Methodologie
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Alpenwörter
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Der Ausdruck VerbaAlpina schließt ganz bewusst an diese Kategorie an, die sich als sehr hilfreich für eine Untersuchung der Mehrsprachigkeit erweist. Denn sie erlaubt es, diejenigen lexikalischen Einheiten zu identifizieren, die den alpinen Kulturraum sprachlich charakterisieren und die unterschiedliche Entlehnungsprozesse voraussetzen, ohne dabei jedoch einzelne Sprachen besonders zu fokussieren. Um das Konzept der verba alpina (oder: Alpenwörter) jedoch zu operationalisieren, muss es im Rahmen des Projekts präzisiert werden: Als 'alpin' werden einerseits diejenigen lexikalischen Typen bezeichnet, die eindeutige Entsprechungen in mehr als einer der drei traditionellen Sprachfamilien des Alpenraums haben und andererseits diejenigen, die zwar nur im Romanischen belegt sind, aber die sich nicht auf das Lateinische, sondern auf regionale, vorlateinische Substrate zurückführen lassen. Es ergeben sich nun sieben hybride Gruppen:
Mögliche Entsprechungen eines Alpenworts | ||||
Vorlateinisch | Romanisch | Germanisch | Slavisch | |
x | x | x | x | ‘alpin’ im engeren Sinn |
x | x | x | ‘alpin’ im weiteren Sinn | |
x | x | x | ||
x | x | |||
x | x | |||
x | x | |||
x | x |
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Analoge Sprachgeographie
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Dergleichen Inkonsistenzen müssen bei der digitalen Datenaufnahme unbedingt beseitigt werden; oberstes Gebot ist hier die scharfe Trennung der genannten inhaltlichen Dimension, sozusagen die systematische Dekonstruktion der gebotenen Information.

Im Zuge einer solchen Dekonstruktion ergibt die oben als Beispiel genannte Karte folgende Datensätze:
AIS 1192a, Stimulus LA CASCINA DI MONTAGNA; SENNHÜTTE
weitere Stimuli (= onomasiologisch eindeutige KONZEPTE): 8 (MILCHKELLER, KÄSEKELLER, LA CANTINA DA LATTE, MAIENSÄSSE, ALMSTALL, SCHLAFRAUM IN DER SENNHÜTTE, ANDERE ÖKONOMIEGEBÄUDE, DIE ALP WECHSELN)
mögliche untergeordnete KONZEPTE: 120
sprachliche Einzelbelege: 1032
Erhebungsorte: 134
Im Anschluss können dann alle Informationen in konsistenten Kategorien und quasi beliebiger Kombination aus der Datenbank abgerufen und visualisiert werden.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Belegorte
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Die Namen kleinerer Weiler haben jedoch oft keine Lokalzusätze. Hier wird die Gemeinde, der der Belegort angehört, in Klammern dahinter gesetzt, z.B. St. Magdalena (Gries), St. Magdalena (Villnöss).
(auct. Mona Neumeier)
Tags: Linguistik
Betacode
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Die folgende Graphik illustriert das Verfahren anhand eines Beispiels aus dem Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz (AIS):

Bei der Übertragung der im Sprachatlas verwendeten phonetischen Transkription nach Böhmer-Ascoli in aus ASCII-Zeichen bestehende Sequenzen wird zunächst ganz einfach zwischen Basiszeichen und Diakritika unterschieden. Sofern ein Basiszeichen im ASCII-Code vorhanden ist, wird es bei der Übertragung durch sich selbst repräsentiert (was im gegebenen Beispiel durchweg der Fall ist). Unmittelbar hinter das Basiszeichen werden sodann nacheinander alle mit ihm verbundenen Diakritika geschrieben, wobei jedes Diakritikum durch ein spezielles ASCII-Zeichen ersetzt wird. Die Zuordnung der Diakritika zu ASCII-Zeichen ist innerhalb von VerbaAlpina eindeutig und in speziellen Tabellen der VerbaAlpina-Datenbank dokumentiert. Die Wahl der Zuordnung ist, soweit möglich, geleitet vom Prinzip der optischen Ähnlichkeit. So wird im genannten Beispiel der Punkt unterhalb des e im Wort tega durch ein Fragezeichen wiedergegeben: te? . Die Diakritika werden ausgehend von ihrer Anordnung am Basiszeichen in der Reihenfolge unten nach oben und links nach rechts hinter das Basiszeichen geschrieben. Aufgrund des Prinzips der optischen Ähnlichkeit erfolgt die Zuordnung von Diakritika zu ASCII-Zeichen unabhängig von ihrer quellenspezifischen Semantik, in anderen Worten: Auch wenn ein Häkchen unterhalb eines Basiszeichens in der einen Quelle eine vollkommen andere phonetische Bedeutung besitzt als in einer anderen Quelle, so wird dennoch in beiden Fällen das Häkchen durch eine nachgestellte Klammer wiedergegeben. Die semantischen Unterschiede werden in den quellenspezifischen Transkriptionstabellen dokumentiert: Sie regeln die Konversion des Betacodes in die Outputtranskription gemäß IPA (ein und dieselbe Beta-Kodierung kann also je nach Quelle zu ganz unterschiedlichen IPA-Kodierungen führen).
Das beschriebene Verfahren besitzt eine Reihe von Vorteilen:
- Die Datenerfassung kann in vergleichsweise hohem Tempo auf herkömmlichen Standardtastaturen erfolgen und ist vollständig betriebsystemunabhängig,
- die Transkriptoren benötigen keine Kenntnisse der phonetischen Transkriptionssysteme,
- es lassen sich beliebige Zeichen bzw. Diakritika erfassen, unabhängig davon, ob diese in Unicode kodiert sind oder nicht, und
- die elektronische Datenerfassung erfolgt ohne Informationsverlust.
Durch Ersetzungsroutinen kann der Betacode in nahezu beliebige andere Transkriptionssysteme überführt werden. Im Zuge solcher Konvertierungen kommt es unter Umständen zu Informationsverlusten, die jedoch im Wesen der Transkriptionssysteme begründet sind. So unterscheidet die phonetische Transkription nach Böhmer-Ascoli verschiedene Öffnungsgrade in einer Granularität, die im IPA-System nicht vorgesehen ist.

(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
Tags: Linguistik Informationstechnologie
Bezeichnung
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(auct. Stephan Lücke)
Tags: Linguistik
Codepage
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Nachfolgend ein Auszug aus der für die Konvertierung des AIS-Transkriptionssystems in IPA grundlegenden Codepage. Insgesamt umfasst diese Codepage rund 4500 Zeilen/Zuordnungen:

Die Kolumne `BETA` enthält die im AIS verwendeten Zeichen in nach dem Prinzip des Betacodes transkribierter Form, die Kolumne `IPA` das jeweils entsprechende IPA-Zeichen und die Kolumne `HEX` den oder die Zahlenwerte der Unicodetabelle, die dem jeweiligen IPA-Zeichen entsprechen.
Eine vollständige Übersicht über die Codepages für alle Quellen von VerbaAlpina findet sich hier.
(auct. Stephan Lücke)
Tags: Linguistik Informationstechnologie
Digitalisierung
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Dabei kommt quasi ausschließlich das relationale Datenmodell zum Einsatz, bei dem das Datenmaterial grundsätzlich in Tabellengestalt organisiert wird. Die Tabellen bestehen aus Zeilen (= Datensätze, Tupel) und Spalten (= Attribute, Felder, Eigenschaften), wobei jede Tabelle in jede Richtung um zusätzliche Zeilen und Spalten erweitert werden kann. Zwischen den Tabellen bestehen logische Zusammenhänge, die sinnvolle Verknüpfungen und entsprechende synoptische Darstellungen (sog. "Joins") von zwei und mehr Tabellen erlauben. Für die Verwaltung der Tabellen setzt VerbaAlpina derzeit das Datenbankmanagementsystem MySQL ein, die Tabellen sind jedoch nicht an dieses System gebunden, sondern können jederzeit z.B. in Textgestalt mit eindeutig zu definierenden Trennzeichen für Feld- und Datensatzgrenzen (sog. Separatoren) zusammen mit den Spaltennamen und der Dokumentation der logischen Zusammenhänge (Entity-Relationship-Modell) exportiert werden. Die derzeit vielfach verwendete XML-Struktur wird im operativen Bereich von VerbaAlpina nicht eingesetzt. Im Rahmen des Schnittstellenkonzepts ist XML jedoch als Exportformat verankert.
Neben der logischen Strukturierung der Daten spielt im Zusammenhang mit dem Stichwort "Digitalisierung" die Kodierung der Schriftzeichen die zweite zentrale Rolle. Gerade im Hinblick auf die Langzeitarchivierung des Datenmaterials ist der richtige Umgang mit dieser Thematik von großer Bedeutung. Soweit möglich, orientiert VerbaAlpina sich dabei an der Kodierungstabelle und den Vorgaben des Unicode-Konsortiums. Im Fall der Digitalisierung von Schriftzeichen, die bislang noch nicht in die Unicodetabelle aufgenommen sind, erfolgt die digitale Datenerfassung eines Einzelzeichens vorzugsweise durch Serialisierung in Gestalt einer Abfolge von Zeichen aus dem Unicode-Bereich x21 bis x7E (innerhalb des ASCII-Bereichs). Die entsprechenden Zuordnungen werden in speziellen Tabellen dokumentiert, wodurch eine spätere Konvertierung in dann möglicherweise vorhandene Unicodewerte stets möglich ist.
(auct. Stephan Lücke)
Tags: Linguistik Informationstechnologie
Ethnolinguistik
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In der romanistischen, aber vor allem italianistischen Forschungstradition war die Dialektologie von Beginn an, d.h. in Italien mindestens seit Giuseppe Pitré, immer sehr eng mit den Sozialwissenschaften, genauer gesagt mit der Soziologie und der Ethnologie verbunden. In dieser Perspektive lässt sich die gesamte Geolinguistik sogar als Teildisziplin einer übergeordneten 'Ethnowissenschaft' verstehen. Dieser Ausdruck, der hier als Übersetzung von ita. etnoscienza (aus eng. ethnoscience) gesetzt wird, hat allerdings weder in Italien, noch in Deutschland etablieren können. In dem sehr scharfsinnigen und informativen Manuale di etnoscienza von Giorgio Raimondo Cardona (Cardona 1995) heißt es:
Il termine con etno- copre però due cose distinte, nella letteratura: etnobotanica può significare:
a) una vera botanica scientifica, ma ritagliata sull'habitat, uso ecc. di una specifica etnia;
b) la scienza botanica posseduta da una specifica etnia.
Nel primo caso, il ricercatore è soprattutto un naturalista, che compie il suo lavoro consueto, anche se con una particolare attenzione alle denominazioni locali ecc.; nel secondo il ricercatore è piuttosto un antropologo conoscitivo, che studia come venga categorizzato il mondo naturale da una data etnia; dei dati naturalistici egli si servirà soprattutto per ancorare le classificazioni così individuate a referenti reperibili e riconoscibili anche per chi è esterno alla cultura studiata. [...]
Gran parte dell'analisi etnoscientifica si basa sull'analisi di enunciati della lingua del gruppo [...] " (Cardona 1995, 15 f.; Hervorhebung durch fette Schrift: TK)
Die so skizzierte etnoscienza wird in der US-amerikanischen Tradition auch als cultural anthropology (deu. Kulturanthropologie) bezeichnet. Speziell im deutschsprachigen Raum wurde darüber hinaus zwischen Volkskunde für die Erforschung einheimischer Kultur(en) und Völkerkunde für die Erforschung fremder, insbesondere nichteuropäischer Kulturen unterschieden. In der Gegenwart wird stattdessen meist allgemein von Ethnologie mit dem besonderen Teilgebiet der Europäischen Ethnologie (im Sinne der Volkskunde) gesprochen. Die Bezeichnung Ethnolinguistik (vgl. Krefeld 2021) ist daher auch nicht eindeutig, da sie oft auf die sprachwissenschaftliche Untersuchung nichteuropäischer Kulturen eingeschränkt wird (vgl. Senft 2003), obwohl sie die europäischen nicht ausschließen sollte; die kategorische Trennung erweist sich im Hinblick auf die massenhaften und weiträumigen Migrationsströme ohnehin in rapide zunehmendem Maße als sinnlos.
