brochyè, estime au contraire qu'un terme got. peut difficilement s'être implanté dans le vocab. laitier des Alpes, et propose une base préromane *brottiare, d'orig. inconnue.” (vgl. TLFi s.v. brousse 1).
(auct. Thomas Krefeld)
bruma (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
BUTTER - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Der im Alpenraum dominierende Basistyp butyrum (vgl. Georges s.v. būtȳrum), eine antike Entlehnung aus dem Griechischen, bezeichnet bereits im Lateinischen das Konzept BUTTER (vgl. auch: butyru(m)).
Allerdings scheint das Produkt nicht als Nahrungsmittel, sondern vielmehr als Pflege- und Heilmittel gedient zu haben. Columella († um 70 n. Chr.), der sich in seiner Abhandlung über die Landwirtschaft (Res rustica, 7. Buch, Kap. 8) recht ausführlich mit der Milchverarbeitung befasst (vgl. KÄSE), erwähnt sie in diesem Zusammenhang gerade nicht. Dagegen empfiehlt er die Behandlung chronischer (?) Schmerzen mit flüssiger Butter:
"Fere autem omnis dolor corporis, si sine vulnere est, recens melius fomentis discutitur; vetus uritur, et supra ustum butyrum vel caprina instillatur adeps." (Columella 1941, Buch VI, Kap. XII, S. 160).
In englischer Übersetzung:
"Almost all bodily pains, if there is no wound, can in their early stages be better dissipated by fomentation; in the advanced stage they are treated by cauterizations and the dropping of burnt butter or goat’s fat upon the place." (Columella 1941, Buch VI, Kap. XII, S. 161)
Die anderen zum Konzept BUTTER gehörigen Basistypen sind onomasiologisch interessant, da sie ganz unterschiedlich motiviert sind:
- über die fette und cremige Konsistenz, (vgl. die Basistypen lat. pĭngue(m) 'Fett' und lat. ŭnguĕre 'salben, bestreichen' mit der Variante *ungĕre;
- über das Stampfen als Herstellungsverfahren (vgl. Basistyp lat. *pisiāre 'zerstampfen');
- über das Auslassen als elementare Technik der Konservierung (vgl. Basistyp deu. Schmalz vom Verb schmelzen).
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
(siehe Wikidata Q34172)
butyru(m) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
τὸ βούτυ̅ρον bezeichnet im Griechischen das "Fett der Milch" (τὸ πῖον τοῦ γάλακτος [Corpus Hippocraticum]). Im Corpus Hippocraticum (einer Sammlung medizinischer Texte, deren Entstehung vom 6. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. reicht) wird geschildert, wie die Skythen Butter aus Stutenmilch herstellten (Corp. Hipp., Morb. 4, 20). Das dort beschriebene Verfahren ist dabei genau so, wie es bisweilen auch heute noch verwendet wird: Angeblich hätten die Skythen die Stutenmilch in ein Fass (hohle Gefäße aus Holz: ἐς ξύλα κοῖλα) gegeben und dieses dann geschüttelt. Im Corpus Hippocraticum wird nicht gesagt, wozu die Skythen die Butter verwendeten (etwa als Lebens- oder als Heilmittel).
So wie schon im Corpus Hippocraticum entsteht auch bei Plinius dem Älteren der Eindruck, dass Herstellung und Verwendung von Butter als etwas typisch "Barbarisches" empfunden wurde (NH 28, 35: e lacte fit et butyrum, barbararum gentium lautissimus cibus et qui divites a plebe discernat). Das mag damit zusammenhängen, dass im mediterranen Lebensraum der Griechen und Römer das Olivenöl als Speisefett dominant war (und ist). Im griechisch-römischen Bereich scheint Butter daher weniger als Lebens-, sondern überwiegend als Heilmittel verwendet worden zu sein. Jedenfalls finden sich die Belege für βούτυ̅ρον/butyrum nicht selten im Kontext medizinischer Fachliteratur (neben Hippokrates u.a. bei Celsus und Galen), auch Plinius der Ältere beschreibt den Einsatz von Butter als Heilmittel (etwa gegen Nackenschmerzen: NH 28, 52).
Neben dem Neutrum βούτυ̅ρον kennt das Griechische auch eine maskuline Variante ὁ βούτυ̅ρος. Sowohl das Neutrum wie auch das Maskulinum sind auf der drittletzten Silbe betont (Proparoxytona). Das Lateinische hat das Wort offenbar aus dem Griechischen übernommen (butyrum).
Beim Basistyp butyru(m) sind zwei Akzentvarianten zu unterscheiden:
- paroxytones lat. butӯru(m), auf das der ita. Typ butirro zurückgeht (vgl. DELI 179);
- lat. bútyru(m) mit von grc. βούτυ̅ρον ererbtem Initialakzent; daraus hat sich fro. bure bzw. fra. beurre entwickelt. Dieser Typ wurde ins Italienische entlehnt und ergab auch ita. burro (vgl. DELI 178).
Im Alpenraum scheint also der Typ butyrum die auf lat. unguere / *ungere 'schmieren' zurückgehenden Bezeichnungen weithin verdrängt zu haben.
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
cabane / capanna (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Die phonetischen Varianten dieses morpho-lexikalischen Typs lassen sich auf Grund der folgenden Kriterien zu Typen gruppieren:
(1) Varianz des Wortanlauts:
- [k-] erhalten; vgl. fra. cabane;
- [k-] palatalisiert:
- [k-] > [ts-]; vgl. frp. tsˈăvănə
- [k-] > [tɕ-]; vgl. engadinisch chamanna;
- [k-] > [ʧ-]; vgl. frp. ʧavˈaːna
- [-p-] erhalten; vgl. ita. capanna;
- [-p-] geschwächt:
- - Sonorisierung [-p-] > [b-]; vgl. fra. cabane;
- - Sonorisierung und Spirantisierung [-p-] > [v-];
- - Sonorisierung [-p-] > [b-]; vgl. fra. cabane;
- [-a];
- [-ə];
- [-e];
- [-o].
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
*cala (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
capănna(m) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Das zu Grunde liegende lat. capanna ist laut FEW 2, 244-246 s.v. capanna nur ein einziges Mal (bei Isidor) belegt; "sein Ursprung ist dunkel" (FEW 2, 244 s.v. capanna). Die Formen mit -m- bilden eine alpine Variante (vgl. DRG 3, 236-239 s.v. chamona). Zur Semantik der roh. Formen heisst es: "In der Bedeutung 'Hütte, einfaches, armseliges Haus' nimmt das heute literarisch gefärbte camona eine Mittelstellung ein zwischen fam. baita DRG 2, 76 s.v. baita) 'Baracke, verfallenes Haus, schlechte Hütte' und teja 'Hütte, Senn-, Alphütte' (vgl. auch fögler (239))."
(auct. Thomas Krefeld)
*cappellus (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
caput (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
caseu(m) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
cautum (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
cellārium (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Allerdings ist die Phonetik der alemannischen und bairischen Formen schwierig, da sie keinen Reflex der romanischen Palatalisierung des initialen [k-] zeigen. Dieses Problem stellt sich jedoch nicht nur für den süddeutschen, sondern für den gesamten frühen lateinisch-romanisch/deutschen Entlehnungsraum, wie das Nebeneinander der verschobenen (deu. Zwiebel < lat. *cēpŭlla; REW, 1820 s.v. cēpŭlla) und unverschobenen Formen (deu. Kiste < lat. cĭsta 'Korb', deu. Wicke < lat. vĭcia) zeigt. Man beachte in diesem Zusammenhang auch den Flussnamen deu. Neckar < lat. Nicer (vgl. RE, XVII,1 und dKP 4, 88), ohne jede Palatalisierung. Dieser Name wurde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor 260-280 n.Chr. entlehnt, da die rechtsrheinischen Gebiete der Germania superior, einschließlich des gesamten Neckarlaufs in dieser Zeit aufgegeben wurden; es ergibt sich damit also ein terminus post quem für die Palatalisierung im nordalpinen Imperium oder, vorsichtiger gesagt, für ihre generelle Durchsetzung. Denn angesichts des grundsätzlich hohen Alters der romanischen Palatalisierung ist es nicht überzeugend, hier nur mit dem Zeitpunkt der Entlehnung zu argumentieren. Vielmehr sollte man damit rechnen, dass unverschobene, konservative und verschobene, innovative Varianten über einen langen Zeitraum im Frühromanischen nebeneinander bestanden. Man beachte, dass sich der Plosiv ja keineswegs nur im früh romanisierten, isolierten und recht weit entfernten Sardisch erhalten hat (vgl. die bekannten Beispiele wie srd. kentu 'hundert' \ lat. centu[m] usw.), sondern auch im Dalmatischen existiert zu haben scheint – in diesem Fall ist die Entfernung zum Alpenromanischen nicht mehr sehr groß (vgl. dalmatisch kapula < lat. *cēpŭlla; REW, 1820 s.v. cēpŭlla)
(auct. Thomas Krefeld)
cerea (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
chamona (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Stephan Lücke)
chaschöl (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
ciao (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
ciapp (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
clarus (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
clat (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Beatrice Colcuc)
coagŭlum (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
cohortem (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Varro referiert zwei für ihn plausible Herleitungen des Wortes cohors: Entweder hänge es zusammen mit dem Verb coorior und bezeichne demnach den Ort, um den herum das Vieh sich "versammle" (so die Übersetzung von R.G. Kent [Varro. On the Latin Language, Volume I: Books 5-7. Translated by Roland G. Kent. Loeb Classical Library 333. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1938]; diese Bedeutung ist nur schwer mit den anderen bei Georges belegten Bedeutungen bzw. überhaupt mit der Grundbedeutung des simplex oriri in Einklang zu bringen), oder es bestehe ein Zusammenhang mit dem griechischen χόρτος, das seinerseits wohl mit lat. hortus zusammenhängt (Varro, De Lingua Latina 5,88: cohors quae in villa, quod circa eum locum pecus cooreretur, tametsi cohortem in villa Hypsicrates dicit esse Graece χόρτον apud poetas dictam). Sowohl hortus wie auch χόρτος haben ursprünglich eine ganz ähnliche Bedeutung wie cohors (zu χόρτος vgl. z.B. Il. 11, 774 oder 24, 640).
