Lexicon alpinum

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DESF verweist auf das vorrömische Substrat mit dem Hinweis auf das Gallo-Lateinische (vgl. DESF 2, 519)

ALM - Konzept (Auf Karte visualisieren)

Der Begriff ALM oder auch ALP (Schweizer Standarddeutsch) umfasst die über dem Talboden gelegene Hochweidestufe, "die wegen ihrer räumlichen Entfernung von den Heimgütern und der durch die Höhenlage bedingten klimatischen Verhältnisse nur während der Sommermonate zu einer weidewirtschaftlichen Nutzung geeignet" (Eibl/Kremer 2009, 37) ist, sowie die zugehörigen, mehr oder weniger einfachen Gebäude für das Almpersonal und/oder Almvieh (Jungvieh, Milchvieh; vor allem Kühe, Schafe, Ziegen, auch Pferde). Neben der Weidewirtschaft steht die Milchverarbeitung im Mittelpunkt des ALMWESENS genutzt; privatrechtliche und genossenschaftliche Betriebsformen sind zu unterscheiden (vgl. die klassische Darstellung von Weiss 1992 sowie Baer 2000 und neuerdings Eibl/Kremer 2009, 7-17 sowie Bätzing 1997, 18-23, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8569.php). (Thomas Krefeld)

anko - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Das Wort gehört zu ahd. ancho 'Butter'; es geht auf einen indogermanischen Stamm zurück, zu dem auch lat. ungĕre 'schmieren' und ŭnctum 'Fett' gehören; vgl. Idiotikon I, 341; vgl. auch den Basistyp ŭnctu(m).

(Thomas Krefeld)

baita - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Die Etymologie ist unklar; es werden Herleitungen aus der isolierten Sicht einzelner Sprachfamilien vorgeschlagen, die dem großen Verbreitungsgebiet im Deutschen, im Romanischen und im Slowenischen nicht gerecht werden.
Ohne auf das alem. Beiz, bair. Boazn, Beisl 'Kneipe' bzw. das Slow. bajta 'schlechtes Haus' einzugehen, schlägt DELI rom. baita, bait wahta vor. Damit können die genannten germanischen Formen mit ts, s nicht erklärt werden. Kluge 2011, 106 leitet die alem. und bair. Formen aus jiddisch bajis 'Haus' bajit 'Haus' ab, was nicht zum rom. t passt (vgl. EWD I, 203). Direkte Vermittlung aus dem Hebräischen (ohne jidd. Vermittlung also) ist angesichts des großen Areals und des Bezugs zum bergbäuerlichen Alltag historisch wenig plausibel.

(auct. Thomas Krefeld)

*barica (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Vgl. DRG 2, 179-189 und 192-197 zum Derivat bargun, margun.

*brenta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

vgl. HDR 1, 121.

BUTTER - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Der dominierende Basistyp (vgl. lat. butyru(m); eine antike Entlehnung aus dem Griechischen) bezeichnet bereits im Lateinischen das Konzept BUTTER.
Die anderen Basistypen sind onomasiologisch interessant, da sie ganz unterschiedlich motiviert sind:
- über die fette und cremige Konsistenz, (vgl. den Basistyp lat. pĭngue(m) 'Fett', lat. ŭnctu(m) 'Fett', ahd. ancho 'Fett' );
- über das Stampfen als Herstellungsverfahren (vgl. Basistyp lat. *pisiare 'zerstossen');
- über das Auslassen als elementare Technik der Konservierung (vgl. Basistyp deu. Schmalz vom Verb schmelzen).


(auct. Thomas Krefeld)