Eine Unschärfe im zitierten Passus von Cardona bleibt zu klären; sie betrifft das 'Präfixoid' ethno-, das einerseits als Synonym des en. folk und andererseits mit Bezug auf etnia verwendet wird. Mit folk (in folk-taxonomy usw.) wird auf die alltags- oder lebensweltlichen Wissensbestände und Konventionen der Laien bzw. Nicht-Wissenschaftler verwiesen und genau in diesem Sinne sollte auch Ethnie (bzw. ethno-) auf alltagsweltliche Kulturgemeinschaften bezogen werden, ohne jedoch idealisierte Vorstellungen von Homogenität, Archaizität, sozialer Abgeschlossenheit usw. zu implizieren. Die Unterscheidung Cardonas (a vs. b) verweist weiterhin auf zwei komplementäre Forschungsperspektiven in den Kultur- und Sozialwissenschaften.
Zusammenfassend darf man dialektologische Forschungen im Sinn von Cardona (auch im Nachhinein) als 'ethnolinguistisch' bezeichnen, wenn sie ihre sprachlichen Daten im engen Zusammenhang mit der Alltagskultur der Sprecher erheben und analysieren.
In der romanistischen Tradition wurde diese Ausrichtung durch den prototypischen Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz (AIS) etabliert; sie markiert zweifellos den größten Unterschied und Fortschritt zum ALF, wie Karl Jaberg nicht ohne Emphase festhält. Der im Hinblick auf das Selbstverständnis des AIS und die Wissenschaftsgeschichte aufschlussreiche Passus verdient durchaus herausgehoben zu werden:
Jaberg weist explizit und vollkommen zu Recht darauf hin, dass der Saussuresche Strukturalismus gerade in diesem Punkt junggrammatische Vorstellungen beibehält; aus der Sicht der zeitgenössischen Geolinguistik wird der Versuch, die Sprache als isolierbares 'Modul' zu betrachten, also keineswegs als ein neues Paradigma, sondern geradezu als traditionalistisch wahrgenommen:
Richtungweisend für die ethnolinguistisch orientierte Tradition der italienischen Dialektologie ist die in teilnehmender Beobachtung entstandene Untersuchung von Hugo Plomteux 1980 über die Cultura contadina in Liguria. Ethnolinguistisch sehr gut, im regionalen Vergleich vielleicht am besten erschlossen ist Sizilien. Zu nennen sind vor allem: Fanciullo 1983 und mehrere wichtige Arbeiten, die im Rahmen des Atlante linguistico della Sicilia entstanden sind (vgl. ausführlich Sottile 2019); die folgenden Titel geben Auskunft über die jeweils untersuchten kulturellen Techniken und Traditionen: Bonanzinga/Giallombardo 2011, Matranga 2011, Sottile 2002 und Castiglione 1999.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik Außersprachlicher Kontext
Ethnolinguistisches Ähnlichkeitsprofil
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- Zunächst sind die Alpenwörter von besonderem Interesse; ihre Gesamtheit bildet sozusagen einen fiktiven Idealtyp, dem die einzelnen Ortsdialekte mehr oder weniger nahe kommen. Dem entspricht die Kartierung einer gradueller Ähnlichkeit, die durch die Darstellung des champ gradient de la gasconité im ALG 6 inspiriert wurde.
- Sodann wird nach dem Vorbild des ASD die relative Ähnlichkeit aller Aufnahmeorte untereinander kartiert, indem die gemeinsamen Basistypen eines beliebigen Aufnahmeortes und diejenigen eines beliebigen anderen Ortes als Bezugspunkt festgestellt und angezeigt werden.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik Außersprachlicher Kontext
Etymologie
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- die Ermittlung der Herkunftssprache der lexematischen Basis;
- die Begründung der Zusammengehörigkeit aller unter dem Basistyp vereinigten Typen; dafür sind die Regularitäten der historischen Phonetik und die semantische Plausibilität der zugrundeliegenden Konzeptrelationen entscheidend;
- die Rekonstruktion der Entlehnungswege, falls der Basistyp in mehreren Sprachgebieten verbreitet ist; sobald die Sprache des Etymons einerseits und des Informanten andererseits nicht übereinstimmen, wird automatisch Sprachkontakt festgestellt.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Forschungslabor
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- Generic Research Data Infrastructure (GeRDI),
- eHumanities – interdisziplinär und dem daraus entstandenen, nützlichen Best Practice Guide (vgl. Kümmet u.a. 2020, Link),
- die Online-Version des LEI,
- die Online-Version des Atlas Pan-Picard Informatisé (APPI),
- eine in Vorbereitung befindliche Online-Version des ALD-I / ALD-II, oder aber in neue Projekte mündete, so bei:
- LexiCon,
- ALS online.
(auct. Thomas Krefeld)
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Georeferenzierung
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Referenzraster der Georeferenzierung ist das Netz der politischen Gemeinden im Alpenraum, die, je nach Bedarf, entweder als Fläche oder als Punkte ausgegeben werden können. Basis sind dabei die Grenzverläufe der Gemeinden mit Stand von etwa 2014, die VerbaAlpina von seinem Partner "Alpenkonvention" erhalten hat. Eine ständige Aktualisierung dieser Daten, die sich aufgrund nicht seltener Verwaltungsreformen durchaus häufiger verändern, ist entbehrlich, da es sich aus Sicht von VerbaAlpina lediglich um einen geographischen Referenzrahmen handelt. Die Punktdarstellung des Gemeinderasters wird algorithmisch aus den Gemeindegrenzen abgeleitet und ist somit sekundär. Die errechneten Gemeindepunkte stellen die geometrischen Mittelpunkte der Gemeindeflächen dar und markieren höchstens zufällig den Hauptort oder gar deren Mittelpunkt. Im Bedarfsfall können sämtliche Daten einzeln oder kumulierend auf den errechneten Gemeindepunkt projiziert werden. Dies ist etwa bei den Sprachdaten aus Atlanten und Wörterbüchern der Fall.
Zusätzlich zum exakt georeferenzierten Referenzraster der Gemeindegrenzen wird (ab Version 16/1) ein wabenförmiges quasi-georeferenziertes Raster dargestellt, das zwar die ungefähre Lage der Gemeinden zueinander wiedergibt, gleichzeitig jedoch jedem Gemeindegebiet eine idealisierte Fläche jeweils gleicher Form und Größe zuweist. [Bild:va_polygone-1.jpg]] Damit werden alternative Kartierungsverfahren angeboten, die beide ihre Vor- und Nachteile haben und wegen ihrer Bildlichkeit auch beide ein gewisses suggestives Potential mitbringen: Die topographische Darstellung vermittelt wegen ihrer Präzision einen besseren Einblick in die konkrete Räumlichkeit mit ihren oft sehr speziellen Geländeprofilen, einzelnen Übergängen, Talverläufen, unzugänglichen Talausgängen usw. Die Wabenkarte erlaubt dagegen eine abstrahiertere Visualisierung der Daten, da sie die Größen der Gemeindeflächen sowie siedlungsgeographische Ballungen bzw. Streuungen ausgleicht. Das ist besonders bei quantitativen Karten nützlich, denn die Größe der Fläche erzeugt schon bei der Wahrnehmung unwillkürlich den Eindruck quantitativen Gewichts. Die Ermittlung der Geoinformationen zu den jeweiligen Erhebungspunkten erfolgte mittels eines Online Tools. Bedingt durch nicht eindeutige Benennung der Ortschaften, sowie nicht Erkenbarkeit der Namen, war eine manuelle Korrektur der Angaben nötig. Leider ist die Ermittlung der Geokoordinaten seit einiger Zeitaus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich.
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
Tags: Linguistik Informationstechnologie Außersprachlicher Kontext
Induktive Kulturraumforschung
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Das Grundprinzip besteht darin, ausschließlich mit georeferenzierbaren Daten zu operieren und – abgesehen von der Zugehörigkeit der Orte zur Alpenkonvention – keinerlei großräumige Kategorien vorzugeben. Zur kulturräumlichen Profilierung des Alpenraums können die ergänzenden Daten beitragen, die aktuelle oder historische Informationen über die soziale Organisation der Einwohner und/oder über deren infrastrukturelle Erschließung und Bewirtschaftung des Raums liefern. Im Hinblick auf die historische Rekonstruktion des alpinen Kulturraums ist es erstrebenswert, die Gebiete archäologischer Persistenz mit den Arealen sprachlicher Relikte abzugleichen und quantitativ in Gestalt einer kombinierter Sach- und Sprachschichtenkartographie zu visualisieren; vgl. dazu aus archäologischer Sicht allgemein Häuber/Schütz 2004a sowie den modellhaften Kölner Stadtschichtenatlas (vgl. Häuber/Schütz/Spiegel 1999 und Häuber u.a. 2004).
(auct. Thomas Krefeld)
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Inputdaten
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(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Interlinguale Geolinguistik
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Es sind, genauer gesagt, drei Sprachfamilien, die den neuzeitlichen Alpenraum in Gestalt unterschiedlich großer und vor allem unterschiedlich stark differenzierter Dialektkontinua prägen; die Verbreitungszonen der drei Sprachfamilien lassen sich übrigens nicht auf spezifische Staaten abbilden vgl. aktuelle Sprachgebiete. Das Germanische ist durch alemannische und bairische Varietäten vertreten, die der plurizentrischen deutschen Sprache zugerechnet werden; allerdings ist der gemeinsame Bezug auf die schweizerische, deutsche und österreichische Standardvarietät, der die Zugehörigkeit zu ein und derselben Sprachgemeinschaft überhaupt erst stiftet, bei manchen walserischen und altbairischen (zimbrischen) Sprachinseln auf der Alpensüdseite eigentlich nicht mehr gegeben.
Im Unterschied zum germanischsprachigen Teilgebiet kann man die Varietäten des romanischen Kontinuums mehreren Sprachen zuordnen; neben dem Französischen und Italienischen handelt es sich dabei nach Maßgabe der politischen Anerkennung in der Schweiz und in Italien um Okzitanisch, Frankoprovenzalisch, Rätoromanisch (im Sinne von Bündnerromanisch), Dolomitenladinisch und Friaulisch.
Das Slawische ist durch slowenische Dialekte vertreten, die außer in Slowenien auch in etlichen italienischen und österreichischen Gemeinden gesprochen werden. Zu den Zielen von VerbaAlpina gehört es jedoch nicht, die Dialekte des Alpenraums möglichst vollständig zu beschreiben, die lokalen oder regionalen Dialektgrenzen herauszuarbeiten und den Raum so gewissermaßen als Mosaik von Varietäten darzustellen. Vielmehr sollen durch die großräumige Anlage gerade die (vor allem lexikalischen) Merkmale hervortreten, die über die einzelnen Dialekt- und Sprachgrenzen hinweg verbreitet sind und so die ethnolinguistischen Gemeinsamkeiten hervortreten lassen.

Da Dialekte in sich vollständige sprachliche Systeme bilden, darf man im Hinblick auf die gemeinsame Untersuchung der drei 'genetisch' verschiedenen Kontinua sagen, dass der Sprachkontakt hier in Gestalt einer interlingualen Geolinguistik untersucht wird (vgl. ausführlicher Krefeld 2018d und Krefeld 2021k).