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
colare (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
crama (vor) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Der lexikalische Typ deu. Rahm wird hier ebenfalls zum Basistyp crama gestellt; es wird also auf Grundlage der alpinen Sprachkontaktverhältnisse eine neue Ableitung vorgeschlagen. Im Kluge 2011, s.v. Rahm wird die Wortgeschichte aus indogermanistischer Sicht folgendermaßen skizziert:
"Rahm S[.]m ‛Sahne’ std. (11. Jh.), mhd. roum, mndd. rōm(e)[.] Aus wg. *rauma- m. ‛Rahm’, auch in ae.rēam; im Ablaut dazu anord. rjúmi. Falls von *raugma- auszugehen ist, vergleicht sich avest. raoγna- n., raoγniiā- f. ‛Butter’. Weitere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche Form beruht auf einer Mundart, die mhd. ou zu ā entwickelt hat. Wo Rahm gegen Sahne semantisch differenziert wird, bezieht es sich eher auf den sauren Rahm. Präfixableitung: entrahmen; Partikelableitung: abrahmen. Ebenso nndl. room." (Kluge 2011, online s.v. Rahm 1)
In diesem Ansatz werden die dialektalen Verhältnisse ausgeblendet; es muss jedoch berücksichtigt werden, dass im romanischen Alpenraum, und zwar unmittelbar südlich der germanisch-romanischen Sprachgrenze, der Typ fra. crème / ita. crema weit verbreitet ist (vgl. Karte crama).
Die zugehörigen phonetischen Typen mit den Tonvokalvarianten [æ], [e], [o] und [a] führen ganz selbstverständlich auf eine gemeinsame Ausgangsform [a] zurück, denn die Hebung von betontem /a/ > [e] bzw. > [æ] in offener Silbe und die Rundung /a/ > [o] vor Labial sind vollkommen unauffällig. Es ergibt sich somit ein Basistyp crama, der ursprünglich wohl aus dem Gallischen (d.h. aus dem Keltischen) stammt (vgl. FEW 2, 1271-1274, s.v. crama); das Wort ist übrigens bei Venantius Fortunatus (*540-600/610) belegt, der in Valdobbiadene, d.h. am südöstlichen Alpenrand nördlich von Treviso geboren wurde. Es wäre nun wenig plausibel, das gemeinsame Areal der synonymen Typen von deu. Rahm und roa. crama aus einem zufälligen Zusammentreffen zu erklären. Vielmehr sollte der deutsche zum selben gallo-romanischen Basistyp geschlagen werden.
Die Reduktion des Anlauts lat.-roa. [kr-] > deu. [r-] ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass "im d. h- vor Konsonant im 9. jh. schwindet" (FEW 16, 249, s.v. *hrokk), wie zahlreiche analoge Formen belegen. In der frühen Zeit des germanisch-romanischen Sprachkontakts muss die Variante [hr-] noch existiert haben, denn fra. froc 'Kutte' kann nicht auf althochdeutsch roc, sondern nur auf hroc mit Substitution des laryngalen durch den labiodentalen Frikativ zurückgehen. So auch Kluge:
"Rock[.] Sm std. (9. Jh.), mhd. roc, rok, ahd. (h)roc, as. rok [.] Aus wg. *rukka- m. ‛Rock’, auch af. rokk. Außergermanisch vergleicht sich air. rucht ‛Tunika’, kymr. rhuchen ‛Mantel’. Alles weitere ist unklar. Es besteht auch eine Variante mit Anlaut hr- in ahd. hroc, as. hroc, afr. hrokk, die vermutlich über das Französische zu Frack (vgl. Kluge 2011, online, s.v. Frack) geführt hat. Ebenso nndl. rok." (Kluge 2011, online, s.v. Rock).
Ebenso erklärt sich das Nebeneinander von eng. horse neben deu. Ross g. *hrussa (vgl. Kluge 2011, s.v. Ross) und deu. röcheln neben nisl. hrygla ‛Rasseln in der Kehle’, lav. kraũkât ‛husten, Schleim auswerfen’ ine. *kruk- ‛schnarchen, röcheln, grunzen’ (vgl. Kluge 2011, s.v. röcheln und ähnlich).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
crap (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
*crassia (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Im Alpengebiet gehen aus diesem Basistyp vereinzelt Bezeichnungen für den RAHM, also den fetthaltigen Teil der Milch hervor.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
crepa (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
cret(e) (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
croda (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
crŭsta (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Stephan Lücke)
Eimer (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Neben den deutschsprachigen Belegen sind Kognaten auch in den slowenischen Dialekten zu finden, hier hauptsächlich in der Bedeutung 'Eimer' z.B. ajmar oder ajmarelj, ejmpar, jempa, lambar und lempa (vgl. Karte Eimer). Verwandte Wortformen finden sich im ganzen östlichen Alpenraum, vor allem als Lehnwort in den slowenischen Dialekten. Gerade die phonetische Realisierung als /empar/, die sich aus den Belegen des SLA erschließen lässt, zeigt die Vermittlung des Worttyps über das Bairische, wo ebenfalls Empa gilt. Die Wörterbücher (vgl. DWB: s.v. Eimer; EWBD: s.v. Eimer) sehen das ahd. eimbar (vgl. AWB: s.v. Eimer) als eine Ableitung aus dem lat. amphora, das wiederum aus dem gr. ἀμφορεύς (amphoreús) entlehnt wurde (vgl. Kluge: s.v. Eimer).
(auct. Markus Kunzmann)
? - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Florian Zacherl)
excŏcta (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(a) mit anlautendem [ʃk-] (vgl. [ʃkota] in Livinallongo wie auch in Friaul);
(b) mit anlautendem [tʃ-] (vgl. [tʃot(e)] im Rest der Sella-Ladinia).
Bei (b) scheint es sich um eine Rückentlehnung aus dem Südtiroler Bairischen zu handeln (vgl. EWD II, 199-200).
Die Stratigraphie des Typs lässt sich also wie folgt schematisieren:
romanisch | deutsch. | slowenisch | |||
z.B. valdost. (é)couette | ita. scotta | lad. tʃot(e) ← | ← Adstrat | dial. Schotte(n) | dial. skuta |
↑ | ↑ | ↑ Substrat ↑ | ↑ Substrat ↑ | ||
lat. excocta |
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
exsūctus (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
FELS - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Vorlateinisches Stratum
- Verbreitet ist zunächst der aus der fra. und ita. Standardsprache bekannte Typ fr. roche / ita. rocca. Die Unsicherheit der Etymologisierung ist schon im REW offensichtlich. Dort wird eine Form *rocca rekonstruiert, die einerseits als 'lat.' klassifiziert wird und der andererseit jedoch "Ursprung unbekannt" attestiert wird (REWOnline, 7357); vgl. auch FEW, 10, 435-441).
- Sodann gibt es einen schwer zu typisierenden Komplex ähnlicher Formen, der hier – in Anlehnung an den DRG zwei Basistypen zugeordnet werden, die sich regional komplementär verteilen; beide sind jedoch nicht scharf zu trennen, da auch mit Kreuzungen zu rechnen ist. Einer dieser beiden Basistypen wird auf vor. *klapp(a) zurückgeführt (vgl. DRG, s.v. crap). Dieser Ursprung erklärt auch den tessinischen Typ ciapp mit einer Palatalisierung, die den lokalen Entwicklungen der historischen Phonetik entspricht. Aus *klapp(a) ist – laut DRG bereits in vorrömischer Zeit – eine Variante krap entstanden (vgl. auch REWOnline, 4759 krapp- ). Der Wechsel von [kl-] > [kr-] ist spontan leicht möglich und bedarf keiner besonderern Erklärung. DRG weist im zitierten Artikel jedoch daraufhin, dass womöglich mit Einfluss des zweiten Basistyps zu rechnen ist, der im DRG auf gripp / kripp- zurückgeführt wird (vgl. s.v. grip, vgl. auch REWOnline, 3863 grĕpp- ). Meyer-Lübkes damit verbundene Frage "Woher?" ist immer noch offen. Kaum einzuordnen sind die Formen des Typs crepa, da es sich ebenso gut um Varianten von crap, also des ersten Basistyps, mit palatalisiertem [a] handeln kann wie um Varianten des zweiten Basistyps, die im Anlaut durch den ersten beinflusst wurden ([gr-] > [kr-]). Von den Grundformen wurden auch analoge Diminutive (crapella / cripel usw.) abgeleitet.
- Ita. croda ist ein charakteristischer Typ der östlichen Dolomiten und des Friauls, dessen bedeutung in Boerio 1829, 166 als "luogo di monte dirupato" beschriebn wird. Laut DELI, 300, ist die herkunft des Worts "prob. di orig. preindeur." (vgl. auch Nuovo De Mauro, s.v.).
- Ein weiterer regionaler Typ vor. Ursprungs ist bündnerrom., speziell engad. spelm (vgl. PG, s.v. spelm und HdR, 812).