butyru(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Das lat. Etymon des Basistyps ist unproblematisch; es handelt sich um eine Entlehnung aus dem Griechischen, der ein Kompositum aus tyrós 'Käse' und bóus 'Kuh' zu Grunde liegt. Allerdings sind zwei Akzentvarianten zu unterscheiden:
  • paroxytones lat. butӯru(m), auf das der ita. Typ butirro zurückgeht (vgl. DELI 179);
  • lat. bútyru(m) mit griechischem Initialakzent; daraus hat sich franz. altfra. bure bzw. neufra. beurre entwickelt. Dieser Typ wurde ins Italienische entlehnt und ergab auch standardita. burro (vgl. DELI 178).
Weniger eindeutig ist die Entlehnungeschichte aus dem Rom. ins Germ. Zu beachten ist Varianz des Genus von deu Butter: im Alemannischen und Bairischen dominiert der maskuline Typ; aber der SDS belegt auch das Femininum und sogar ein Neutrum. Kluge 166 sieht den maskulinen Typ als sekundäre Entwicklung in Analogie zum ebenfalls maskulinen alemannischen Synonym Anke(n); primär sei dagegen die feminine Variante, die aus der Umdeutung des lat. Neutrum Pl. auf -a als feminines Singular erklärt wird. Dazu passt spätalthochdeutsch butira. Im Licht der interlingualen Sprachgeographie kann diese Deutung nicht überzeugen, denn der maskuline Typ bildet im bairischen Sprachraum Tirols ein gemeinsames Areal mit dem sich südlich anschließenden und ebenfalls maskulinen rom. Typ but'ir. Es ist daher viel naheliegender, in dieser Form die primäre adstratale Entlehnung zu sehen und den femininen Typ die Butter als sekundäre Variation. Die Entlehnung scheint wegen des unverschobenen Dentals -t- nicht sehr früh (nicht vor dem 8. Jh. n.Chr.), sondern erst nach Abschluss der 2. Lautverschiebung erfolgt zu sein.

(auct. Thomas Krefeld)

*cala (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Dieser Basistyp "ist als ortsname und Appellativum über ein weites gebiet in den westl.mittelmeersprachen verbreitet" (FEW II, 51). Es ist wohl vorindogerm. und scheint ursprünglich eine Geländebezeichnung mit der Bedeutung 'geschützte Stelle' gewesen zu sein. So erklärt sich cala 'Bucht' im Italienischen (z.B. Sizilianisch) und im Iberoromanischen (vgl. FEW ebd.). Im Untersuchungsgebiet von VA liegt die Basis auch dem Namen der Val Calanca, einem Seitental des Misox/Misocco, zu Grunde.

Thomas Krefeld

capănna(m) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Dieser Basistyp wir nur durch einen morpho-lexikalischen Typ repräsentiert:
(1) rom:
  • Sub, Fem, kein Affix; vgl. ital. capanna; fra cabane; roh chamona.

Wortgeschichtlicher Kommentar:
Lat. capanna ist laut FEW II, 246 nur ein einziges Mal (bei Isidor) belegt; "sein ursprung ist dunkel" (FEW II, 246). Die Formen mit -m- bilden eine alpine Variante; vgl. DRG 3, 336-339. Zur Semantik der bündnerrom. Formen heisst es: "In der Bed. 'Hütte, einfaches, armeliges Haus' nimmt das heute lit. gefärbte camona eine Mittelstellung ein zwischen fam. --> baita DRG (2,76) 'Baracke, verfallenes Haus, schlechte Hütte' und --> teja 'Hütte, Senn-, Alphütte'. Vgl. auch --> fögler" (239).

Thomas Krefeld

caseāria - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Die Herleitung diese Typs aus lateinisch casearia[m], einer adjektivischen Derivation von caseus, caseum ist unproblematisch; DELI 213 weist auf einen mittellat. Beleg casiera aus Bergamo aus dem Jahre 1145 hin.
- Zum alem. chäsere[n] vgl.
https://digital.idiotikon.ch/idtkn/id3.htm#!page/30513/mode/1up

- Thomas Krefeld

caseolus - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Vgl. DRG 3, 444-450.

cāseus - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

vgl. FEW 2, 456 ff.

cellārium - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Auf das lat. cellārium geht auch das standarddeu. Keller zurück; man beachte, jedoch, dass die im romanischen und germanischen Alpengebiet dominierende Bedeutung 'Milchraum, Raum/Häuschen zum Lagern von Milch und Käse' oder auch 'Hütte zur Verarbeitung von Milch' eher funktional und weniger architektonisch definiert ist. Sie entspricht daher viel eher der klassischlat. Bedeutung von cellārium, nämlich 'Speisekammer, Vorratskammer' als der Bedeutung 'Untergeschoss' des standarddeu. Keller.

(auct.: Thomas Krefeld)

cohortem - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Die Grundbedeutung von lat. cohors ist gemäß Georges 1252 f. "ein rings eingezäunter Ort, der Hofraum, das Gehege, bes. fürs Vieh, der Viehhof". Durch metonymische Übertragung ergab sich die Bedeutung 'Menge, Schar, Gefolge'.