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Kartographie
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Das heuristisches Potential der Kartographie ist beachtlich; daher wird dem Nutzer von VerbaAlpina die Option angeboten, unterschiedliche Datenklassen aus einer Kategorie (z. B. mehrere Basistypen) oder aus den unterschiedlichen Kategorien (z. B. außersprachliche und sprachliche Daten) auf synoptischen Karten zu kombinieren und zu kumulieren.
Zusätzlich zum exakt georeferenzierten Referenzraster der Gemeindegrenzen wird (ab Version 16/1) ein wabenförmiges quasi-georeferenziertes Raster dargestellt, das zwar die ungefähre Lage der Gemeinden zueinander wiedergibt, gleichzeitig jedoch jedem Gemeindegebiet eine idealisierte Fläche jeweils gleicher Form und Größe zuweist.

Damit werden alternative Kartierungsverfahren angeboten, die beide ihre Vor- und Nachteile haben und wegen ihrer Bildlichkeit auch beide ein gewisses suggestives Potential mitbringen: Die topographische Darstellung vermittelt wegen ihrer Präzision einen besseren Einblick in die konkrete Räumlichkeit mit ihren oft sehr speziellen Geländeprofilen, einzelnen Übergängen, Talverläufen, unzugänglichen Talausgängen usw. Die Wabenkarte erlaubt dagegen eine abstrahiertere Visualisierung der Daten, da sie die Größen der Gemeindeflächen sowie siedlungsgeographische Ballungen bzw. Streuungen ausgleicht. Das ist besonders bei quantitativen Karten nützlich, denn die Größe der Fläche erzeugt schon bei der Wahrnehmung unwillkürlich den Eindruck quantitativen Gewichts.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik Webseite Außersprachlicher Kontext
Kontinuität
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(auct. Thomas Krefeld)
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Konzept
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- Traditionelle Alltagswelt,
- Natürliche Umwelt,
- Moderne Alltagswelt,
die jedoch für die Organisation der Daten nur eine sehr allgemeine Bedeutung haben. Auf der Ebene der Datenbank sind vielmehr solche Ordnungsprinzipien relevant, die es erlauben Relationen zwischen den einzelnen Konzepten festzulegen. Zunächst lassen sich alltagsweltliche Kategorien durch Konzepte sehr unterschiedlichen Abstraktions-, bzw. Spezifikationsgrads erfassen, so dass sich taxonomische Hierarchien ergeben. Zwischen Konzepten, die auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen liegen, bestehen strenge
(1) Inklusionsrelationen
in der Weise, dass jede Definition eines Unterbegriffs die Definition ihres Oberbegriffs enthält und spezifiziert. Dazu das Beispiel einer konzeptuellen Kategorie:
- Oberbegriff: GEBÄUDE
- Unterbegriff der 1. Ebene: SENNHÜTTE, STALL, KÄSEKELLER usw.
- Unterbegriff der 2. Ebene: SENNHÜTTE AUS STEIN, SENNHÜTTE AUS HOLZ, SENNHÜTTE AUS HOLZ MIT UNTERBAU AUS STEIN usw.
Während jede Sennhütte usw. auch ein Gebäude ist, gilt das Umgekehrte selbstverständlich nicht. Das jeweils inkludierte Konzept ist abstrakter und insofern bei Darstellung in Gestalt von Baumgraphen auch übergeordnet.
Zwischen den hierarchisch gleichgeordneten Konzepten auf ein- und derselben Ebene bestehen dagegen stets:
(2) Exklusionsrelationen
Eine Sennhütte ist weder ein Stall, noch ein Käsekeller.
Ganz anders ist dagegen die Hierarchie, die sich ergibt, wenn komplementäre Konzepte einen komplexen Funktionszusammenhang bilden, der ebenfalls als Konzept gefasst werden muss. Hier spricht man von
(3) Teil-Ganzes-Relationen.
So gehören zum umfassenden Konzept ALM (als Ganzes) unterschiedliche Sektionen, das GELÄNDE, das VIEH, die GEBÄUDE, das PERSONAL und die TÄTIGKEITEN, insbesondere die MILCHVERARBEITUNG (Teile). Teil-Ganzes-Relationen sind einerseits hierarchisch (wie die Inklusionsrelationen), aber andererseits beruhen sie gerade nicht auf definitorischer Inklusion, sondern auf Exklusion. Baumgraphen sind für ihre Darstellung nicht geeignet.
Man vergleiche exemplarisch das Schema zur begrifflichen Sektionierung des Feldes ALMWESEN.

Im Bereich der Sektionen lassen sich wiederum Ganze und deren konstitutive Teile erkennen. So gehören zur PRODUKTION VON KÄSE (Ganzes) diverse TÄTIGKEITEN, PROZESSE, GERÄTE, GEFÄSSE, PERSONEN und GEBÄUDE (Teile).

(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Ladinisch (Zitieren)
Sprachgeschichte
Als vorwissenschaftlicher, volkstümlicher Ausdruck bezeichnet ladin(o)/ladinisch im Alpenraum die lokalen romanischen Idiome, die in zwei mehr oder weniger klar definierten und geographisch nicht zusammenhängenden Gebieten gesprochen werden: im schweizerischen Engadin einerseits und in den Dörfern San Martin und La Val in den Dolomiten andererseits (vgl. EWD IV, 156 und DRG 10, 272 – 276). Was das erste Gebiet betrifft, so sind heutzutage Glottonyme wie puter 'Oberengadinisch' und vallader 'Unterengadinisch' (als Hyponyme) oder gar rumantsch 'romanisch' (als Hyperonym) für die Bezeichnung der dort gesprochenen und geschriebenen Idiome gebräuchlicher. Zur Bezeichnungsverwendung in den Dolomiten sind an dieser Stelle einige Präzisierungen unumgänglich.Wie die ALD-I-Karte Nr. 3 bezeugt, wird das Glottonym ladinisch zur Benennung der eigenen Sprache nur im Zentrum des Gadertals verwendet (Erhebungspunkte 83, 84 und 85). Im übrigen Gebiet benennen SprecherInnen ihr eigenes Idiom nach dem Dorf oder dem Tal (etwa wie badiot 'aus Badia' bzw. 'abteitalisch' oder fascian 'aus Fassa, fassanisch'). Allerdings wird der Ausdruck ladin heutzutage auch in einem geographisch umfangreicheren Gebiet verwendet, das die vier um das Sella-Massiv gelegenen Täler umfasst (Gadertal, Gröden, Fassatal und Buchenstein) und zudem üblicherweise auch die Mundart von Cortina d'Ampezzo einschließt (3208). Diese volkstümliche Bezeichnung bezieht sich nicht (nur) auf die Sprache, sondern sie betont viel mehr den gemeinsamen kulturellen und historischen Bezug der eben genannten Täler und Ortschaften zur Habsburgermonarchie bis ins Jahr 1919.
Etymologisch betrachtet, stellen ladin und die entsprechenden Glottonyme die direkte Fortsetzung von latinus dar. Obwohl es bis zum Mittelalter üblich war, latinus neben romanus, romanice, vulgaris, als Bezeichnung für die aus dem Vulgärlatein entwickelten romanischen Idiome zu verwenden, betonte der Humanismus die Unterscheidung zwischen dem 'wahren' Latein und den daraus entstandenen lokalen Idiome. Im Zusammenhang mit der Verschriftung der eigenen Mundart entstanden spezifische Benennungen des eigenen Idioms, die oft auf die geographische Lage verweisen (so hat man zum Beispiel italiano aus Italia oder furlan 'friaulisch' aus Forum Iulii). Die Berggebiete, von denen hier die Rede ist, waren an diesem Prozess weniger beteiligt als die urbane Ausstrahlungszentren von Innovationen. Vielleicht könnte in den Dolomiten aufgrund des unmittelbaren Kontakts zu nicht lateinisch-romanischen Gebieten im Vordergrund gestanden haben, sich in der Sprachbezeichnung eher vom Germanischen abzugrenzen, was ladin(o) eindeutig leistet, als zwischen Latein und 'Neulatein', d.h. Romanisch, zu unterscheiden.
Der Erhalt des Glottonyms als Fortsetzung von latinu mag weiterhin durch die im Vergleich zur Italo- bzw. Galloromania verspätete Verschriftungstätigkeit begünstigt worden zu , die in den Dolomitentälern erst ab dem XVII. Jahrhundert bezeugt ist (vgl. Videsott 2020): Dort, wo intensiver schriftlicher Ausbau mehr oder weniger früh im Mittelalter begann, wurde das Bedürfnis verspürt, die spezifische eigene Ausprägung des Romanischen mit Bezug auf den geographischen Raum zu benennen. In der Sprachwissenschaft haben sich die Bezeichnungen überwiegend an den volkstümlichen Sprachnamen orientiert.
Wissenschaftsgeschichte
Von Isaia Graziadio Ascoli wurde der Ausdruck (in der ital. Variante ladino bzw. favella ladina) als Oberbegriff für das Bündnerromanische, das Romanische in den ehemals österreichischen Dolomiten und das Friaulische (vgl. Melchior 2019) vorgeschlagen; er sah in den drei Gebieten isolierte Reste eines ehemals umfassenderen, zusammenhängenden Sprachraums, denn die Dialekte zwischen der Schweizer Grenze und der Etsch sowie diejenigen des Agordino, Cadore und Comelico (3210), die westlich des Friaulischen situiert sind, sah er nicht als ladinisch an; vielmehr sprach er hier von anfizone 'Übergangsgebieten'. In der deutschsprachigen Forschung wurde Ascolis Konzept mit 'Rätoromanisch' wiedergegeben (vgl. Gartner 1883); dieser wissenschaftliche Sprachgebrauch, den man mittlerweile als obsolet bezeichnen muss (vgl. Krefeld 2003a, Liver 2010), darf nicht mit der amtlichen Schweizer Sprachregelung (vgl.Rätoromanisch) verwechselt werden. So wurden im Laufe der Jahre zwar etliche Anläufe unternommen, den Begriff LADINISCH trennscharf zu definieren, aber ein wissenschaftlich allgemein akzeptierter Konsens ist daraus nicht entstanden (vgl. Casalicchio 2020, Goebl 2003, Pellegrini 1991).Dialektologie
Im Hinblick auf die dialektale Ähnlichkeit, (d.h. die Gemeinsamkeit von Varianten) erscheint es im Rahmen von VerbaAlpina nicht gerechtfertigt, den Begriff LADINISCH auf die romanischen Varietäten zu beschränken, die in den Dolomitentälern rund um das Sella-Massiv gesprochen werden (traditionell im Gadertal und Grödnertal in Südtirol, im Fassatal im Trentino sowie in Colle Santa Lucia, Buchenstein und Cortina d'Ampezzo, in der Provinz Belluno). Vielmehr ist es sinnvoll, 'Ladinisch' prototypisch zu verwenden: als Klassifikationsbegriff für die Bezeichnung der romanischen Varietäten, die sich aufgrund ihrer inneren Struktur besonders ähnlich sind und die innerhalb eines geolinguistischen Ausschnitts des romanischen Varietätenkontinuums gesprochen werden,- das grosso modo mit der im Süden und Osten über die Sellaregion deutlich hinausgehenden geographischen Ausdehnung der Dolomiten identifiziert werden kann und
- das die romanischen Varietäten des Agordino, des Cadore und des Comelico in der Provinz Belluno einschließt.