- In den Alpen weit verbreitet ist der ebenfalls vorlateinische Typs baum / balma (vgl. REW 912, s.v. < *balma); er bezeichnet speziell überhängende Felsen oder auch Felshöhlen, die als Unterstand für das Vieh genutzt wurden. Zum selben Basistyp rechnen wir bair. Palfen "groszer überhängender felsen, felsenhöhle" (DWB, s.v. Palfen, Balfen).
Lateinisches Stratum
Die lateinische 'Schicht' ist jedoch auch gut greifbar; sie zeigt sich u.a. in den Typen
- sasso, unter dem Kognaten von lat. saxum bzw. der als Fem. Sing. fortgesetzten Pluralfom saxa (vgl. Georges, s.v. saxum) geführt werden;
- pierre / pietra aus lat. petra;
- pic / picco aus lat. *pīkkare 'stechen' (vgl. REW, 6495);
- cret(e) aus lat. 2304. cratis 'Flechtwerk, Hürde' (vgl. Georges, s.v. cratis und REW 2304). HINWEIS auf Lex.Komm. geben;
- bündnerromanisch cuvel (DRG) und bairisch Kofel (DWB) aus lat. cubare 'liegen' (Georges, s.v. cubo).
Germanisches Stratum
Der auch in der deutschen Standardsprache vertretene Typ Fels (vgl. DWDS, s.v. Fels wurde wohl ins Bündnerrom. (außer Engadinisch) entlehnt; jedenfalls wird im DRG felsa als Germanismus beschrieben. Immerhin sei festgehalten, dass die Herkunft des deu. Typs ebenfalls unklar ist; substratale Herkunft, die ja keineswegs im Widerspruch zur Entlehnung des bündnerromanischen Worts aus den alemannischen Dialekten stünde, ist daher nicht grundsätzlich auszuschließen.
Toponymie
In der Regel tauchen die Bezeichnungstypen des Konzepts FELS auch mehr oder weniger häufig in der Toponyme auf, teils in massiver regionaler Verdichtung wie z.B. cret(e) im Friaul, croda in den italienischen Dolmiten und im Friaul oder crap in Graubünden; vgl. exemplarisch www.ortsnamen.ch, mit 963 Belegen von crap.Auch mit substratalem Erhalt der genannten Typen im heute deutsch- bzw. slowenischspachigen Gebiet ist zu rechnen, wie die
nahe beieinander gelegenen Bergnamen Krapfenkarspitze (zu crap?), Krepelschrofen (zu cripel?),
Klaffen (zu *klappa und Krottenkopf (zu croda?) beispielhaft zeigen sollen:

In der Tatsache, dass nicht sehr weit von einander entfernte Bergnamen ('Oronyme') auf unterschiedliche Etyma bezogen werden, die jedoch dasselbe Konzept bezeichnen und als synonym erscheinen, könnte man ein Argument gegen die Erklärung aus dem vorlateinischen Substrat sehen. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sich alte semantische Spezifizierungen verloren haben oder aber durch die wenig differenzierte Erhebung nicht erfasst wurden; es ist ja offenkundig, dass bei den Bezeichnungen ganz unterschiedliche semantische Motivationen zusammenkommen: die Form eins Bergs (z.B. còrna 'Horn'), topographische Auffälligkeiten (z.B. HÖHLE, ÜBERHANG), das Material (z.B. roche / rocca), die Nutzung (z.K. bündnerrom. cuvel, bair. Kofel aus lat. cubare 'liegen') usw.
(auct. Thomas Krefeld)
(siehe Wikidata Q1404150)
flōrem (flōs) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Ausgehend von 'Blüte' bezeichnet flōs oft DEN BESTEN, SCHÖNSTEN TEIL EINER SACHE, so etwa in lat. flos aetatis 'die Blüte der Jahre, die Jugendkraft, Jugendfülle' (vgl. Georges, s.v. flōs), einem Ausdruck, der sich bis ins Romanische erhalten hat (wie in fra. la fleur de l´âge 'die Jugend'; vgl. FEW, 3, 630-638, s.v. flōs). Ähnlich motiviert sind fra. fleur de la farine 'la partie la plus fine de la farine', ita. fior della farina, engadinisch flur d´farina oder gsw. (schweizerdeutsch) Blume (vgl. FEW, a.a.O.). Ebenfalls ausgehend von 'Blüte' erklären sich Bedeutungen, die mit der OBERFLÄCHE, dem HÖCHSTEN PUNKT von Dingen zu tun haben, wie in fro., frm. à fleur de 'à la surface, au niveau de'.
Beide semantischen Dimensionen ('gut' und 'oben') motivieren womöglich gemeinsam die Bezeichnung des Konzepts RAHMS, die sich bereits im Lateinischen entwickelte (flos lactis 'Rahm') und auch heute noch im Untersuchungsgebiet gut belegt ist (vgl. auch ita. fior di latte 'Rahm'). Dementsprechend sind auch Verben wie fra. défleurer oder neuokzitanisch sanflurá, sonflurá 'abrahmen' leicht zu verstehen (vgl. FEW, a.a.O.).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
formaticu(m) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
fraìma (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Anderen Wörterbüchern kann man entnehmen, dass der Typ nicht nur im Süden des Veneto und in Ponte nelle Alpi, sondern auch in weiteren Varietäten der Provinz Belluno, insbesondere im Agordino – aber auch im Zoldotal, diesmal in der Bedeutung von 'Herbst', präsent ist (vgl. Rossi 1992, 314, s.v. fardìma; Pallabazzer 1989, 189, s.v. ferdíma). Es ist interessant, dass die hier behandelte Form nur bis zum Gebiet der sogenannten Sellaladinia reicht und deren Grenzen nicht überschreitet (vgl. Blad s.v. auton).
Dieser morpho-lexikalischer Typ gehört zum Basistyp lat. frigĭdus ('kalt') (FEW 3, 797 s.v. frigĭdus).
(auct. Beatrice Colcuc)
fumar (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Gaden (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Das Wort ist als Neutrum seit althochdeutscher Zeit als gadum oder gadem belegt. Über ein Wort für 'lassen' oder 'freilassen' wird ein Zusammenhang mit Wörtern anderer indoeuropäischer Sprachen hergestellt, für das Germanische wird *ǵhə-t-mo- ‛freier Raum, leerer Raum’ angesetzt (vgl. Kluge 2011, online s.v. Gaden). Auch im Dänischen bedeutet gade 'Straße' (Duden s.v. Gaden). Im VerbaAlpina-Gebiet ist das Wort meist in Komposita gebunden, besonders häufig in den alemannischen Dialekten der Schweiz, wo es einen einzelnen Raum (Milchraum, Viehstall auf der Alm, Heuraum in der alpinen Stallscheune) bezeichnet (vgl. Idiotikon s.v. gădem), während vor allem in Südtirol damit ein Stadel gemeint ist. Im nördlichen Tirol werden hierfür hingegen Formen auf der Grundlage von Stadel gebraucht; vgl. auch den 'Ore', also den freien Raum zwischen den Häusern. Gaden bzw. Gadem galt schon im 19. Jahrhundert als veraltet, wie der Blick ins Grimm'sche Wörterbuch zeigt. Zu dieser Zeit war das Wort noch sowohl als Neutrum als auch als Maskulinum vorhanden (vgl. DWB s.v. Gadem).
(auct. Markus Kunzmann)
Geiß (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Gepse (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Marina Pantele)
GRASERNTE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
(auct. Markus Kunzmann)
guieppé (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
gumьno (sla) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
Hacke (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Laut Kluge ist Hacke eine Instrumentalbildung zum Verb hacken (vgl. Kluge s.v. Hacke). Der Typ beschränkt sich auf die westgermanischen Sprachen (ahd. hackōn, mnd. hakken, mhd./mnl. hacken, nl. hakken, aengl. -haccian, eng. to hack) (vgl. DWDS s.v. hacken). Hacke als Bezeichnung des Konzepts HINTERER TEIL DES FUSSES fehlt im Oberdeutschen sowie im Mittelhochdeutschen, ggf. aus dem Grund, dass dort die Bezeichnung Ferse verwendet wird.