KÄSE - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Unter diesem Konzept werden ausschließlich die Milchprodukte zusammengefasst, die aus den Feststoffen bestehen, die sich bei der ersten Scheidung der Milch (auf Grund der Gerinnung) ergeben. Aus der ebenfalls entstehen Flüssigkeit (MOLKE) können durch ein zweite Gerinnung wiederum Feststoffe gewonnen werden, die ein käseähnliches Milchprodukt ergeben, das ital. als ricotta, alem. als Ziger und im Deutschen manchmal ein wenig irreführend als 'Molkenkäse' bezeichnet wird: Im Unterschied zum eigentlichen Käse enthält der ZIGER jedoch kein Kasein, sondern ein anderes Eiweiß (Albumin).
Im HLS wird darauf hingewiesen, dass die Labkäserei womöglich nicht überall in antiker Kontinuität steht: "Aus sprachwissenschaftl. Sicht (K. von lat. caseus) ist denkbar, dass die Römer die Kunst des Verkäsens von fetter Milch mit Lab zu einem haltbaren, gesalzenen Fettkäse gekannt und über die Alpen in die kelt. Gebiete gebracht haben. K. war bereits in der Antike ein alpines Exportprodukt Rätiens. Mit dem Rückzug der rom. Kultur verschwand im HochMA die Herstellung von Labkäse im alemann. Gebiet, doch blieben die Produktionskenntnisse in den rom. Gebieten wahrscheinlich erhalten. Quellen des 13. bis 14. Jh. aus dem Unterwallis und Greyerzerland weisen auf Fettkäseproduktion hin. Die archäolog. Untersuchung ma., alpiner Temporärsiedlungen (bisher v.a. Innerschweiz) brachte Einrichtungen zum Bereiten und Lagern des K.s zutage, so Unterlagen zum Käsepressen, nach Art der Trulli errichtete Milch- und Käsespeicher, Felsklüfte, die als Lagerräume gedient haben mochten. Auf Bergeten im glarner. Braunwald wurde ein Felskeller mit Wasserkühlung entdeckt. Unbekannt bleibt die Art des hier produzierten K.s." (Dominik Sauerländer/Anne-Marie Dubler). Dazu ist allerdings festzuhalten, dass es eine deutliche breitere und auch anders gelagerte sprachwissenschaftliche Evidenz für eventuelle Kontinuität gibt. Vor allem scheint es, als hätten die Römer ihrerseits bereist von vorrömischer Alpenbevölkerung spezielle Techniken der Milchverarbeitung übernommen. Offenkundig vorlateinisch sind die Bezeichnungen Senn, Ziger, Brente, Tomme. Eine andere Schicht ist lateinisch (Schotten, Gebse, Käse; vgl. Hubschmid 1951).

(auct. Thomas Krefeld)

LAB - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

In der Labkäserei wird zur Herstellung von Käse Lab (lactic acid bacteria) eingesetzt, welches die Laktose fermentiert (vgl. https://www.uoguelph.ca/foodscience/book-page/inoculation-and-milk-ripening). Lab ist ein Enzym, welches das Kasein aus der Milch ausfällt. In der traditionellen Käserei wird es aus dem Labmangen von Kälbern extrahiert wird. Heutzutage kommen aber auch pflanzliche, mikrobielle oder biotechnologisch hergestellte Austauschstoffe zum Einsatz. Die Reaktion von Lab ist temperaturabhängig und ist für die Koagulation (Gerinnung) der Milch verantwortlich (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Lab). In der Labkäserei wird als Ausgangsstoff süße Milch verwendet. Zunächst wird die Milch erwärmt und dann wird ihr Lab zugefügt. Die Zugabe von Lab bewirkt, dass das in der Milch enthaltene Protein Kasein zum Gerinnen gebracht wird. Die dadurch entstandene Gallerte wird dann nach der Ausfällung und kompletten Entwässerung in der weiteren Verarbeitung zerkleinert. Der Masse wird dann noch eventuell Salz beigefügt, bevor sie zum Festwerden in eine Käseform gegeben wird. Danach wird die festgewordenen Masse getrocknet und anschließend setzt die Reifung ein (vgl. König 1893: 326 – 327; vgl. Rehm 1967: 93).