Die lexikographische Ressource, die von VerbaAlpina für die Typisierung der Sprachbelege des Dolomitengebietes verwendet wird, ist die Banca Lessicala Ladina (kurz: BLad), die sich an Lemmata aus sellaladinischen Varietäten orientiert, denn sie gilt als digitales Sammelwerk, das alle vorhandenen Wörterbücher der o.g. Talvarietäten zusammenführt. Die Verwendung dieses Werkzeugs steht durchaus nicht im Widerspruch zur oben skizzierten geolinguistischen Definition des Ladinischen, mit der VerbaAlpina arbeitet. Vielmehr erweist sich in der Nützlichkeit dieser Ressource im weiteren geolinguistischen Rahmen gerade die Existenz eines großräumigen Kontinuums lokaler romanischer Varietäten. Es versteht sich weiterhin von selbst, dass aus der geolinguistischen Bestandsaufnahme lokaler Ähnlichkeiten und Unterschiede keinesfalls auf die Zugehörigkeit der erfassten Idiome zu einer gemeinsamen 'Sprache' im Sinne von Ascoli 1873 oder Gartner 1883 geschlossen werden darf, denn eine Sprache impliziert im gegenwärtigen Verständnis – im Unterschied zum Dialekt – einen soziologischen Status, der sich in ihrer Institutionalisierung in Verwaltung und Bildung zeigt und der aus deskriptiv ermittelten, systemischen Merkmalen nicht abgeleitet werden kann (vgl. Sprachen und Sprachfamilien im Alpenraum).
Sprachsoziologie
Die Schrifttradition der ladinischen Varietäten ist – wie oben schon erwähnt wurde – jüngeren Datums als die der anderen romanischen Sprachen. Der erste Versuch einer ladinischen Varietät eine graphisch normierte Form zu geben, geht ursprünglich auf Ujep Insam (Versuch zu einer Grammatik der Grödner Mundart – Per na Gramatica döl Lading de Gerdöna; 1806, Videsott 2013) zurück, gefolgt durch Nikolaus Bacher (Micurà de Rü) mit seinem Versuch einer deütsch-ladinischen Sprachlehre (1833; Craffonara 1995). In der zweiten Nachkriegszeit erwiesen sich die gestärkten Identitätsgefühle und die Notwendigkeit, das Schulsystem mit didaktischen Instrumenten für den Unterricht in der Lokalsprache auszustatten (1948 wurde die paritätische Schule in Südtirol eingeführt) als grundlegende Faktoren einer intensiveren graphischen und sprachlichen Normierungstätigkeit (vgl. Rasom 2020 und Iannàccaro/Dell'Aquila 2020). Der Wunsch nach einer gemeinsamen Schriftsprache für die ladinischen Täler zeigte sich immer stärker, so dass die Kommission für die Sprachplanung der Union Generela di Ladins dla Dolomites 1987 die ersten Vorschläge für eine gemeinsame graphische Darstellung der einzelnen Phoneme vorstellte. Diese Vorschläge stellen die Basis des Ladin Standard (auch Ladin Dolomitan) dar, das vom SPELL (Servisc de Planificazion y Elaborazion dl Lingaz Ladin) auf der Grundlage der Arbeiten des Schweizer Sprachwissenschaftlers Heinrich Schmid in den Neunziger Jahren erarbeitet worden ist (GLS 2001; Schmid 1998); Schmid hatte bereits das Rumantsch Grischun konzipiert (vgl. Schmid 1982). In den Dolomiten existieren derzeit insgesamt fünf normierte Talschaftsidiome und eine gemeinsame Schriftsprache. Diese hier nur kurz skizzierte Geschichte der Normierung bezieht sich nur auf die sellaladinischen Varietäten (für eine genauere Chronologie s. Kattenbusch 1994 und Rasom 2020).Für die Varianten des Agordino, des Cadore und des Comelico wurde vom Istituto Ladin de la Dolomites in Borca di Cadore, das die Interessen der Ladiner der Provinz Belluno ("Neo"-Ladiner in der Terminologie von Goebl 1997 und Rührlinger 2005) vertritt, das Handbuch Scrivere in Ladino veröffentlicht (Istituto 2010). In diesem Gebiet fehlen aktuell Projekte zur Standardisierung der Varietäten.
(auct. Beatrice Colcuc | Thomas Krefeld)
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Mehrwortlexie
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Aus informatischer Perspektive ergibt sich dabei das Problem einer mehrschichtigen Konzeptzuordnung, die im relationalen Datenmodell abgebildet werden muss: Neben der Bedeutung der Mehrwortlexie als ganzer besitzen die Einzelwörter eigene Bedeutungen, die ein Licht auf die Motivation der Bildung der Mehrwortlexie werfen. Um diese Besonderheit zu berücksichtigen, werden in der Datenbank von VerbaAlpina sogenannte Tokengruppen verwendet. Ein Beleg, der aus mehreren Einzelwörtern besteht, wird hierbei in seine Bestandteile aufgespalten und diese werden in der Tabelle `tokens` abgelegt. Jedes dieser Tokens verweist dabei auf ein und denselben Eintrag in der Tabelle `tokengruppen` und speichert zusätzlich seine Position in der Tokengruppe (1., 2. usw. Stelle), so dass die Mehrwortlexie aus den Einzeltokens rekonstruiert werden kann. Ein explizites Speichern der Mehrwortlexie ist somit nicht nötig; in der Tabelle `tokengruppen` werden also (außer der ID der Tokengruppe) nur zusätzliche Informationen abgelegt, die aus den Einzeltokens nicht hervorgehen können, wie beispielsweise das Genus der Tokengruppe.
Eine Zuordnung von Konzepten findet sowohl auf Ebene der Tokens als auch auf Ebene der Tokengruppen statt. Für das obige Beispiel gibt es damit drei Einträge in der Tabelle Tokens, denen jeweils unterschiedliche Konzepte zugeordnet sind:

Die Zuweisung von Konzepten zu den Bestandteilen erfolgt mit Hilfe der Wörterbücher. Für das jeweilige Teilkonzept wird der häufigste Eintrag aus dem Lexikon übernommen. Da die Teilkonzepte nicht abgefragt wurden, ist möglich, dass sie teilweise der Realität nicht entsprechen.
Zusätzlich gibt es einen Eintrag in der Tabelle `Tokengruppen` mit einer eigenen Konzeptzuordnung:

Bei der kartographischen Darstellung an der Oberfläche von VerbaAlpina werden Tokens und Tokengruppen gleichberechtigt behandelt, das heißt, eine Suche nach dem Konzept ALMHÜTTE liefert sowohl Tokengruppen also auch Tokens, die mit diesem Konzept verbunden sind. Einzelwörter, die nur als Bestandteil einer Mehrwortlexie belegt sind, werden dabei entsprechend markiert.
(auct. Stephan Lücke | Florian Zacherl)
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Notation
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(auct. Thomas Krefeld)
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Onomasiologie (Zitieren)
Sachen und Wörter
Motto: "Wie einem Sein oder Geschehen der Satz, so entspricht einer Sache das Wort; nur ist die Beziehung nicht umkehrbar. Ich kann fragen: wie heißt diese Sache? Ich muß fragen: was bedeutet dieses Wort? Die Sache besteht für sich voll und ganz; das Wort nur in Abhängigkeit von der Sache, sonst ist es leerer Schall." (Schuchardt 1912, 829) |
VerbaAlpina ist ganz konsequent in bidirektionaler Logik konzipiert worden: Aus semasiologischer Sicht (vgl. Semantik) können alle erfassten Bezeichnungen so abgefragt werden, dass man erfährt, mit welchen KONZEPTEN sie in den lokalen Dialekten jeweils verknüpft sind; diese Richtung vom Wort zur Sache entspricht grosso modo der Vorgehensweise der allermeisten Wörterbücher. Aus umgekehrter, onomasiologischer Richtung können aber auch alle erfassten KONZEPTE abgefragt werden, so dass sich ergibt, mit welchen Bezeichnungen sie in den jeweiligen lokalen Dialekten belegt werden. Onomasiologische Fragestellungen haben eine lange Tradition in der Sprachwissenschaft, die vor allem mit der Bewegung ‘Wörter und Sachen’ oder – in anderer Priorisierung – ‘Sachen und Wörter’ (vgl. Schuchardt 1912) verbunden ist; sie wurde von der Überzeugung getragen, dass
"die vergleichende romanische Sprachgeschichte als Korrelat eine vergleichende romanische Kulturgeschichte erfordert" (Schuchardt 1912, 829, Anm. 1; Hervorhebung im Original).
Die onomasiologische Tradition steht zu Beginn also im Zeichen der – modern ausgedrückt – Ethnolinguistik. Das wichtigste Publikationsorgan war Wörter und Sachen : Zeitschrift für indogermanische Sprachwissenschaft, Volksforschung und Kulturgeschichte (1909-1944); Herausgeber waren der Indogermanist Rudolf Meringer, der Romanist Wilhelm Meyer-Lübke, der Slawist Jooseppi Julius Mikkola, der Germanist Rudolf Much und der Slawist Matija Murko. Speziell für die Romanistik muss zudem die Zeitschrift Volkstum und Kultur der Romanen (1926-45) genannt werden. Das Ende beider Publikationsorgane in den Jahren 1944/45 deutet bereits an, dass sie sich in den 30er Jahren zunehmend an einem faschistischen Volksbegriff orientierten. Diese Ideologisierung der Onomasiologie lag vielleicht nahe, unvermeidlich war sie jedoch nicht. Es wäre sicherlich falsch, der Ethnographie und damit der Ethnolinguistik einen immanenten Faschismus zu unterstellen; faschistisch ist nicht die Dokumentation und Beschreibung der Alltagskultur als solche, sondern deren Interpretation auf der Grundlage eines geschlossenen, essenzialistischen und womöglich rassistischen Kulturbegriffs.Ein uneingelöstes Versprechen: onomasiologische Lexikographie
Aber auch über die im engeren Sinn ethnolinguistisch relevanten Bereiche hinaus sind onomasiologische Überlegungen durchaus in die Konzeption wichtiger lexikographischer Referenzwerke eingeflossen, wie sich vor allem am FEW zeigen lässt. Zu einer konsequent onomasiologischen Fundierung ist es dann allerdings doch nicht gekommen (Link); erst als das Wörterbuch bereits weit vorangeschritten war, wurde von Walter von Wartburg in Zusammenarbeit mit Rudolf Hallig ein Begriffssystem als Grundlage für die Lexikographie ausgearbeitet (so der Titel von Hallig/Wartburg 1963). In der wortgeschichtlichen und etymologischen Forschung, die Wartburg besonders am Herzen lag, bestätigt sich im Hinblick auf das Verhältnis von Wort- und Sachgeschichte auch nach über 100 Jahren schnell die Feststellung Hugo Schuchardts: "Die Wortforschung ist gegen die Einwirkungen von der anderen Seite immer noch zu sehr durch die ‘Lautgesetze’ anästhesiert" (Schuchardt 1912).Weiterhin muss festgestellt werden, dass die Onomasiologie nicht gut zum Mainstream der meist als 'modern' apostrophierten Sprachwissenschaft passte. Angesichts der zunehmenden Dominanz formaler und syntaktisch orientierter Modellierungen, die universale Geltung beanspruchen, rückte sie an die Peripherie des Interesses. Erst in den letzten Jahrzehnten ist sie zu neuen Ehren gekommen. Dazu haben ganz unterschiedliche Entwicklungen beigetragen, wie die sogenannte kognitive Wende, in deren Gefolge gerade nach der Motivation sprachlicher Kategorien gesucht wurde/wird, sowie neuerdings die Digital Humanities, die Optionen eröffnet, sprachliche Kategorien systematisch mit nicht-sprachlichen, d.h. 'sachlichen' Normdaten zu verknüpfen. Vor diesem Hintergrund vollzieht sich ein Klimawandel, der die Rahmenbedingungen der Lexikographie verändert. Davon sind nicht nur neue Arbeiten betroffen, sondern auch für die bereits etablierte und bewährte Lexikographie hat sich ein ganz neuer Horizont eröffnet: Zu den zentralen aktuellen Herausforderungen gehört es ja an erster Stelle, die möglich gewordene Vernetzung der vorliegenden maßgeblichen Lexika ins Werk zu setzen. Ein entsprechendes Verfahren wurde in VerbaAlpina bereits umgesetzt, wie ein Blick in eine beliebige interaktive VerbaAlpina-Karte zeigt: Jeder Beleg ist an der Oberfläche mit unterschiedlichen Referenzlexika verknüpft, deren Siglen durch Anklicken auf die jeweiligen Lexikoneinträge führen (im Beispiel T, T, C, G, F).