(auct. Markus Kunzmann)
HAUT, AUF DER MILCH, BEIM ABKÜHLEN, NACH DEM KOCHEN - Konzept (Auf Karte visualisieren)
hiša (sla.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
HÖHLENBURG KLOPFENSTEIN ZWISCHEN WALTENSBURG UND BRIGELS - Konzept (Auf Karte visualisieren)
hûs (goh) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
hutta (goh) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Markus Kunzmann)
iŭncus (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
Jauche (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Marina Pantele)
KÄSE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Vorbemerkung
Unter diesem Konzept werden ausschließlich die Milchprodukte zusammengefasst, die aus den Feststoffen bestehen, die sich bei der ersten Scheidung der Milch (auf Grund der Gerinnung) ergeben. Aus der ebenfalls entstehenden Flüssigkeit (SÜSSMOLKE) können durch eine zweite Gerinnung wiederum Feststoffe gewonnen werden, die ein käseähnliches Milchprodukt ergeben, das ita. als ricotta, gsw. (alemannisch) als Ziger und im Deutschen manchmal ein wenig irreführend als 'Molkenkäse' bezeichnet wird: Im Unterschied zum eigentlichen Käse enthält der ZIGER jedoch kein Kasein, sondern ein anderes Eiweiß (Albumin).Sachgeschichte
Im HLS wird darauf hingewiesen, dass die Käserei mit Lab, gemeint ist offensichtlich die Käseherstellung unter Zusatz eines Gerinnungsmittels (das nicht unbedingt dem tierischen Lab entsprechen muss) womöglich nicht überall in antiker Kontinuität steht: "Aus sprachwissenschaftl. Sicht (Käse von lat. caseus) ist denkbar, dass die Römer die Kunst des Verkäsens von fetter Milch mit Lab zu einem haltbaren, gesalzenen Fettkäse gekannt und über die Alpen in die keltischen Gebiete gebracht haben. Käse war bereits in der Antike ein alpines Exportprodukt Rätiens. Mit dem Rückzug der romanischen Kultur verschwand im HochMA die Herstellung von Labkäse im alemannischen Gebiet, doch blieben die Produktionskenntnisse in den romanischen Gebieten wahrscheinlich erhalten. Quellen des 13. bis 14. Jh. aus dem Unterwallis und Greyerzerland weisen auf Fettkäseproduktion hin. Die archäologischen Untersuchung ma., alpiner Temporärsiedlungen (bisher v.a. Innerschweiz) brachte Einrichtungen zum Bereiten und Lagern des Käses zutage, so Unterlagen zum Käsepressen, nach Art der Trulli errichtete Milch- und Käsespeicher, Felsklüfte, die als Lagerräume gedient haben mochten. Auf Bergeten im glarner. Braunwald wurde ein Felskeller mit Wasserkühlung entdeckt. Unbekannt bleibt die Art des hier produzierten Käses." (Dominik Sauerländer/Anne-Marie Dubler). Dazu ist allerdings festzuhalten, dass es eine deutlich breitere und auch anders gelagerte sprachwissenschaftliche Evidenz für eventuelle Kontinuität gibt. Vor allem scheint es, als hätten die Römer ihrerseits bereits von vorrömischer Alpenbevölkerung spezielle Techniken der Milchverarbeitung übernommen. Offenkundig vorlateinisch sind die Bezeichnungen Senn, Ziger, Brente, Tomme. Eine andere Schicht ist lateinisch (Schotten, Gebse, Käse; vgl. Hubschmid 1951). Die Archäologie bestätigt mittlerweile das hohe Alter der alpinen Milchverarbeitung, denn sie liefert "Belege einer eigentlichen Alpwirtschaft am Ende des 2. bzw. im frühen 1. Jahrtausend v.Chr." (Reitmaier 2016, 28; vgl. auch Carrer 2012 und Carrer et al. 2016).
Eine für die römische Milchverarbeitung und für einige einschlägige Bezeichnungen aufschlussreiche Stelle findet sich in der Historia naturalis des Plinius; nachdem die Milcharten unterschiedlicher Lebewesen (einschließlich des Menschen) angesprochen wurde, heißt es:
"[...] omne autem igne spissatur, frigore serescit. bubulum caseo fertilius quam caprinum, ex eadem mensura paene altero tanto. [...]
Coagulum hinnulei, leporis, haedi laudatum, praecipuum tamen dasypodis, quod et profluvio alvi medetur, unius utrimque dentatorum. mirum barbaras gentes quae lacte vivant ignorare aut spernere tot saeculis casei dotem, densantes id alioqui in acorem iucundum et pingue butyrum. spuma id est lactis concretior lentiorque quam quod serum vocatur; non omittendum in eo olei vim esse et barbaros omnes infantesque nostros ita ungui." (Plinius 1906, 11, 96, 238 f.)
"All milk is made thicker by fire and turned into whey by cold. Cow’s milk makes more cheese than goat’s milk, almost as much again from the same quantity. [...] The curds of the roebuck, hare and goat are praised, but that of the rabbit is the best, and is even a cure for diarrhoea—the rabbit is the only animal with teeth in both jaws that has this property. It is remarkable that the foreign races that live on milk for so many centuries have not known or have despised the blessing of cheese, at most condensing their milk into agreeable sour curds and fat butter. Butter is a foam of milk of thicker and stickier substance than what is called whey; it must be added that it possesses the quality of oil and is used for anointing by all foreigners and by ourselves in the case of children." (Plinius 1906)
Wir erfahren hier zunächst die besondere Wertschätzung der KUHMILCH (lac bubulum) für die Käseherstellung. Ferner wird caseus in Zusammenhang mit dem tierischen coagulum (vgl. coagŭlum) gebracht, bei dem es sich an dieser Stelle wohl nur um LAB handeln kann; caseus ist daher kein generischer Ausdruck für Milchprodukte, sondern für LABKÄSE. Caseus wird ja auch in Gegensatz zu acorem iucundum und butyrum gestellt – zu zwei Produkten, die charakteristisch für die barbaros (und damit nicht für die Römer) sind. Diese beiden Bezeichnungen sind nicht ganz klar; immerhin spricht nichts gegen eine Deutung von butyrum im Sinne von 'Butter'. Auf welche Art von Sauermilchprodukt sich dagegen acorem iucundum bezieht, bleibt ein wenig fraglich; der Gedanke an BUTTERMILCH liegt nahe. Schließlich nennt Plinius mit serum die Bezeichnung der SÜSSMOLKE; entsprechende Kognaten sind im VA-Material in den piemontesischen Westalpen gut belegt.Eine detailliertere Beschreibung der Käseherstellung gibt Columella (7. Buch, Kap. 8); dort werden zusätzlich zum tierischen Lab auch pflanzliche Gerinnungsmittel (u.a. Färberdistel und Saft aus der Feigenbaumrinde), Gefäße (mulctra 'Melkgefäß') sowie Körbe zum Formen (fiscella, calathus, crates) erwähnt. Vor allem beschreibt Columella jedoch wichtige Phasen des Käsens, insbesondere das Salzen, Pressen und Formen (s.u.). Er stellt auch den besonderen Wert des konservierbaren, reifen Käses heraus: "potest etiam trans maria permitti" ('er kann über das Meer verschickt werden'; Columella a.a.O. Kap. 6).
Generische Bezeichnungen des Konzepts
Der im deutschsprachigen VA-Gebiet so gut wie ausschließlich geltende morpho-lexikalische Typ Käse geht zweifellos auf lat. caseus zurück, das im romanischsprachigen VA-Gebiet dagegen nur sehr wenige Fortsetzungen findet, nämlich im Dolomitenladinischen; weiter verbreitet, vor allem im Bündnerromanischen, sind Kognaten des lat. Diminutivs caseolus. Anstatt lat. caseus dominieren im romanischsprachigen VA-Gebiet einerseits das vorlateinische, wie es scheint keltische tuma in den französischen und frankoprovenzalischen Westalpen, sowie das lateinische formaticus, dessen unmissverständliche Motivation aus dem Partizip von lat. formare, darauf hinweist, dass es ursprünglich wohl eine spezifizierte Bezeichnung des geformten und reiferen Käses gewesen sein muss, die dann verallgemeinert wurde.Da dieser Typ im deutschsprachigen Raum vollkommen zu fehlen scheint, muss man annehmen, dass er sich im Romanischen erst verbreitet hat, nachdem der Sprachwechsel zum Deutschen im nord- und ostalpinen Raum weitestgehend vollzogen war. Slowenisch sir 'Käse' setzt offenkundig die von Plinius genannte Bezeichnung der 'Molke', lat. serum, in metonymisch verschobener Bedeutung fort.
(auct. Thomas Krefeld)
(siehe Wikidata Q10943)
kajža (sla.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
Kessel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Das nhd. Kessel wird auf den Diminutiv des lat. catinus (vgl. Georges s.v. catīllus), der catīllus lautet, zurückgeführt. Eine Entlehnung aus dem Lateinischen muss früh erfolgt sein, denn schon im Gotischen ist katil(s) (vgl. Wulfila, Mk 7, 4) ebenso wie in vielen anderen germanischen Sprachen als Bezeichnung für ein Metallgefäß belegt (vgl. DWB s.v. Kessel; DWDS s.v. Kessel; Kluge s.v. Kessel).
(auct. Markus Kunzmann)
Klopf (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Kofel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
kotel (sla.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
koza (sla) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
koza (sla.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
Kreister (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Denkbar wäre eine Herleitung aus lat. crista, das in erster Linie 'Kamm des Hahns' bedeutet. Die auf den ersten Blick undurchsichtige Etymologie gewinnt dann an Substanz, wenn man dabei bedenkt, dass sich daraus auch Wörter in der Bedeutung 'Rahm' oder 'Bergkamm' herleiten (vgl. ita. cresta, fra. crète), die alle das semantische Merkmal 'oben' gemeinsam haben könnten. In einfachen Almbehausungen dienten oft Truhen, in denen Gerätschaften gelagert wurden, als Schlafstelle.

(auct. Markus Kunzmann)
Kübel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Das Wort ist im Althochddeutschen als kubilo seit dem 10. Jh. bezeugt (vgl. AWB: s.v. kubilo). Vor allem in den Weinbaugebieten des südlichen Alpenrandes wurde mit lat. cūpa ein großes hölzernes Gefäß bezeichnet. Von Oberitalien aus gelangte das Wort dann in den oberdeutschen Raum (vgl. trent. ku'ej 'Melkeimer'); Ausgangsform ist laut EWBD (s.v. Kübel) altprovenzalisch cubel 'kleiner Bottich'; belegt sind auch Ableitungen wie cubelot oder mittellateinisches cubellus (vgl. FEW2, 1550 s.v. cūpa). Alle gehen auf lat. cūpella zurück, das auch Kluge als Etymon nennt (vgl. Kluge: s.v. Kübel). Kübel-Derivate finden sich im gesamten Raum der Ostalpen (vgl. Karte Kübel); der vom EWBD vorgeschlagene Umweg über das Altprov. erscheint unnötig kompliziert.