(auct. Myriam Abenthum)

pinguĕ(m) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Vgl. REW 6513; die Bedeutungsspezialisierung von lat. pĭnguis 'fett' zu engad. 'Butter' ist in Gegenden, wo traditionell kein Öl produziert wurde, besser: werden konnte, onomasiologisch naheliegend: BUTTER gilt hier als das FETT schlechthin.

(Thomas Krefeld)

*pinguia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Das Konzept BUTTERFASS, speziell das so genannte STOSSBUTTERFASS wird mit zahlreichen Geosynonymen bezeichnet.




Manche Bezeichnungen weisen im Stamm eine so auffällige lautliche Ähnlichkeit auf, dass man ihre Zusammengehörigkeit kaum in Frage stellen kann:
  • (1) rom. pigna, mit den Tonvokalvarianten [ɪ, e, ɛ, a] u.a.;
  • (2) slaw. pinja, ein offenkundiger Romanismus, da sich sein Verbreitungsgebiet an dasjenige von (1) anschließt;
  • (3) rom. pinacc, eine suffigierte Form von (1);
  • (4) rom. panaglia (mit Varianten des hier unbetonten, initialen Stammvokals, die den unter (1) genannten entsprechen); bei diesem Typ dominieren die Varianten mit dem unbetonten Stammvokal [a]
  • (5) der auch im Standardita. bekannte Typ pignatta 'Topf'  mitsamt seiner dialektal häufigen mask. Variante (vgl. AIS 973) ist ebenfalls zu (1) zu stellen; er ist zwar im VA-Gebiet eher in der Bedeutung 'Topf aus Terracotta' belegt (vgl. AIS 955), bezeichnet jedoch außerhalb des VA-Gebiets, nämlich in der Emilia-Romagna ausdrücklich einen Topf, in dem durch Schlagen (mit einem Holzlöffel u.a.) kleinere Mengen von Butter hergestellt werden (vgl. AIS 1206, Punkte 427, 453, 455).
Morphologisch und semantisch liegt es somit nahe, an eine Gefäßbezeichnung pigna als Basistyp zu denken. Für einen solchen Grundtyp, als Bezeichnung des allgemeinen Konzept BUTTERFASS, d.h. GEFÄSS ZUM BUTTERN spricht auch der Bezeichnungstyp:
  • latte di pigna BUTTERMILCH, d.h. wörtlich 'Milch aus dem Butterfass' (im Trentino).
Sachkundlich von Interesse ist, dass das archaisch erscheinende STOSSBUTTERFASS gemessen an seinen Bezeichnungen eben nicht die älteste Technik darstellt, wie seine spezifizierten bündnerromanischen Bezeichnungen panaglia lunga, wörtlich 'langes Butterfass', und panaglia dret sü, wörtlich 'aufrechtes Butterfass' (Unterengadin), zeigen (vgl. AIS 1206).

Allerdings kann die für ita. pignatta vorgeschlagene Rückführung auf ita. pigna 'Pinienzapfen' (pīnea[m]) – "prob. [...] per la somiglianza di forma delle più antiche pignatte con una pigna" (link) – semantisch nicht überzeugen; zwar mag die konische Form mancher Terracotta- und auch Bronzetöpfe durchaus an Pinienzapfen erinnern (vgl. DELI#). Aber ein für die Wortgeschichte entscheidender sachgeschichtlicher Hinweis lässt sich der bereits genannten AIS-Karte 955 LA PENTOLA (PIGNATTA) DI TERRACOTTA entnehmen: Sie enthält nämlich auch eine Liste mit Bezeichnungen des BRONZETOPFS (AIS 955_2), die insbesondere im alpinen Raum teilweise sekundär darauf übertragen wurden, da sie auf ein ganz anderes Material zu Herstellung von Kochtöpfen zurückgehen, nämlich auf den so genannten Speckstein, ita. laveggio, dt. auch Lavetz(stein) (vgl. AIS 963 Komm. LA MARMITTA, AIS 970 IL VASO PER LO STRUTTO) . Dieses vielseitig und wegen seiner geringen Härte vergleichsweise leicht nutzbare Material, das vor allem in den Tessiner und lombardischen Bergen abgebaut wurde, diente auch zur Fertigung von anderen Gegenständen, wie zum Beispiel von Öfen, die auf bündnerromanisch ebenfalls als pegna, engad. pigna bezeichnet werden (HWbR, 571; LRC, 798; zu pigna, pegna 'Ofen aus Speckstein' vgl. AIS 937, Kommentar); diese Öfen sind übrigens "annähernd kubisch" (AIS 937, Kommentar) und haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Pinienzapfen.