Möglich wäre jedoch nicht nur die Vernetzung der Lexika auf der Ebene der Bezeichnungen (= 'Wörter'), wie im vorangehenden Beispiel illustriert, sondern auch auf der Ebene der Konzepte (= 'Sachen') durch geeignete Normdaten; auch dafür sind die Voraussetzungen in VerbaAlpina bereits gegeben, denn – wie das soeben genannte Beispiel ebenfalls zeigt – wurden die Wikidata-IDs integriert (Link "Wikidata" in den Belegfenstern). Eine sachbasierte Verknüpfung von Lexika scheitert einstweilen an der Tatsache, dass sich die Konzepte fast nirgendwo als digitale Objekte ansprechen und identifizieren lassen, da spezifische Normdaten (z.B. die Q-IDs des Wikidata-Projekts oder auch projekteigene IDs) fehlen.
Es erhebt sich nun die Frage, ob es nicht sinnvoll sein könnte, komplementär zu den Wikidata-IDs an Hallig/Wartburg 1963 anzuknüpfen und das dort formulierte ‘Begriffssystem’ zu generalisierbaren Normdaten zu erheben. Dagegen spricht ein ganz grundsätzlicher theoretischer Vorbehalt: Aus semiotischer Sicht nicht überzeugend ist die unklare Abgrenzung zwischen den onomasiologischen Basiskategorien, nämlich den außersprachlichen Konzepten einerseits und den (einzel)sprachlichen Bezeichnungen andererseits. Zwar wird ein Anspruch auf universale Verwendbarkeit formuliert:
"Wir glauben, mit dem Begriffssystem, das wir hier vorlegen, für die Lexikographie eine Grundlage geschaffen zu haben, welche die Darstellung des «Wortschatzes als Gesamtgefüge» ermöglichen könnte, unabhängig davon, welcher Sprache, welcher Mundart oder welcher Epoche dieses Wortgut angehört" (Hallig/Wartburg 1963, XXII).
Aber die 'Begriffe' dieses Systems oder: "Ordnungsschemas" entsprechen gerade nicht den Korrelaten jenseits der Sprache, auf die sich die sprachlichen Zeichen beziehen (den 'Sachen'), sondern es handelt sich ebenfalls um sprachliche, d.h. einzelsprachliche Zeichen (Bezeichnungen bzw. 'Wörter'):
"Dabei ist durchaus nicht an durch logische Operationen gefundene Begriffe gedacht, sondern nur an die durch die Leistung der Sprache bei der Verarbeitung der Welt geschaffenen vorwissenschaftlichen Allgemeinbegriffe, die von jedem erfasst, verstanden, gewußt und benutzt werden, mit anderen Worten an den «Popularbegriff» mit einem festen Kern und oft unscharfen Grenzen" Hallig/Wartburg 1963, XI).
Wissenschaftliche Begriffe werden also kategorisch ausgeschlossen und damit gerade auch die wenigen traditionellen, über die Einzelsprachen hinweg verlässlichen Referenzsysteme wie z.B. die auf Carl von Linné zurückgehende botanische Nomenklatur.
Aus aktueller enzyklopädischer Sicht muss man die Konzeption eines geschlossenen Begriffssystems
"nach dem Grundsatz der Sparsamkeit, jedoch so, daß jeder Seinsbereich, der im Weltbild der Sprache verarbeitet worden ist, auch in unserem Ordnungsschema vertreten sein muß" (Hallig/Wartburg 1963, XI)
als naiv bezeichnen, und es erübrigt sich, alle 'Seinsbereiche' aufzuzählen, die 1952 (bzw. 21963) nicht vorhersehbar waren und heute unseren Alltag prägen und regeln. Der Aufbau enzyklopädischer Orientierungssysteme ist nurmehr in offener und kollaborativer Weise vorstellbar.VerbaAlpina begegnet der Gefahr, KONZEPTE und Bezeichnungen zu vermischen durch die Fundierung der Onomasiologie in ontologischen Normdaten, wie sie vor allem durch Wikidata zur Verfügung gestellt werden.
(auct. Thomas Krefeld)
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Onomasiologische Einteilung
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Produkte
Sind im weitesten Sinne Bestandteile des Produkts, d.h. auch Milch kann in diese Gruppe gefasst werden. Desweiteren sind beispielsweise Rahm, Buttermilch sowie Reste wie Molke auch Produkte, aus dem wieder weitere Produkte entstehen.
Prozesse
Über Prozesse werden aus einem wieder andere Produkte (z.B. Molke -> Ziger).
Personen
Meistens sind Personen an Prozessen beteiligt, z.B. der Senner.
Geräte
Die Personen verwenden Geräte, um Produkte in einem Prozess zu verarbeiten. Es wird dazu verwendet, um ein Produkt von dem einen in einen anderen Zustand zu bringen (z.B. die geronnene Milch mithilfe einer Käseharfe zu brechen). Beim Einsatz eines Geräts ist auch immer eine Form von Energie beteiligt, z.B. Muskelkraft oder elektrischer Strom. Die Trennschärfe zum Gefäß ist nicht immer gegeben. Ein Gefäß, das für einen Reifungsprozess vorgesehen ist oder mit dem Flüssigkeit durch Schwerkraft aus einem Produkt, z.B. der Käsemasse entzogen wird, stellt demnach auch ein Gerät dar. Ähnlich ist es mit den verschiedenen Formen von Butterfässern. Sie fassen zwar den Rahm, deren Zweck ist aber nicht die Lagerung, sondern die Verwendung für den Prozess, den Rahm in Butter und Buttermilch zu trennen.
Gefäße
Sind nur für die Lagerung eines Produkts oder für dessen Transport in Verwendung. Das beste Unterscheidungskriterium zum Gerät ist jenes, dass ein Gefäß in der Hinsicht keine Rolle bei einem Prozess spielt, als dass das Produkt dadurch verändert wird.

(auct. Markus Kunzmann)
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Onomasiologischer Rahmen
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Onomastik
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Die erstgenannte Perspektive ist wegen der überschaubaren Inputdaten zweifellos einfacher, denn sie liefert einen Grundbestand von meist gut lokalisierbaren römischen Namen, der systematisch abgearbeitet werden kann. Weitaus anspruchsvoller und auch erheblich aussagekräftiger ist die Rückperspektive. Hier fehlt es weithin an den Voraussetzungen für eine erfolgreiche großräumige Arbeit; viele Gebiete sind namenkundlich nicht erschlossen, da weder die rezenten dialektalen Varianten noch frühe Belege vorliegen. Immerhin ist mit dem Schweizer Ortsnamenportal ein vielversprechender Anfang gemacht worden.
Neben den Siedlungsnamen ist aber gerade die Dokumentation von Flurnamen (etwa von Berg und Almen) wichtig, da sie Rückschlüsse auf die kontinuierliche Nutzung des Geländes erlaubt. Dazu das folgende, ganz vorläufige Beispiel: In seiner wichtigen Studie über die frühmittelalterliche Besiedlung des südlichen Oberbayern und der sich anschließenden Tiroler und Salzburger Gebiete schreibt Franz Weindauer 2014 über das Ergebnis einer umfassenden Auswertung der archäologischen Funde: "Der Abgleich mit den Ergebnissen der Ortsnamenkunde und der Patrozinienforschung hat ergeben, dass erneut die bereits in spätrömischer Zeit besiedelten Regionen stichhaltige Hinweise auf romanisches Leben im Frühmittelalter liefern. Dazu zählen in erster Linie das Ammerseegebiet, das Werdenfelser Land, das östliche Chiemseegebiet und der Rupertiwinkel, aber beispielsweise auch die Region um das Mangfallknie, um Rosenheim und um den Starnberger See" (Weindauer 2014, 249). Dabei orientiert sich die Verteilung der archäologischen Fundorte im alpinen Teil seines Untersuchungsgebiets ganz offenkundig an den Passwegen, also etwa an der Brenneroute, die sich in Innsbruck (von Süden aus gesehen) in einen westlichen Zweig (über den Zirlerberg nach Garmisch und ins Alpenvorland) und einen östlichen Zweig (den Inn abwärts) teilt. Schon ein oberflächlicher toponomastischer Blick auf das ausgedehnte Karwendelgebirge, das im Winkel dieser beiden Routen liegt und bis heute keine einzige etwas größere Siedlung kennt, fördert im Abstand von wenigen Kilometern evidente Romanismen oder romanisch vermittelte vorrömische Wörter zu Tage:
* die Fereinalm < lat. veranum, vgl. spa. verano 'Sommer' sowie den Vereinatunnel im Unterengadin;
* die Krapfenkarspitze zur Basis vorrömisch *krapp- 'Fels', vgl. roh. (sursilvan) crap mit sehr zahlreichen Belegen in der Bündner Toponomastik (vgl. Schorta 1964 , 111-114);
* die Pleisenspitze zur Basis vorrömisch *blese 'steile Grashalde', vgl. roh. blaisch, blais, bleis, bleisa (vgl. DRG 2, 373 sowie die ebenfalls zahlreichen toponomastischen Belege in Schorta 1964 , 44-46);
* der Hochgleirsch zu lat. glarea 'Kies' + iciu mit Verlagerung des Akzents auf die erste Silbe; vgl. die schweizerischen Entsprechungen, wie den roh. Ortsnamen glaretsch in Disentis (vgl. Schorta 1964, 164) und den ostschweizerischen alemann. Ortsnamen Glaretsch in Pfäfers (vgl. ortsnamen.ch);
* die Larchetalm < lat. laricetum 'Lärchenwald', aus larix + etum, vgl. die zahlreichen roh. Belege des Typs laret, zur Variante lat. larictum in Schorta 1964, 185;
* den Bergnamen Juifen < lat. iugum 'Joch', wiederum etliche, weitgestreute Parallelen, vgl. die Ortsnamen Juferte im Simmental südlich Bern, mehrere Juf und giuf, giuv in Graubünden (alle im Ortsnamenportal der Schweiz) sowie den Jaufenpass in Südtirol; wenig östlich vom Juifen liegt der Berg Guffert, dessen Name zur genannten Simmentaler Variante gestellt werden muss.
Eine sorgfältige Analyse würde noch erheblich mehr zu Tage fördern. Man beachte beim letzten Beispiel die deutlich nicht mehr lateinische, sondern romanische Lautgestalt (-g- > -v-, -f). Alle diese Übernahmen setzen Kontakt mit einer romanischsprachigen Bevölkerung voraus, die das Gebirge zur Subsistenz nutzte, und wohl auch Akkulturation an ihre Lebensform. In diesem Sinne hat sich schon Gamillscheg 1935, 306 geäußert: "Der alemannische und bajuwarische Bauer, der dem neubesiedelten Boden seine Frucht abringt, stellt die Verbindung mit den unter gleich harten Bedingungen arbeitenden Romanen her. Nichts zeigt deutlicher, daß sich hier keine nationalen Kämpfe abgespielt haben, als die Tatsache, die altromanischen Ortsnamen und die jüngeren deutschen hier ebenso friedlich nebeneinander weiterbestehen wie Ladiner und Deutschtiroler. Das Eindringen der Alemannen und Bajuwaren in den rätisch-norischen Alpenraum hat keine Kulturzerstörung im Gefolge gehabt."
(auct. Thomas Krefeld)
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Rätoromanisch
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(auct. Thomas Krefeld)
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Referent
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(auct. Stephan Lücke)
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Referenzwörterbücher
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Sofern im Einzelfall keines der definierten Referenzwörterbücher ein passendes Lemma aufweist, legt VerbaAlpina in orthographischer Schreibweise einen morpholexikalischen Typ fest, der fortan Referenzstatus besitzt und auf den alle weiteren Sprachdaten dieser morpholexikalischen Kategorie bezogen werden. Durch diese Eigenreferenzierung erhält auch VerbaAlpina selbst den Status eines Referenzwörterbuchs.