(auct. Thomas Krefeld | Markus Kunzmann)
Kuh (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Markus Kunzmann)
LAB - Konzept (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
(siehe Wikidata Q326900)
lacciata (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Beatrice Colcuc)
lăcte(m) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Stephan Lücke)
lonьcь (sla) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
maceria (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Diese beiden morpho-lexikalischen Typen sind überwiegend in den italienischen Ostalpen angesiedelt (s. die Karte zu māceria), wo sich der hier kurz kommentierte Basistyp auch als Anthroponym und als Toponym herauskristallisieren konnte (vgl. Pallabazzer 1972, 71). Einige Beispiele sind auf dieser Karte verortet (die Liste ist nicht vollständig).
Als Familiennamen lebt Masarei (māceria + Suffix -etum) speziell in den Dolomiten weiter, insbesondere in Livinallongo del Col di Lana und in Colle Santa Lucia.
(auct. Beatrice Colcuc)
magiostra (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Beatrice Colcuc)
Mahd (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Markus Kunzmann)
marmolada (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Die Marmolata ist mit ihren 3343 m.ü.M. der höchste Berg der Dolomiten. Seine Nordseite ist von einem Gletscher bedeckt, der früher fast bis zum Fedaia-Pass (2057 m.ü.M.) reichte, aber heutzutage auf den obersten Teil des Berges beschränkt ist.
Auch in Tagliavini 1934 (202) sowie in Pult 1947 (41) ist für den Dialekt aus Livinallongo del Col di Lana das Wort marmolada in der Bedeutung 'Gletscher' angegeben. Das Wort würde demnach in erster Linie den o.g. Dolomitengipfel bezeichnen, während die Bedeutung 'Gletscher' das Ergebnis eines metonymischen Prozesses sein könnte. Hier ist allerdings die folgende Bemerkung angebracht: Die Marmolata ist ein sehr imposanter Berg, der sich zwischen den Gemeindegebieten von Livinallongo, Canazei, Rocca Pietore und Falcade befindet. Dementsprechend könnte man in den Nachbaridiomen (zumindest in Canazei, denn Rocca Pietore und Falcade stellen keine AIS-Erhebungspunke dar) das gleiche Wort oder Varianten davon erwarten. Allerdings verzeichnet die AIS-Karte den Typ marmolada allein in Arabba in der Bedeutung 'Gletscher'. In Penia bei Canazei (p. 313) sind /ˈʤaʧɐ/ und /ʤaʧˈoŋ/ (also der morpho-lexikalische Typ glace (auch mit Suffix -on) (roa. f.) belegt, während im etwas östlich gelegenen Zuel bei Cortina d'Ampezzo (p. 316) /ˈʒatso/ (morpho-lexikalischer Typ ghiaccio roa. m.) auftaucht.
Trotz des Belegs in der Bedeutung GLETSCHER in der einschlägigen oben aufgeführten Literatur, geht aus eigenen Erhebungen in Livinallongo del Col di Lana hervor, dass Marmolada im hier behandelten Gebiet nur als Name des Bergs bekannt ist. Leider liefert das Crowdsourcing im Moment noch keine Belege für die Gemeinde Livinallongo und das Konzept GLETSCHER, dennoch sind die Personen, die befragt wurden, alle Muttersprachler des hier in Frage kommenden Dialekts. Es scheint also gerechtfertigt, die Frage nach der Legitimität des Sprachbelegs marmolada zu stellen. Diesbezüglich kann man einerseits die Hypothese aufstellen, dass das im AIS belegte Wort marmolada das Ergebnis eines im Zuge der Datenerhebungen entstandenen Missverständnisses ist: Während der Explorator wissen wollte, welches Wort für GLETSCHER im Dialekt verwendet wird, könnte der Informant fälschlicherweise den Namen des Berges angegeben haben. Auf der Grundlage des sehr fragwürdigen AIS-Belegs (Band III, 1930) könnten auch Tagliavini 1934 und Pult 1947 ihre Kommentare, sowie auch Masarei (Blad) seinen Eintrag im Wörterbuch verfasst haben. Auf der anderen Seite könnte man auch vermuten, dass das Wort Anfang des 20. Jahrhunderts, als die AIS-Erhebungen durchgeführt worden sind, noch für GLETSCHER geläufig war, aber heutzutage nicht mehr bekannt ist. Unter den von uns befragten Personen waren auch Sprecher höheren Alters, die ebenfalls behaupteten, das Wort marmolada in der Bedeutung 'Gletscher' nie gehört bzw. verwendet zu haben. Die erste Hypothese scheint also plausibler.
(auct. Beatrice Colcuc)
mascarpa (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
melkan (goh) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
Mist (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Marina Pantele)
MITTEL ZUR GERINNUNG - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Als Gerinnungsmittel werden häufig Substanzen aus dem Magen von noch saugenden Jungtieren wie Kälbern, Lämmern oder Zicklein verwendet. Speziell aus dem Kälbermagen wird etwa das Gerinnungsmittel Lab gewonnen, dessen gerinnungsaktive Komponente das Labenzym Chymosin ist. Neben diesen tierischen Produkten können auch andere Substanzen wie z.B. Säuren (Zitronen-, Essig-, etc.) als Gerinnungsmittel verwendet werden. Entsprechende Wirkung wird auch durch das Rühren der Milch mit Zweigen vom Feigenbaum und das darin enthaltene Enzym Ficain erzielt. Dieses Verfahren wurde schon in der Antike angewendet, wie Plinius der Ältere gleich an mehreren Stellen in seiner Naturalis Historia berichtet (z.B. NH 23, 63 ed. Loeb: Fici sucus lacteus aceti naturam habet, itaque coaguli modo lac contrahit. NH 23, 64, ed. Loeb: Caprificus etiamnum multo efficacior fico; surculo quoque eius lacte coagulatur in caseum.). Im 19. Jh. ließ man wenigstens in Teilen Spaniens die Milch durch Rühren mit Feigenzweigen gerinnen (vgl. P. Ascherson / P. Graebner, Synopsis der mitteleuropäischen Flora, Bd. 4, Leipzig 1908-13, S. 593: "Der Milchsaft der Feige enthält ein Enzym, welches ähnlich dem von Carica papaya Proteinsubstanzen löst, vergl. Bouchu Journal de pharm. II. 1880. 164. Er wurde schon im Alterthum und wird noch heute in Spanien nach Wolffenstein bei Wittmack (Sitzb. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenb. XX [1878] 31) zum Gerinnen der Milch bei der Käsebereitung wie Lab benutzt").
(auct. Stephan Lücke)
muaglia (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Dadurch, dass muaglia nicht nur das Individuum, sondern auch das Kollektiv und darüberhinaus nicht nur die *KUH*HERDE bezeichnet, ist ausgeschlossen, dass der Typ mit lat. mulgēre, MELKEN, in Verbindung zu bringen ist. Vielmehr ist ein Zusammenhang mit lat. mōbilia (n. Pl.) hergestellt worden (FEW6, 3: 1 s.v. mobilis]) und wahrscheinlich. Die Bezeichnung hebt demnach auf die Beweglichkeit des Viehbestands ab und dürfte als Komplement zum nicht beweglichen Eigentum, den Immobilien, zu verstehen sein. Auch das im Unterengadin begegnende muvel (m.) (roa.), das dort das VIEH bezeichnet, wird gleichfalls auf lat. mōbilis zurückgeführt (FEW a.a.O.).
(auct. Stephan Lücke)
muaglia (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Stephan Lücke)
mucca (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Der seit 1513 und bis ins frühe 20. Jh. hinein jeweils im Oktober stattfindende Viehmarkt von Lugano (sog. "Fiera Grossa") versorgte ganz Oberitalien mit Vieh aus der Zentral- und Ostschweiz sowie dem angrenzenden Österreich (s. HLS s.v. Lugano [3 – Neuzeit]). Es kann durchaus sein, dass auch toskanische Bauern auf den Viehmarkt von Lugano gekommen sind (s. Tommaseo/Bellini a.a.O.). Insofern ist es tatsächlich vorstellbar, dass sich aus einer im Tessin auftretenden schweizerdeutschen Bezeichnung ein toskanisches Wort entwickelt hat. Möglicherweise stellt mucca jedoch auch einen Synkretismus von vacca und mungere, 'melken', dar (s. Hall 1940; vgl. auch Tommaseo/Bellini, a.a.O.). Das von Tommaseo/Bellini a.a.O. auch als möglicher Ursprung von mucca angegebene grc. Μυκάω 'mungere' ist im LSJ nicht nachgewiesen. Die dort verzeichnete mediale Form μῡκάομαι bedeutet 'brüllen, dröhnen' und ist demnach semantisch nicht mit MUNGERE/MELKEN in Verbindung zu bringen.
(auct. Stephan Lücke)
Mugg (gem) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Stephan Lücke)
mŭlgēre (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Ein Zusammenhang mit Malga liegt semantisch nahe, ist jedoch wegen des anderen Tonvokals phonetisch problematisch.
Lat. mulgere geht wie deu. melken und grc. ἀμέλγειν – laut Kluge, 614 auf ine. *melǵ- 'melken' zurück.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
muvel (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Stephan Lücke)
*nīta (vor) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Odel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Marina Pantele)
Palfen (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
pannus (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pasteur / pastore (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
pellīcia (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Man beachte, dass die alemannischen Formen durchweg maskulin sind, während das romanische pleʧɑ 'Rahm' (im graubündnerischen Münstertal) feminines Genus aufweist und insofern dem fra. pelisse und ita. pelliccia 'Pelz' entspricht (vgl. FEW, 8, 162-164, s.v. pĕllīceus). Bei den alemannischen Formen scheint es sich daher um sekundäre Entwicklungen einer im Genus bereits adaptierten Entlehnung des deu. Typs Pelz zu handeln (der natürlich letztlich auch auf lat. pĕllīceus zurückgeht; vgl. Kluge, 692 und AWB, s.v. pelliz) und nicht um Relikte aus dem lokalen romanischen Substrat, die ja im Genus eher dem genannten femininen pleʧɑ entsprechen müssten.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pĕllis (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pertgirar (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
piatigot (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
piéria (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
- 305 (San Vigilio di Marebbe): la pyéyura - 313 (Penía): ampyéria, ampiéries - 314 (Colfosco): ls pírias (Pl.) - 315 (Arabba): la pyéria Kramers EWD bestätigt die AIS-Belege und nennt weitere, nach Erscheinungsdatum aufgelistete Ausdrücke aus verschiedenen ladinischen Ortschaften, die mit dem Typ piéria verwandt sind.