Hier handelt es sich demnach um einen klaren Fall von metonymischer Polysemie (und nicht von Homonymie); pigna 'Ofen' und pigna 'Gefäss zum Butterschlagen' werden nach dem Material benannt, aus dem beide Dinge hergestellt wurden – dem Specksein. Es ist jedoch nicht unbedingt nötig, ein vorrömisches Etymon anzunehmen, wie Alexi Decurtins im LRC, 798#) für bündnerromanisch pegna | pigna 'Ofen' vorschlägt, sondern formal käme als Etymologie durchaus das von G. B. Pellegrini vorgeschlagene *pinguia (zu lat. pĭnguis 'fett') in Frage – allerdings nicht elliptisch aus pinguia(m) (ollam) im Sinne eines 'Gefäßes (= lat. olla) für Fett' ("Recipiente particolare per conservare il grasso, fosse esso strutto, sugna, o burro cotto, oppure un arnese elementare per fare il burro" ([1976, p. 171 zit. DELI 928]), sondern im Sinne eines hinsichtlich seines Aussehens und seiner Konsistenz fettähnlichlichen Minerals bzw. Gesteins (vgl. analog motiviertes deu. Speckstein). Als Basistyp für (1)-(5) wird daher lat. *pinguia (petra) 'Speckstein' vorgeschlagen.

Die vielen Formen mit Stammvokal [ ɐ, a] zeigen eine starke und onomasiologisch naheliegende Beeinflussung durch das etymologisch zu trennende panna 'Rahm'. Nicht zu diesem Typ gehört dagegen

(6) lombardisch pench, bündnerrom. paintg 'Butter', 
die besser direkt auf pĭnguis 'fett' zurückgeführt wird (HR. Bei

(7) bündnerrom. penn 'Buttermilch'

könnte es sich immerhin um eine Rückbildung auf Basis von pigna 'Butterfass' handeln. Die Buttermilch wird ja daraus abgelassen.

Das folgende Schema zeigt die Wortfamilie (grüne Pfeile) sowie die belegten Bedeutungen (rote Pfeile).

VA_pigna
Im Hinblick auf die metonymische Motivation der Polysemie lässt sich also die Übertragung der Bezeichnungen vom natürlichen Rohstoff auf daraus hergestellte Artefakte zunehmender Komplexität (einfaches Gefäß -> mechanisches Gerät) und schließlich auf die damit verbundene Funktion feststellen.
(auct. Thomas Krefeld)

*pinia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Dieser Basistyp ist vorläufig. Es handelt sich hierbei um einen fiktiven Typus. Er hält die morpho-lexikalischen Typen pigna (rom. f.), pinja (sla. f.) zusammen. Lautgeschichtlich lassen sich die genannten morp.-lexikalischen Typen dem Etymon PINGUEM nicht zuschreiben.

(auct: Aleksander Wiatr)

SENN - Konzept (Auf Karte visualisieren)

ŬNCTU(M) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Zu Grunde liegt lat. ŭnctum 'Fett', eine Ableitung vom Verb lat. ŭngere 'schmieren'. Zu dieser Basis, vgl. REW, 2075 gehört auch rum. unt 'Butter'. Der Basistyp ancho dürfte urverwandt sein; alpine Entlehnung scheint die beiden Typen jedoch nicht zu verbinden.

ZIGER - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Dieses Konzept meint das käseähnliche Milchprodukt, das durch eine zweite Gerinnung aus der bei der ersten Gerinnung entstehenden Flüssigkeit (MOLKE) gewonnen wird. Die ital. Bezeichnung dafür ist ricotta, alem. Ziger. Im Deutschen wird es manchmal ein wenig irrefühend als 'Molkenkäse' bezeichnet: Im Unterschied zum eigentlichen Käse enthält der ZIGER jedoch kein Kasein, sondern ein anderes Eiweiß (Albumin).
(auct. Thomas Krefeld)