Da es sich bei der beschriebenen Zuweisung auf die Referenzwörterbücher um eine interpretationsabhängige Arbeit handelt, ermöglicht VerbaAlpina durchaus auch eine kontroverse Kommentierung einzelner Lemmazuweisungen durch Wissenschaftler und Laien, die es Externen erlaubt, alternative Typisierungen vorzunehmen, die ihrerseits wieder kommentiert und diskutiert werden können.
Wörter aus dem germanischen Sprachraum werden, sofern möglich, verknüpft mit den Lemmata von:
- Schweizerisches Idiotikon. Schweizerdeutsches Wörterbuch
- Grimm, Jacob und Wilhelm (1854-1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde. in 32 Teilbänden, Leipzig (Quellenverzeichnis Leipzig 1971) (DWB)
- Duden (Berücksichtigung aufgrund seiner faktischen Bedeutung und der großen Materialfülle – trotz der Dürftigkeit hinsichtlich der von ihm präsentierten lexikographischen Informationen)
- Vocabolario Treccani
- Trésor de la langue française informatisé, (TLFi)
- Glossaire des patois valdôtains
- Banca lessicala ladina, (BLad; Ladinisch, lld.)
- Pledari grond (Rätoromanisch, roh.) und DRG
- Glossaire des Patois de la Suisse Romande, GPSR
- Grant Dizionari Bilengâl Talian Furlan, GDBtf (Friaulisch, fur.)
- TLIO – Tesoro della Lingua Italiana delle Origini, TLIO
- LSI und RID
- Slovar slovenskega knjižnega jezika, (SSKJ)
- Georges, Karl Ernst (1913-1916, Reprint 1998): Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel ausgearbeitet, 2 Bände, Darmstadt.
- Wartburg, Walther von (1922-1967): Französisches Etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes, 25 Bände, Basel (FEW), mit seinen artikelschließenden Kommentare, die oft auch über das Französische und sogar das Romanische hinaus grundlegend sind.
- Kluge
- DELI
- Bezlaj und auch die neuste Ausgabe Snoj. Allgemein für slawische Etymologien s. Berneker
- Als Referenzform für germanische Basistypen dienen wenn möglich die Lemmata des AWB, denn sie repräsentieren die ältesten belegten Formen.

(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
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Relationales Datenmodell
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Für die Abbildung von Informationen im relationalen Datenmodell existieren eigene Regeln, die de facto eine Wissenschaft für sich darstellen (z. B. die sog. Normalisierung). Gleichzeitig ist die konkrete Wahl der Modellierung anwendungsabhängig und die Einhaltung bestehender Modellierungsregeln in manchen Fällen aus der Perspektive der Nutzbarkeit und Performanz eher hinderlich. In der Praxis stellt jede Datenmodellierung einen Kompromiss zwischen den Vorgaben des theoretischen Regelwerks, technischen Erfordernissen und Nutzerfreundlichkeit dar. Darüber hinaus kann ein einmal gewähltes Datenmodell jederzeit geändert und an veränderte Erfordernisse angepasst werden.
(auct. Stephan Lücke)
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Semantik
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Graphik: Stephan Lücke
Im Lichte der dabei zu Tage tretenden Konzeptrelationen lässt sich das synchrone semantische Profil eines jeden polysemen Ausdrucks skizzieren; die wichtigsten Ausprägungen von Polysemie werden im Folgenden genannt.
- Taxonomische Polysemie liegt vor, wenn ein Ausdruck hierarchisch sowohl einander über- als auch untergeordnete Konzepte bezeichnet.
- Meronymische Polysemie liegt vor, wenn ein Ausdruck sowohl komplexe Sachzusammenhänge ('Ganze') als auch Konstituenten dieser Zusammenhänge ('Teile') bezeichnet; so wird die ALM, der für den Bauern wichtige Teil des Berges, häufig schlechthin als 'Berg' bezeichnet: Vgl. Karte Konzept ALM
Meronymische Bezeichnung des Konzepts ALM als Teil des Bergs durch Übertragung der Bezeichnung des Ganzen
Morpho-lex. Typ montagna 'Berg' (roa. fem.) (16 Belege) |
|
Morpho-lex. Typ monte (roa. m.) (67 Belege) |
Andererseits kann die ALM, als wirtschaftliches Ganzes (mit allem, was dazu gehört), mit Ausdrücken bezeichnet werden, die eigentlich nur für Komponenten der Almwirtschaft stehen: Vgl. Karte Konzept ALM
Meronymische Bezeichnung des Konzepts ALM als Ganzes durch Übertragung der Bezeichnung von Komponenten | |
Morpho-lex. Typ cascina 'Sennhütte' (roa. fem.) (1 Beleg) |
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Morpho-lex. Typ casera 'Sennhütte' (roa. fem.) (1 Beleg) |
|
Morpho-lex. Typ cjampei 'Felder' (roa. m.) (2 Belege) |
|
Morpho-lex. Typ pascol 'Weide' (roa. m.) (1 Beleg) |
|
Morpho-lex. Typ pascolo 'Weide' (roa. m.) (1 Beleg) |
- Metonymische Polysemie liegt vor, wenn ein Ausdruck Konzepte bezeichnet, die innerhalb ein und desselben 'Ganzen' unterschiedliche 'Teile' bezeichnen; so gehören zu einer ALM u. a. das VIEH, GEBÄUDE für das PERSONAL und für das Vieh, eine HÜRDE usw. Alle genannten Komponenten können in unterschiedlichen romanischen Ortsdialekten durch den morpho-lexikalischen Typen roa. mandra bezeichnet werden: Vgl. Karte
Metonymische Bedeutungen des morpho-lexikalischen Typs roa. mandra
Konzept ALMHÜTTE (1 Beleg) |
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Konzept ALMSTALL (2 Belege) |
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Konzept HERDE (15 Belege) |
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Konzept RINDERHÜRDE (3 Belege) |
- als 'Kopf': capo (roa. m.), (19 Belege), dazu capo di latte (roa.), wörtlich 'Milchkopf' (12 Belege), il capo del latte (roa.) (1 Beleg)
- als 'Blume': fleur / fiore (roa. m.) (15 Belege), fiora (roa. fem.) (17 Belege), dazu fiora cruda (1 Beleg), wörtlich 'ungekochte Blume', fiore di latte (roa.), wörtlich 'Milchblume' (2 Belege)
- als 'Haut': Haut (ger. m.) (2 Belege), peau / pelle (roa. fem.) (1 Beleg), la pelle del latte (roa.) (1 Beleg)
- als 'Pelz': pelliccia (roa. fem.) (2 Belege), Pelz (ger. m.) (4 Belege)
- als 'Nebel': sbrumacje (roa. fem.) (2 Belege), sbrume (roa. m.) (11 Belege)
- als 'Schaum': écume / schiuma (roa. fem.) (2 Belege), spuma (roa. fem.) (1 Beleg), spumacje (roa. fem.) (1 Beleg)
- als 'Tuch': toile / tela (roa. m.) (14 Belege), dazu tela del latte (roa.) (1 Beleg) und tela di latte (roa.) (5 Belege), wörtlich 'Milchtuch'
- Vgl. Karte
-
- Antonymische Polysemie liegt vor, wenn ein Ausdruck Konzepte bezeichnet, die im Gegensatz zueinander stehen.

(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Sprachatlanten und Wörterbücher im Alpenraum
(Zitieren)
- Romania alpina: ALF, AIS (Details), ALI, ALP, ALJA, ALEPO, CLAPie, APV, ALAVAL, ALD-I, ALD-II, ASLEF;
- Germania alpina: SDS, VALTS, BSA, SONT, TSA, SAO;
- Slavia alpina: SLA.
Darüber hinaus gibt es im Alpenraum auch zahlreiche Wörterbücher, die die Idiome von unterschiedlichen, mehr oder weniger großen, Sprachgebieten erfassen. Die Wörterbücher, die von VerbaAlpina verwendet werden, sind folgende:
- Romania alpina: DRG (Dicziunari Rumantsch Grischun), LSI (Lessico dialettale della Svizzera italiana), GPSR (Glossaire des patois de la Suisse romande), ALTR (Archivio lessicale dei dialetti trentini)
- Germania alpina: Idiotikon (Schweizerisches Idiotikon), BWB (Bayerisches Wörterbuch), WBOE (Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich).

(auct. Beatrice Colcuc | Thomas Krefeld)
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Sprachinseln (Zitieren)
- sprachliche Differenz (dialektal, einzelsprachlich) zur Umgebung
- kleinräumige Begrenzung relativ zur unmittelbaren Umgebung
Oft geht auch eine entsprechende ethnokultrelle Differenz der Sprachinselbewohner zu ihrer Umgebung einher, was jedoch im Zusammenhang damit steht, dass Sprachinseln oft auf eine gezielte Besiedelung zurückzuführen sind und die Menschen nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihre Sitten und Bräuche ihres Herkunftsgebiets mitnehmen.
Auch hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit können sich Sprachinselbewohner von ihrer Umgebung unterscheiden, da die Errichtung sogenannter "Kolonien" häufig auch religiöse Gründe hatte, wie beispielsweise bei den überseeischen Mennonitengemeinschaften oder den Siebenbürger Landlern in Rumänien.
Manche Sprachinseln verfügten auch über besondere Priviligien wie Zollfreiheit, Selbstbestimmung, Rodungsrecht usw. Mit diesen Mitteln versuchten manche Landesherren die Ansiedlung neuer Bevölkerung zum Zwecke der Urbarmachung attraktiv zu machen. Nicht zuletzt begünstigen topographische Hindernisse und damit die schwierige verkehrstechnische Erschließung die Beständigkeit einer Sprachinsel (vgl. Mattheier 1994, Wiesinger 1983).
Auch innerhalb des Untersuchungsgebiets von VerbaAlpina liegen zahlreiche, zum Teil nur noch historische, deutsche Sprachinseln in Oberitalien (vgl. Comitatio unitario delle isole linguistiche storiche germaniche in Italia).
Hierzu gehören in den Westalpen im Grenzgebiet zwischen Italien und der Schweiz die alemannischsprachigen Walsergemeinden:
- Gressoney/Greschoney (Aostatal)
- Issime/Èischeme (Aostatal)
- Campello Monti/Kampel (Provinz Vercelli)
- Rimella/Remmalju (Provinz Verbania)
- Carcoforo/Chalchoufe (Provinz Vercelli)
- Alagna Valsesia/Im Land (Provinz Vercelli)
- Formazza/Pumatt (Provinz Verbano Cusio Ossola)
- Fersental/Valle dei Mòcheni (Provinz Trient)
- Zimbrische Sprachinsel Lusérn/Luserna (Provinz Trient)
- Zimbrische Sprachinsel XIII Gemeinden, Ljetzan/Giazza (Provinz Verona)
- Zimbrische Sprachinsel VII Gemeinden, Robaan/Roana (Provinz Vicenza)
- Zimbrische Sprachinsel Kansilien (Provinz Belluno, Provinz Treviso)
- Sappada/Plodn (Friaul-Julisch Venetien)
- Sauris/Zahre (Friaul-Julisch Venetien)
- Timau/Tischlbong (Friaul-Julisch Venetien)
- Val Canale/Kanaltal (Friaul-Julisch Venetien)
Neben den Belegen aus dem Tirolischen Sprachatlas wurden über die Crowdsourcing-Seite des Projekts bereits wertvolle zimbrische bzw. fersentalerische Belege aus (A) Palai im Fersental, (B) Lusern und sogar aus der (C) Kommune Selva di Progno beigesteuert (vgl. 3144).