Der hier behandelte morpho-lexikalische Typ hängt mit dem goh. Basistyp peri/beri zusammen (vgl. EWD 5, 277-278), der dem heutigen deu. Beere entspricht. Die ladinischen Bezeichnungen für Erdbeere können also als Lehnwörter betrachtet werden.
Im Ladinischen haben sich diese Ausdrücke im Wesentlichen aus zwei Sprachprozessen herausgebildet: einerseits durch einen morphologischen Prozess, wobei der Basistyp mit einem Suffix versehen wurde und andererseits durch einen phonologischen Prozess, im Laufe dessen sich der Tonvokal -e- zum Diphthong -ie- entwickelt hat. Was den ersten Prozess betrifft, so kann man, je nach Lokalvarietät, die Suffigierung von -ICA > -ia (gadertalisch und buchensteinisch pīria), -ULA > -ora (nord gadertalisch pìriora) und -INA > ena (Kampill pírghena) annehmen (vgl. EWD 5, 277-278). Der Diphthongierungsprozess von e zu ié ist in den ladinischen Varietäten üblich. Was die fassanischen Varietäten betrifft, so wurde dem Basistyp auch das Präfix AMP- vorangestellt (oberfassanisch ampyéria) (vgl. EWD 5, 277-278).
Der hier behandelte morpho-lexikalische Typ ist nicht zu verwechseln mit den oberitalienischen Bezeichnungen des TRICHTERs píria, impíria, inpíria oder mit den zentralitalienischen Formen pétria, pítria, pítriola. Obwohl die beiden Formen piéria ('Erdbeere') und píria ('Trichter') auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, sind sie mit zwei völlig unterschiedlichen Etymologien zu verbinden. Letzteres könnte mit lat. pletria in Verbindung stehen (vgl. Ascoli 1877, 96).
(auct. Beatrice Colcuc)
pinguĕ(m) (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
*pinguis (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Manche Bezeichnungen weisen im Stamm eine so auffällige lautliche Ähnlichkeit auf, dass man ihre Zusammengehörigkeit kaum in Frage stellen kann:
- (1) roa. pigna, mit den Tonvokalvarianten [ɪ, e, ɛ, a] u.a.;
- (2) sla. pinja, ein offenkundiger Romanismus, da sich sein Verbreitungsgebiet an dasjenige von (1) anschließt;
- (3) roa. pinacc, eine suffigierte Form von (1);
- (4) roa. panaglia (mit Varianten des hier unbetonten, initialen Stammvokals, die den unter (1) genannten entsprechen); bei diesem Typ dominieren die Varianten mit dem unbetonten Stammvokal [a] .
- (5) Der auch im Standardita. bekannte Typ pignatta 'Topf' mitsamt seiner dialektal häufigen mask. Variante (vgl. AIS 973) ist ebenfalls zu (1) zu stellen; er ist zwar im VA-Gebiet eher in der Bedeutung 'Topf aus Terracotta' belegt (vgl. AIS 955), bezeichnet jedoch außerhalb des VA-Gebiets, nämlich in der Emilia-Romagna, ausdrücklich einen Topf, in dem durch Schlagen (mit einem Holzlöffel u.a.) kleinere Mengen von Butter hergestellt werden (vgl. die Legende zu AIS, Karte 1206, Typ C).
- latte di pigna BUTTERMILCH, d.h. wörtlich 'Milch aus dem Butterfass' (im Trentino).
Allerdings kann die für ita. pignatta vorgeschlagene Rückführung auf ita. pigna 'Pinienzapfen' (< lat. *pīnea[m]) – "prob. [...] per la somiglianza di forma delle più antiche pignatte con una pigna" – semantisch nicht überzeugen; zwar mag die konische Form mancher Terracotta- und auch Bronzetöpfe durchaus an Pinienzapfen erinnern (vgl. DELI). Aber ein für die Wortgeschichte entscheidender sachgeschichtlicher Hinweis lässt sich der bereits genannten AIS-Karte 955 LA PENTOLA (PIGNATTA) DI TERRACOTTA entnehmen: Sie enthält nämlich auch eine Liste mit Bezeichnungen des BRONZETOPFS (AIS 955_2), die insbesondere im alpinen Raum teilweise sekundär darauf übertragen wurden, da sie auf ein ganz anderes Material zur Herstellung von Kochtöpfen zurückgehen, nämlich auf den so genannten Speckstein, ita. steatite, laveggio, deu. auch Lavetz(stein) (vgl. den Kommentar zu AIS-Karte 963, LA MARMITTA sowie AIS 970 IL VASO PER LO STRUTTO). Dieses vielseitig und wegen seiner geringen Härte vergleichsweise leicht nutzbare Material, das vor allem in den Tessiner und lombardischen Bergen abgebaut wurde, diente auch zur Fertigung von anderen Gegenständen, wie zum Beispiel von Öfen, die auf bündnerromanisch ebenfalls als pegna, roh. (engadinisch) pigna bezeichnet werden (HWdR, 571; LRC, 798; zu pigna, pegna 'Ofen aus Speckstein' vgl. den Kommentar zu AIS 937; diese Öfen sind übrigens "annähernd kubisch" (AIS 937, Kommentar)) und haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Pinienzapfen.
Hier handelt es sich demnach um einen klaren Fall von metonymischer Polysemie (und nicht von Homonymie); pigna 'Ofen' und pigna 'Gefäss zum Butterschlagen' werden nach dem Material benannt, aus dem beide Dinge hergestellt wurden – dem Speckstein. Es ist jedoch nicht unbedingt nötig, ein vorrömisches Etymon anzunehmen, wie Alexi Decurtins im LRC, 798) für bündnerromanisch pegna | pigna 'Ofen' vorschlägt, sondern formal käme als Etymologie durchaus das von G. B. Pellegrini vorgeschlagene *pinguia (zu lat. pĭnguis 'fett') in Frage – allerdings nicht elliptisch aus pinguia(m) (ollam) im Sinne eines 'Gefäßes (= lat. olla) für Fett' ("Recipiente particolare per conservare il grasso, fosse esso strutto, sugna, o burro cotto, oppure un arnese elementare per fare il burro" ([1976, S. 171 zit. DELI 928]), sondern im Sinne eines hinsichtlich seines Aussehens und seiner Konsistenz fettähnlichen Minerals bzw. Gesteins (vgl. analog motiviertes deu. Speckstein). Als Basistyp für (1)-(5) wird daher lat. *pinguia (petra) 'Speckstein' vorgeschlagen.
Die vielen Formen mit Stammvokal [ɐ, a] zeigen eine starke und onomasiologisch naheliegende Beeinflussung durch das etymologisch zu trennende panna 'Rahm'. Nicht zu diesem Typ gehört dagegen
(6) lombardisch pench, roh. paintg 'Butter', die besser direkt auf pĭnguis 'fett' zurückgeführt wird (HdR). Bei
(7) roh. penn 'Buttermilch'
könnte es sich immerhin um eine Rückbildung auf Basis von pigna 'Butterfass' handeln. Die Buttermilch wird ja daraus abgelassen.
Das folgende Schema zeigt die Wortfamilie (grüne Pfeile) sowie die belegten Bedeutungen (rote Pfeile).

Im Hinblick auf die metonymische Motivation der Polysemie lässt sich also die Übertragung der Bezeichnungen vom natürlichen Rohstoff auf daraus hergestellte Artefakte zunehmender Komplexität (einfaches Gefäß > mechanisches Gerät) und schließlich auf die damit verbundene Funktion feststellen.
(auct. Thomas Krefeld)
pischada (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
*pisiāre (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
planina (sla.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
PLATTE, DIE SONNENLICHT ABSORBIERT, UM STROM ZU ERZEUGEN - Konzept (Auf Karte visualisieren)
*puína (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Quark (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Mitteldeutsche Varietäten hatten das Wort aus dem Nordsorbischen twarog entlehnt; so gelangte es auch ins Neuhochdeutsche. Im Mittelhochdeutschen ist es noch als twarc belegt (vgl. Kluge s.v. Quark; DWDS s.v. Quark).