(auct. Markus Kunzmann)
Tags: Linguistik
Sprachkontakt
(Zitieren)
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik
Strata
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Von Sub- und Superstraten spricht man also nur rückblickend, aus der Sicht einer Zeit, in der die jeweiligen Sprachen im Untersuchungsgebiet nicht mehr gesprochen werden; dabei müssen oft große Zeitspannen überbrückt werden, so dass man sich kurzerhand an den sprachlichen Systemen orientiert und dort nach kontaktinduzierten Veränderungen, also nach den Resultaten des Sprachkontakts sucht. Für das eigentliche Verständnis der mutmaßlichen Sprachkontakterscheinungen ist jedoch die historische Periode der jeweiligen Zweisprachigkeit entscheidend, d.h. die Zeit, in der beide Sprachen neben- bzw. miteinander gesprochen wurden. Diese gleichzeitig gesprochenen Sprachen heißen 'Adstrate'. Damit muss jedoch unweigerlich eine synchronische Perspektive eingenommen werden, die nicht auf die 'Sprachen' beschränkt werden kann, sondern den 'Sprecher' mit seiner spezifischen Kompetenz und womöglich die konkrete Äußerung, das 'Sprechen' mitberücksichtigt. Das ist in historischer Perspektive zwar häufig unmöglich, muss jedoch grundsätzlich auch bei der Rekonstruktion der Stratigraphie bedacht werden, denn die Äußerung eines zweisprachigen Sprecher ist grundsätzlich anders als die eines einsprachigen zu beurteilen.
(auct. Thomas Krefeld)
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Stratigraphie
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Allgemeines
Die Alpen sind seit prähistorischer Zeit ein Gebiet vielfältiger Sprachkontakte, die auf ganz unterschiedliche Stratakonstellationen zurückgehen. Grundsätzlich werden Sprachen, die in einem Gebiet in Kontakt stehen, weil es dort mehr oder weniger viele zweisprachige Sprecher oder gar Sprechergemeinschaften gibt, als Adstrate bezeichnet. Falls ein Basistyp nur in einem bestimmten Gebiet verbreitet ist, also etwa in den Alpen, und in den betroffenen Sprachfamilien ansonsten nicht vorkommt, sind die Entlehnungsrichtung und die Herkunftssprache oft nicht eindeutig (vgl. den Basistyp roa. baita / deu. Beiz, Beisl).Wenn die Herkunftssprache des entlehnten Elements im Verbreitungsgebiet, oder in einem Teil davon, nicht mehr gesprochen wird, werden zwei Konstellationen unterschieden: Im Fall des Substrats wurde die Herkunftssprache (Substratsprache) im Verbreitungsgebiet gesprochen, bevor ihre Überlieferungskontinuität abriss und die geltende Sprache sich durchsetzte; das Romanische ist eine Substratsprache des gesamten deutsch- und slowenischsprachigen Alpengebiets. Substratwörter setzen zwar Sprachwechsel voraus; sie zeichnen sich aber trotzdem oft durch außerordentliche regionale oder lokale Kontinuität aus.
Im Falle des Superstrats galt die Herkunftssprache während eines gewissen Zeitraums im Verbreitungsgebiet, ohne sich dort dauerhaft zu etablieren. So herrschten in Teilen des heute romanischsprachigen Alpenraums nach dem Zusammenbruch der römischen Infrastruktur zeitweise germanische Superstrate (Gotisch, Langobardisch) und in Slowenien spielte das Deutsche während der langen Habsburgerzeit diese Rolle.
Zwischen den drei Sprachfamilien haben sich nun durchaus unterschiedliche Szenarien ergeben; hinsichtlich der Bedeutung des Sprachkontakts für die Geschichte des sprachlichen Raums ist vor allem die Chronologie der Entlehnung wichtig: Handelt es sich beispielsweise bei Romanismen im germanischen und slawischen Sprachraum um Substratwörter mit regionaler Überlieferungskontinuität seit der Antike oder um jüngere adstratale Übernahmen? Dieselbe Frage gilt mutatis mutandis ebenso für die Germanismen im romanisch- bzw. slawischsprachigen und die Slawismen im deutsch- und romanischsprachigen Raum.
Entlehnungen sind ein zuverlässiger Indikator historischer Akkulturationsprozesse; deshalb ist eine quantitative Darstellung angebracht, die es gestattet, die relative Häufigkeit der belegten Entlehnungen ortsgenau abzubilden. Die Akkulturationsrichtung ist jedoch keineswegs immer eindeutig; nicht selten koexistieren in eng definierten onomasiologischen Bereichen gegenläufige Entlehnungen. Die folgende Graphik schematisiert die stratigraphische Herausforderung. Sie differenziert die drei heute romanisch-, deutsch- und slowenischsprachigen Gebiete nach Substrat- und Superstratsprachen und symbolisiert (durch Kugeln) die mehrsprachigen Sprechergruppen in Adstratkonstellationen. Gleichzeitig wird die besondere historische Bedeutung der Romanisierung verdeutlicht (vgl. Märtin 2017, 102-129), die – wenn auch in sehr unterschiedlicher Intensität – den gesamten Alpenraum erfasste und deshalb wohl auch alles Ältere, Vorrömische vermittelte. Direkter Kontakt zwischen Sprechern vorrömischer Sprachen und Sprechern der das Lateinisch-Romanische gebietsweise überdeckenden nachfolgenden Sprachen (Slawisch und Germanisch) kann zwar nicht kategorisch ausgeschlossen werden; diese Annahme ist jedoch sicherlich problematisch.
AKTUELLE AREALE | Romanisch | Germanisch (Deu.) | Slawisch (Slow.) | |
ÖST. DEU. SUPERSTRAT | ||||
GERM. SUPERSTRAT | SLAW. SUB. | |||
ROMANISCHES SUBSTRAT | ||||
SPÄTANTIKE AREALE | Lateinisch-Romanisch | |||
VORRÖMISCHE SUBSTRATE | ||||
Sprachliche Stratigraphie des Alpenraums (vereinfachtes Schema) |
AKTUELLE AREALE | Romanisch (1) beurre/burro (m.) (2) butirro (m.) |
Germanisch (Deu.) die Butter (f.) ↑ |
Slawisch (Slow.) puter (Dial.) ↑ |
|
↑ | der Butter (m.) | → ÖST. DEU. SUPERSTRAT ↑ | ||
↑ | ↑ (2) | |||
↑ | ↑ ROMANISCHES SUBSTRAT | |||
SPÄTANTIKE AREALE | Varianten (1) bútyrum (2) butȳrum – Lateinisch-Romanisch | |||
Stratigraphie des Basistyps lat. butȳrum (nicht relevante Strata ausgeblendet) |
Vorrömische Zeit
Die neuzeitliche Verteilung der Sprachfamilien im Untersuchungsgebiet lässt die Alpen als eine Barriere, gewissermaßen als gewaltigen Sperrriegel erscheinen, insofern sie grosso modo den deutschsprachigen Raum (nördlich) vom romanisch- und slawischsprachigen Raum (südlich) trennt (Link). Das über den Alpenhauptkamm hinweg deutlich nach Süden ausgreifende, bairischsprachige Südtirol wirkt beinahe als Sonderfall. Diese 'Ansicht' ist in historischer Perspektive irreführend. Schon die ältesten sprachlichen Zeugnisse, Inschriften aus vorrömischer Zeit, sind in einem weitestgehend identischen Alphabet verfasst:
Die Verbreitung dieser meist als 'rätisch' bezeichneten, nicht entzifferten Texte (vgl. Schumacher 2004) reicht von den Nordalpen (Steinberg am Rofan, in der Nähe des Achensees) bis nach Padua; sie lässt sich nur vor dem Hintergrund eines die Alpen überschreitenden kulturellen Zusammenhangs verstehen: In diesem Alphabet wurden, grosso modo, auch die uns erhaltenen Dokumente des Etruskischen geschrieben; es geht offensichtlich auf eine antike westgriechische Schrift zurück.
Römische Zeit
Die Römer haben dann den zentralen Alpenraum zwischen 25 und 15 v.Chr. erobert; das Tropaeum Alpium in La Turbie, oberhalb von Monaco, berichtet von 46 eroberten Stämmen, deren Namen sich teils bis heute erhalten haben. Die Inschrift ist leider nur in Bruchstücken erhalten, konnte jedoch durch die Naturgeschichte von Plinius dem Älteren (3, 136-137) vollständig rekonstruiert werden:
"Imperatori Caesari divi filio Augusto / pont(ifici) max(imo) imp(eratori) XIIII trib(unicia) pot(estate) XVII / senatus populusque Romanus / quod eius ductu auspiciisque gentes Alpinae omnes quae a mari supero ad inferum pertinebant sub imperium p(opuli) R(omani) sunt redactae / gentes Alpinae devictae Trumpilini Camunni Vennonetes Vennostes Isarci Breuni Genaunes Focunates / Vindelicorum gentes quattuor Cosuanetes Rucinates Licates Catenates Ambisontes Rugusci Suanetes Calucones / Brixentes Leponti Viberi Nantuates Seduni Veragri Salassi Acitavones Medulli Ucenni Caturiges Brigiani / Sogiontii Brodionti Nemaloni Edenates (V)esubiani Veamini Gallitae Triullatti Ectini / Vergunni Egui Turi Nemeturi Oratelli Nerusi Velauni Suetri" (Datenquelle: Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby)
Die folgende Übersicht zeigt die Namen aus der Aufzählung, die sich allem Anschein nach in aktuellen Namen identifizieren lassen.auf dem Trop.Alpium erwähnter Name | aktueller Name | Geodaten (Breite ; Länge) |
Trumpilini | Val Trompia | 45°44'5.87"N ; 10°12'2.20"E |
Camunni | Val Camonica | 45°57'17.71"N ; 10°17'21.08"E |
Vennonetes | Vinschgau | 46°39'44.81"N ; 10°34'39.75"E |
Venostes | 46°39'44.81"N ; 10°34'39.75"E | |
Isarci | Vgl. die Flussnamen Isère, Isar, Isarco (= deu. Eisack | 47°23'13.25"N ; 11°16'30.42"E |
Breuni | Brenner | 47° 9'59.75"N ; 11°25'0.14"E |
Licates | Flussname Lech (lat. Likias [2 Jh. n. Chr.], später Licca [570 n. Chr.] | |
Brixentes | eventuell der Gemeindename Brixen | 47°30'2.70"N ; 9°44'32.31"E |
Leponti | Val Leventina | 46° 6'47.60"N ; 8°17'31.10"E |
Seduni | Sitten im Kanton Wallis, Schweiz | 46°13'59.25"N ; 7°21'37.80"E |
Caturiges | der Gemeindename Chorges (Dép. Hautes-Alpes) | 44°32'44.67"N ; 6°16'31.60"E |
Brigiani | der Gemeindename Briançon | (Dép. Hautes-Alpes)44° 53′ 47″N, 6° 38′ 08″E |
Ectini | eventuell der Flussname Tinée | 43°55'0.23"N ; 7°11'14.69"E |
Vergunni | der Gemeindename Vergons (Dép. Alpes-de-Haute-Provence) | 43°19'23.90"N ; 6°17'3.20"E |
Im Gefolge der Eroberung richten die Römer im geographischen Anschluss an die Gallia Cisalpina Provinzen ein, die entweder in den Alpen selbst angesiedelt sind (Alpes Maritimae, Nr. 3 auf der folgenden Skizze; Alpes Cottidae, Nr. 2 auf der Skizze; Alpes Poeniae auch: Alpes Graiae, Nr. 1 auf der Skizze) oder aber die Alpen nach Norden überschreiten Raetia, Noricum):
Römische Alpenprovinzen (Ausschnitt aus dieser Quelle)
Die römische Provinzeinteilung im alpinen Raum ist im einzelnen nicht leicht zu beurteilen; insbesondere fällt es schwer, sie direkt auf sprachlich-ethnische Verhältnisse abzubilden. Das größte Rätsel bilden die Raetii 'Räter', d.h. die Namensgeber einer der beiden großen Provinzen im Alpenraum. Über sie konnte sehr wenig und allenfalls Archäologisches in Erfahrung gebracht werden, abgesehen von der kaum bezweifelbaren, allgemeinen Forschungsmeinung, dass es sich nicht um Indogermanen handelte (vgl. dazu Jürg Rageth im HLS). Es ist fraglich, ob sie mit den Etruskern identifiziert werden können; für eine Verbindung sprechen die alpinen Inschriften im etruskischen Alphabet. Allerdings decken sich die Fundorte gerade nicht mit den Provinzgrenzen. Überhaupt deckt sich das Territorium der Raetia höchstwahrscheintlich nicht mit dem Wohngebiet der Räter und auch die spätere Teilung in eine Raetia prima mit der Hauptstadt Curia (heute: Chur) und eine Raetia secunda mit der Hauptstadt Augusta Vindelicorum (heute: Augsburg), ist in dieser Hinsicht keineswegs eindeutig. Die Funde der letzten vorchristlichen Jahrhunderte aus Chur "scheinen eher einem kelt. als einem rät. Kulturkreis nahe zu stehen" (Jürg Rageth im HLS) und die auf dem Tropaeum Alpium erwähnten Vindeliker werden von der Forschung einhellig als Kelten beschrieben; man beachte auch die Kontinuität des Provinznamens Raetia in Gestalt des heutigen Landschaftsnamens Ries (vgl. die Karte zu den römischen Inschriften in dieser Gegend nordwestlich von Augsburg).