(auct. Markus Kunzmann)
RAHM - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Möglicherweise beschreibt schon Herodot die Herstellung von Rahm durch die Skythen. Angeblich hätten diese Stutenmilch gerührt und die sich dabei oben absetzende Substanz, die bei ihnen die größte Wertschätzung besaß, abgezogen (4,2 ed. Godley ed. Loeb: ἐπεὰν δὲ ἀμέλξωσι τὸ γάλα, ἐσχέαντες ἐς ξύλινα ἀγγήια κοῖλα καὶ περιστίξαντες κατὰ τὰ ἀγγήια τοὺς τυφλοὺς δονέουσι τὸ γάλα, καὶ τὸ μὲν αὐτοῦ ἐπιστάμενον ἀπαρύσαντες ἡγεῦνται εἶναι τιμιώτερον, τὸ δ᾿ ὑπιστάμενον ἧσσον τοῦ ἑτέρου. τούτων μὲν εἵνεκα ἅπαντα τὸν ἂν λάβωσι οἱ Σκύθαι ἐκτυφλοῦσι· "Wenn sie gemolken haben, gießen sie die Milch in hohle hölzerne Gefäße. Sie stellen die blinden Sklaven ringsherum auf und lassen sie die Milch umrühren. Was dann obenauf steht, wird abgeschöpft. Diesen Teil halten sie für wertvoller als das, was sich unten absetzt. Deshalb nun blenden die Skythen, wen sie nur fangen." [Übers. J. Feix]). Sofern hier wirklich von Rahmherstellung die Rede ist, wird durch die fehlerhafte Prozedurbeschreibung und das Fehlen einer spezifischen Bezeichnung für das Produkt deutlich, dass Herodot weder den Vorgang noch das Erzeugnis kannte. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte scheint der RAHM den alten Griechen unbekannt geblieben zu sein. Jedenfalls gibt es anscheinend keine altgriechische Bezeichnung für dieses Konzept (http://www.perseus.tufts.edu/hopper/definitionlookup?q=cream). Im Lateinischen existiert zwar eine Bezeichnung für den RAHM (Georges s.v. cramum), jedoch taucht die entsprechende Vokabel, crama erst sehr spät, im 6. Jh. n. Chr. bei Venantius Fortunatus, auf, so dass man davon ausgehen kann, dass auch im römischen Kulturkreis der RAHM und alle Folgeprodukte wie vor allem die Butter die längste Zeit keine Verwendung fanden oder zumindest nicht selbst hergestellt wurden.
(auct. Stephan Lücke)
(siehe Wikidata Q13228)
recommander / raccomandare (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
Retzel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Markus Kunzmann)
*sanio (vor) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
SAUBOHNE, JUNG, GRÜN, MIT DEN SAMEN ESSBAR - Konzept (Auf Karte visualisieren)
SCHAFHIRTE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Thomas Krefeld
Schmalz (gem) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
In der Bedeutung ‘Butter’ wurde Schmalz auch ins Alpenromanische entlehnt; vgl. lld. smàlz (EWD VI: 273-274; Blad s.v. smauz).
Dieser Typ zeigt sehr schön die Notwendigkeit im Rahmen von VerbaAlpina zwischen dem entferntesten Etymon (die italienische Sprachwissenschaft spricht von der etimologia remota; vgl. Schweickard 2010) und dem Basistyp der erfassten Formen zu unterscheiden. Selbstverständlich gehört das deu. Schmalz zum Verb schmelzen, wie Kluge ausführt:
„Sn std. (9. Jh.), mhd. smalz, ahd. smalz, mndd. smalt, smolt, mndl. smout als ‛ausgelassenes Fett’ zu schmelzen. Verb: schmalzen; Adjektiv: schmalzig" (Kluge).
Es zeigt sich aber, dass das Substantiv ausschließlich im Niederländischen und Deutschen belegt zu sein scheint und weiterhin, dass alle im VA-Material erfassten Formen auf eben dieses Substantiv zurückgeführt werden müssen. Es wäre deshalb im Rahmen von VerbaAlpina irreführend, als Basistyp einen rekonstruierten indogermanischen Verbalstamm wie *smelt-a anzuführen.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Schupf (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Die früheste bekannte Nennung dieses Wortes findet sich im Gotischen als skuft in der Bedeutung von 'Haupthaar' (vgl. Kluge 2011, online s.v. Schopf), vgl. deu. Schopf. Später kam es zu einer Bedeutungserweiterung im Sinne von 'zu einem Haufen zusammengetragene Garben, Heu' (vgl. Kluge 2011, online s.v. Schober) bevor eine Bedeutungsübertragung auf das Gebäude stattfand, in dem die Ernte getrocknet und gelagert wird. Das Wort existiert in anderen germanischen Sprachen in ähnlicher Bedeutung, z.B. ang. scoppa (vgl. Köbler 2014b, s.v. scoppa), ang. scypen bzw. eng. (dialektal) shippen 'Stall' sowie eng. shop (vgl. DWB, s.v. Schuppen).
Im Alpenraum scheint nur das Slowenische diesen Worttyp für die Bezeichnung einer Scheune entlehnt zu haben (siehe Karte).
(auct. Markus Kunzmann)
*serāceum (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
seracium (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Dieser Basistyp geht auf eine spätlateinische Ableitung zur Bezeichnung des Zigers von lat. sěrum ‘Molke’ mit -aceus zurück, die in Oberitalien, Savoyen und in der Schweiz zu verorten ist. Erhalten ist der Basistyp vor allem im Frankoprovenzalischen und Okzitanischen. Aus *sēraceum ging frp. seraz hervor, was als sérac ins Französische einging. Die französische Schreibweise bewahrt das -c von *sēraceum einfach nur aus graphischen Gründen. Vom Französischen der Westschweiz wurde Rescherack ‘gesalzener Ziger’ ins Schweizerdeutsche entlehnt (vgl. FEW 11, 495 s.v. *serāceum; vgl. Idiotikon 4, 1642 s.v. Rescherack; vgl. TLFi s.v. sérac).
(auct. Myriam Abenthum)
sidretg (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
*skūm (gem) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
skuta (sla.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
sōlārium (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Sonja Schwedler-Stängl | Aleksander Wiatr)
*sponga (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
srasa (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
STROH, DES MAISES ODER DER MOHRENHIRSE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Suckel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Marina Pantele)
SÜSSMOLKE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
(auct. Stephan Lücke)
(siehe Wikidata Q185009)
tēla (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Tenne (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Marina Pantele)
*titta (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
tomme / toma (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)

scn. tuma, das offensichtlich mit den galloitalischen Kolonisten im Gefolge der normannischen Eroberung gekommen ist, bezeichnete den ungeformten Frischkäse, während scn. formaggiu ausschließlich und ganz im Sinne der Etymologie den geformten Käse bezeichnet, genauer: die in Formgefäßen gepresste Käsemasse unterschiedlicher Reifungsgrade:
"tuma GA ['tuma], GE → etn., AL → etn., CA → etn., IS. → etn., PO → etn. ['tuma],['tumwa] f. prodotto caseoso che si ottiene rompendo la cagliata. 2. formaggio fresco non sottoposto a sterilizzazione nella scotta. 3. formaggio fresco, immerso direttamente nella scotta senza essere pressato nelle fiscelle.
Rotta la cagliata (→ quagghiata) nella → tina, la massa caseosa che precipita sul fondo e che viene raccolta (→ accampari, → arricampari) e sistemata a scolare nel → tavulìeri è ormai detta tuma. La tuma, poi, facoltativamente tagliata a cubetti, viene sistemata in fiscelle (→ ntumari, → ntumalora) perché possa scolare ulteriormente. Tuma è, inoltre, chiamato il formaggio che non viene sottoposta a sterilizzazione nella scotta (cfr. GE) e che generalmente viene consumato subito [...]
Etn[otesto]. GE [a Geraci; TK] a tuma un ci â d'èssiri misa nâ → vasceɖɖa, si ssi parra di tuma.
Trad. «la 'tuma' non va messa [raccolta] nelle fiscelle, se parliamo della 'tuma' ». [...]
Etn. IS [a Isnello, TK] a tuma jeni u prodottu che si ffa ppoi u → formàggiu
Trad. «La 'tuma' è il prodotto [la pasta caseosa] che [con cui] si fa il formaggio». [...]" (Sottile 2002, 168)
(auct. Thomas Krefeld)
Topfen (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Interessant ist die Verbreitung von Topfen aus varietätenlinguistischer Sicht. Als dialektale Form ist sie in Bayern noch bekannt bzw. in Gebrauch, daneben steht aber auch schon die bundesdeutsche Standardvariante Quark, die ebenso als Variante innerhalb des Dialekts genannt wird. Vermutlich ist aus der Präsenz der Variante Quark zu schließen, dass Topfen als basisdialektale Form verdrängt wird. Im Gegensatz zum bundesdeutschen Standard stellt Topfen in Österreich auch die gebräuchliche Standardvariante dar. Dies zeigt sich daran, dass dort Quark faktisch als dialektale Variante nicht existiert, zugleich aber das alemannische Vorarlberg Topfen als quasi bairisches Lehnwort in den Dialekt aufnimmt.
(auct. Markus Kunzmann)
traire (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
*tsigros/tsigronos (gal) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
"Zieger. Sm ‛Quark’ per. wobd. (15. Jh.), mhd. ziger, spahd. ziger. Ein Wort der Alpenmundarten. Herkunft unklar."
Von Hubschmied 1936, 93-95, wurde genauer ein gallisches Etymon *tsigros bzw. *tsigronos 'zweite Erwärmung' vorgeschlagen; die zweite Form ist nötig, um den morpho-lexikalischen Typ des Bündneromanischen mit betontem Suffix (Tschagrun) zu erklären. Die von Kluge genannte Datierung ist mittlerweile überholt, denn das Wort ist bereits in den Consuetudines des Klosters Hirsau vom Ende des 11./Anfang 12. Jahrhunderts mehrfach belegt (vgl. Bulitta 2018, 203). Der Ansatz von Hubschmied wird dadurch nicht geschwächt.
Auch die von Kluge behauptete Beschränkung auf das Westoberdeutsche ("wobd.") muss angesichts der Tiroler Belege auf der VA-Karte revidiert werden.
(auct. Thomas Krefeld)
*ungere (lat) (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
unguere (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
„Anke(n), (durch Butter ersetzt) Sm ‛Butter’ per. wobd. (8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko. Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwōn m. ‛Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. ( weur.) *ongwen- ‛Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ‛Fett, Salbe’, air. imb ‛Butter’ (*ṇgwen-) zur Verbalwurzel ig. *ongw- ‛salben’ in ai. anákti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ‛Salbe, Schmiere’.“ (Kluge, 47)
Hier wird einerseits ein einleuchtender Zusammenhang offengelegt; andererseits wird daraus jedoch ein unwahrscheinlicher wortgeschichtlicher Schluss gezogen: Kluge interpretiert das Wort als isoliertes indogermanisches Relikt, obwohl es doch viel näher läge, diesen südwestdeutschen (alemannischen) Typ aus dem Lateinisch-Romanischen zu erklären. Die erwähnte lateinische Basis mit dem Velar ist zwar im unmittelbar angrenzenden romanischen Kontaktgebiet durch die Variante *ŭngĕre (vgl. REWOnline 9069, s.v. ŭngĕre) verdrängt worden, wie an der Palatalisierung des g in roh. (surselvisch) unscher, eng. uondscher, ita. ungere u.a. (vgl. HWdR, 971) zu erkennen ist. Im heute französischen Gebiet herrschen jedoch Kognaten von lat. ŭnguĕre vor (vgl. FEW 14, 36f. s.v. unguere); darunter sind auch Formen mit eindeutigem semantischen Bezug zur Milchverarbeitung, wie ogner 'donner son lait | Milch geben' (mit Wechsel der Konjugationsklasse) und ogna 'quantité de lait que donne une vache en une fois | Menge Milch, die eine Kuh auf ein Mal gibt'. Aus dem Partizip unctum ist im Übrigen die im romanischsprachigen Teil des VA-Gebietes gut belegte friaulische Bezeichnung der BUTTER ont, lld. onto, vonto (vgl. ron. unt) geworden. Die hiermit vorgeschlagene Entlehnung aus dem Lateinisch-Romanischen ist lautlich möglich und semantisch selbstverständlich, wenn man an die zahlreichen anderen Romanismen in diesem onomasiologischen Bereich denkt. Im Hinblick auf die viel weitere Verbreitung des Typs butyru(m) liegt es weiterhin nahe, in den aus den Verbvarianten ŭnguĕre, *ŭngĕre abgeleiteten Bezeichnungen einen älteren Typ zu sehen, der später durch butyru(m) überlagert wurde.
(auct. Thomas Krefeld)
vannus (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Auch in der Toponomastik der alpinen Region ist dieser Typus präsent: Man denke an die Ortsnamen Van delle Sasse und Van de Zità in den bellunesischen Dolomiten: nach Pellegrini 1990, 206 trägt die Form van die Bedeutung 'Wanne aus Stein' und in der Tat stellen Van delle Sasse und Van de Zità Mulden, Gletscherbecken zwischen hohen Dolomitengipfeln dar.
(auct. Beatrice Colcuc)
vědro (sla) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
vendúl (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Auch in der Toponomastik ist dieser Typus weit verbreitet: Der Ortsname vandulo taucht im Kanton Graubünden sowie auch in der Italienischen Schweiz auf. Im bergamaskischen Gebiet kann man zum Beispiel eine "via vandullo" finden. Im Dizionario Toponomastico Trentino sind Ortsnamen wie bochèt dei vandùi, vandùgola und viele weitere verzeichnet. Schließlich könnte der Ortsname Vandoies (deu. Vintl) im südtiroler Pustertal auch in Beziehung zu diesem Worttyp stehen. Ortsnamen des Typs (la)oi(es) kommen in den Dolomiten in verschiedenen Varianten vor: Oies in Abtei, Lavoi in Colle Santa Lucia, Laoi in Rocca Pietore und bedeutet 'Schlamm' oder 'schlammiger Boden' (vgl. Liotto/Anvidalfarei/Irsara 2014, 183; vgl. Pallabazzer 1972, 49). Der Toponym Vandoies, der sich aus van und Oies zusammensetzt, könnte 'Becken, mit Schlamm bedeckt' oder 'Wasserpfütze' bedeuten.
Jokl geht davon aus, dass der Typ etymologisch von ine. *uendh- 'drehen' stammt (vgl. Jokl 1945/1946, 203); Pult 1947 bevorzugt cel. vind- bzw. vindos 'weiß'. Hubschmid ist von der lateinischen Herkunft überzeugt und sieht lat. vannus 'Getreidewanne' als Etymon (vgl. auch Georges s.v. vannus). Hierzu merkt er an, dass es sich metaphorisch um eine Übertragung "vom Gegenstand auf das Gelände" handelt (vgl. Hubschmid 1950, 74). Hubschmids Vorschlag scheint nicht nur aus lautlichen sondern auch aus semantischen Gründen die plausibelste Lösung zu sein (s. auch den Kommentar zum Basistyp vannus).
(auct. Beatrice Colcuc)
VEREIN, DER SICH DIE FÖRDERUNG UND AUFWERTUNG EINES GEBIETES ZUM ZIEL SETZT - Konzept (Auf Karte visualisieren)
vigilia (lat) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
vossignoria (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
WANDEL, HIN ZU EINEM ÖKOLOGISCH NACHHALTIGEN MODELL - Konzept (Auf Karte visualisieren)
WEIDE, BIEGSAME ZWEIGE, SCHMALE BLÄTTER, KAPSELÄHNLICHE FRÜCHTE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Ziege (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
Eine Überraschung bieten die Crowdscourcing-Daten, die teilweise die dem Bairischen angeglichene Form Ziagn oder Ziang angeben. Hier könnte sich eine Schwäche der indirekten und anonymen Erhebung von Sprachdaten abzeichnen. Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein neuhochdeutscher standardsprachlicher Worttyp genommen wurde – schließlich gibt der Stimulus "ZIEGE" als Begriff vor – und der heutige Monophthong diphthongiert wurde, ganz analog zur Bildung Stiagn bzw. Stiang zu standarddeutsch nhd. Stiege. Dass diese Diphthongierung jedoch keine Basis hat, zeigt, dass im mhd. zige (vgl. Lexer: s.v. zige) durch die neuhochdeutsche Dehnung in offener Tonsilbe eine quantitative Veränderung mitgemacht hat und diese erst später graphematisch ihren Niederschlag als <-ie-> in <Ziege> gefunden hat. Hingegen hatte im Mittelhochdeutschen stiege (vgl. Lexer: s.v. stiege) bereits einen Diphthong in der Stammsilbe, doch dieser wurde im nhd. Standard zum Monophthong, das Bairische selbst hat diesen Wandel jedoch nicht vollzogen, wie z. B. auch im mhd. lieb vs. bair. liab 'lieb'.
(auct. Markus Kunzmann)
ZIEGE - Konzept (Auf Karte visualisieren)
Wikidata
(auct. Markus Kunzmann)
(siehe Wikidata Q2934)
ZIGER - Konzept (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
(siehe Wikidata Q14776091)
zimbar (goh) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
Zimbar steht für Konstruktionen aus Holz, wie aus den verwandten Formen der anderen germanischen Sprachen eindeutig hervor geht; vgl. dazu Kluge 2012 (online o.S.):
"Zimmer, Sn std. (8. Jh.), mhd. zimber, zim(m)er m./n., ahd. zimbar, as. timbar ‛Wohnraum, Wohnung, Holzbau, Bauholz’.
Aus g. *temra- n. ‛Bauholz, Gezimmertes’, auch in anord. timbr, ae. afr. timber; gt. in tim(b)rjan ‛zimmern’ (wie anord. timbra, ae. timbr(i)an, afr. timbria, timmeria, as. timbron, ahd. zimb(a)rōn, mhd. zimbren, zimmern, nhd. zimmern). [...]".
Lat. camera setzt dagegen die Steinbauweise voraus, worauf die althochdeutschen Belege ebenso unmissverständlich hinweisen wie der knappe Artikel in Kluge 2012 (online o.S.):
"Kammer Sf erw. obs. (8. Jh.), mhd. kamer(e), ahd. chamara, as. kamara Früh entlehnt aus l. camera ‛gewölbte Decke’, dann ‛Zimmer mit gewölbter Decke, Wölbung’, das seinerseits aus gr. kamára ‛Gewölbe, gewölbte Kammer’ entlehnt ist. [...] Ebenso nndl. kamer, ne. chamber, nfrz. chambre, nschw. kammare, nnorw. kammer".
Die griechische Lexikographie bestätigt diese Darstellung (vgl. LSJ, s.v. κᾰμάρ-α, Ion. κᾰμάρ-η [μᾰ], ἡ). Die massive Durchsetzung der Steinbauweise hat sich bekanntlich in zahlreichen lateinisch-romanischen Entlehnungen im Deutschen niedergeschlagen (Beispiele). Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass sich im Material von VerbaAlpina kein Hinweis auf eine Entlehnung im umgekehrter Richtung, also von zimbar ins Romanische findet. Allerdings wurde die Holzbauweise keineswegs vollständig verdrängt; die Entlehnung des Typs zimbar ins Slowenische zeigt, dass sie sich speziell in Gegenden wie den Alpen, wo beide Materialien je nach Höhenstufe leicht verfügbar sind, offensichtlich gut etablieren und parallel zum Steinbau verbreiten konnte (vgl. die Karte); ganz analog präsentiert sich übrigens der onomasiologisch naheliegende, ebenfalls aus dem Germanischen stammende Basistyp thilla, deu. Diele, der ebenfalls ins Slowenische, aber nicht ins Romanische entlehnt wurde (vgl. Karte). So ergibt sich die folgende stratigraphische Skizze:
STRATO romanzo | STRATO gem. (ted.) | STRATO slavo (slov.) | ||
camera | Kammer | Diele , Zimmer→ → | →→ dilje, cimr | kamra |
↑ | SOSTRATO ↑ | SOSTRATO ↑ | ||
latino-romanzo camera |
(auct. Thomas Krefeld)
žlěbъ (sla) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)