In jedem Fall darf man davon ausgehen, dass der nordalpine Raum intensiver romanisiert war als die eigentliche Gebirgszone; es liegt daher nahe, in spätrömischer Zeit von einer stärkeren Ähnlichkeit zwischen dem nord- und südalpinen Alpenvorland auszugehen, als zwischen den Alpen'vorländern' und der Gebirgszone. Eine große, kaum geklärte Frage betrifft die Fortdauer der vorrömischen Sprachen nach der Eingliederung des Gebiets in das Imperium Romanum. Es ist ja grundsätzlich denkbar, dass die germanischen und slawischen Einwanderer oder Invasoren nicht nur auf ein lateinisch-/romanischsprechende Bevölkerung, sondern womöglich auch noch auf Kelten trafen. In diesem Fall, dessen Wahrscheinlichkeit schwer einzuschätzen ist, hätten sprachliche Elemente unmittelbar aus vorrömischen Sprachen (jedenfalls aus dem Keltischen) ins Germanische und Slawische entlehnt werden können. In der Regel muss man jedoch davon ausgehen, dass alles Vorrömische in romanisierter Gestalt, d.h. als romanische Form an die nachrömischen Strata vermittelt wurde.
Zur unterschiedlich starken, womöglich speziell inneralpin schwächeren Romanisierung sind die archäologischen Erkenntnisse über die Lepontier aufschlussreich:
"Als Folge der röm. Expansion in der Poebene kamen die L. ab dem 2. Jh. v.Chr. schrittweise mit römisch geprägten Sitten und Gebräuchen in Kontakt und sie übernahmen erneut – in einem radikal veränderten hist. Umfeld – die Rolle von Mittlern zwischen der Nord- und der Südseite der Alpen. Mit den Feldzügen des Augustus (35-15 v.Chr.), deren Ziel die Unterwerfung der Alpenvölker zur Sicherung der Handelswege und des militär. Durchgangs durch die Alpen war, wurden die L. ins röm. Verwaltungs- und Wirtschaftssystem integriert. Trotz tiefgreifender Akkulturationsprozesse überlebten einige traditionelle Elemente der L., besonders bei der weibl. Bekleidung und den Bestattungsriten, bis ins 2.-3. Jh. n.Chr." (Gianluca Vietti im HLS)
In jedem Fall ist es zum Verständnis möglicher Sprachkontaktszenarien sinnvoll, georeferenzierbare historische Daten in die Datenbank mit aufzunehmen, also zum Beispiel archäologische Funde, das spätantike Straßenverzeichnis der so genannten Tabula Peutingeriana (Link_1, Link_2), die römischen Alpenpässe, die römische Epigraphik usw. So zeigt diese Karte einerseits, dass die früh im bairischen Raum gegründeten Klöster und die ersten germanischen Funde sich offenkundig an romanische Infrastruktur anlagern, die sich in Gestalt von Inschriften, antiken Ortsnamen und der frühmittelalterlichen Bezeichnung anwesender Romanen (Walchen) manifestiert. Andererseits ist in eben diesen Verdichtungsgebieten gleichzeitig mit mutmaßlich frühen Entlehnungen zu rechnen, wie caseareus, -a zeigt.
(auct. Thomas Krefeld)
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Stratigraphie und Onomasiologie
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Das spricht in unmissverständlicher Weise dafür, dass die entsprechenden grundlegenden Kulturtechniken im Alpenraum sehr alt sind und an jeweils hinzukommende Ethnien und ihre Sprachen weitergegeben wurden. Aber es wäre natürlich zu einfach, bestimmte onomasiologische Teilbereiche zur Gänze mit bestimmten sprachlichen 'Schichten' zu verknüpfen. Es ist vielmehr bemerkenswert, dass gerade auch Entlehnungen in entgegengesetzter Richtung belegt sind und daher dauerhafter gegenseitige kultureller Austausch anzunehmen ist. Charakteristisch sind die komplementären Bezeichnungstypen für das Konzept BUTTER. Während sich im Bairischen der romanische Typus Butter durchgesetzt hat, ist der deutsche Typ Schmalz in einem Teil der romanischen Mundarten etabliert: Vgl. die synoptische Karte der Basistypen butyrum und Schmalz.
Es scheint also, als ob sich das Auslassen, d. h. das Schmelzen (daher Schmalz) der Butter als elementare Konservierungstechnik ausgehend vom deutschsprachigen Gebiet nach Süden verbreitet hätte.
Ein vergleichbares Bild geben die Bezeichnungstypen lat. stabulu(m) und deu. Stall für einfache Almgebäude: Vgl. die synoptische Karte zu den Basistypen lat. stabulu(m) und deu. Stall.
(auct. Thomas Krefeld)
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Stratigraphie: Romanismen
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(1) Exklusiv dialektale Romanismen
-
Diese Kategorie, zu der die lokalen Varianten ohne Entsprechungen in der Standardsprache gehören, bildet gewissermaßen die prototypischen romanischen Entlehnungen des Alpenraums; es handelt sich in aller Regel um Substratwörter, d.h. um solche Ausdrücke, die in der Zeit der romanisch-germanischen bzw. romanische-slawischen Zweitsprachigkeit entlehnt wurden und den späteren Sprachwechsel zur germanischen bzw. slawischen Einsprachigkeit grosso modo ortsfest als Relikte überdauert haben. Ein eindeutiges Beispiel liefert der morpho-lexikalische Typ Käser, der so wie sein romanisches Äquivalent casera auf den Basistyp lat. caseu(m) zurückgeht: Vgl. die Karte zum morpho-lexikalischen Typ casera.
(2) Dialektale Romanismen mit Entsprechungen in der Standsprache und in den romanischen Dialekten des Untersuchungsgebiets
- Da auch bei dieser Gruppe sowie im Falle von (1) eine areale Verbreitung gegeben ist, die die aktuellen Grenzen der Sprachfamilien überschreitet, liegt es nahe, die standardsprachlichen Varianten auf die dialektalen Formen zurückzuführen. Diese Kategorie der Romanismen kann daher auch über den Alpenraum hinaus sprachgeschichtliches Interesse beanspruchen. Ein eindeutiges, in der Etymologie des Standarddeutschen verkanntes Beispiel liefert deu. Butter.
Dieses Muster der primären süddeutschen Entlehnung und ihrer sekundären Verbreitung ins Standardeutsche scheint jedoch nicht immer eindeutig, da auch die Möglichkeit der umgekehrten Verbreitungsrichtung aus dem Standard in die Dialekte des Untersuchungsgebiets in Betracht gezogen werden muss. So könnte man eventuell die deutschen Entsprechungen des Basistyps lat. cellārium sehen.
Sowohl im Fall der exklusiv dialektalen wie der dialektal-standardsprachlichen Romanismen sind im Einzelnen substratale lokale Relikte und adstratale Entlehnungen mit sekundärer arealer Verbreitung zu unterscheiden.
(auct. Thomas Krefeld)
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Transkription
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(1) Inputversion in der Originaltranskription
Im VA-Portal werden Quellen zusammengeführt, die aus unterschiedlichen Fachtraditionen stammen (Romanistik, Germanistik, Slavistik) und die historisch unterschiedliche Phasen der dialektologischen Forschung repräsentieren; manche Wörterbuchdaten wurden zu Beginn des letzten Jahrhunderts (GPSR) und andere erst vor wenigen Jahren (ALD) erhoben. Deshalb ist es wissenschaftsgeschichtlich notwendig, die Originaltranskription weitestgehend zu respektieren. Aus technischen Gründen ist es allerdings unmöglich, bestimmte Konventionen unverändert zu erhalten; das gilt insbesondere für die vertikale Kombination von Basiszeichen (‘Buchstaben’) und diakritischen Zeichen, also etwa dann, wenn ein Betonungsakzent über einem Längenzeichen über einem Vokal über einem Schließungszeichen positioniert ist (Betacode). Diese Konventionen werden in jeweils definierten technischen Transkriptionen in lineare Folgen von Zeichen überführt, wobei ausschließlich ASCII-Zeichen benutzt werden (so genannter Betacode). Bis zu einem gewissen Grad können bei der Beta-Kodierung intuitiv verständliche graphische Ähnlichkeiten zwischen den Originaldiakritika und den ASCII-Entsprechungen ausgenützt werden; sie sind mnemotechnisch günstig.
Eine vollständige Liste der Regeln für die Originaltranskription findet sich unter Transkriptionsregeln.
(2) Outputversion in IPA
Im Sinne der Vergleichbarkeit und auch der Nutzerfreundlichkeit ist zudem die Ausgabe in einer einheitlichen Transkription wünschenswert. Alle Beta-Codes werden daher mit spezifischen Ersetzungsroutinen in IPA-Zeichen überführt. Einige wenige, aber unvermeidbare Unverträglichkeiten ergeben sich vor allem dann, wenn einem, durch Diakritika spezifizierten Basiszeichen in der Inputtranskription in IPA zwei unterschiedliche Basiszeichen entsprechen. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Öffnungsgrade der Vokale, wo z. B. in der palatalen Reihe die beiden Basiszeichen <i> und <e> in Verbindung mit Schließungspunkt und einem oder zwei Öffnungshäkchen es erlauben, sechs Öffnungsgrade abzubilden; in Beta-Kodierung sind das: i – i( – i((– e?-- e – e(– e((. Dafür stehen in IPA nur vier Basiszeichen i – ɪ – e – ɛ zur Verfügung.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik Informationstechnologie
Typisierung
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Im Zentrum des Interesses von VerbaAlpina steht die morphologische Typisierung des gesammelten Sprachmaterials. Ein morphologischer Typ wird dabei durch Übereinstimmung der folgenden Eigenschaften definiert: Sprachfamilie – Wortart – einfaches Wort vs. affigiertes Wort – Genus – lexikalischer Basistyp. Die Nennform des morphologischen Typs schließlich orientiert sich an den korrespondierenden Lemmata ausgewählter Referenzlexika (s.u.).
Durch die Zuweisung zu einem gemeinsamen lexikalischen Basistyp wird die Zusammengehörigkeit aller vereinigten morpho-lexikalischen Typen klar – auch über Sprachgrenzen hinweg. So lassen sich die folgenden (hier nicht im Detail beschriebenen) Nomina und Verben einem einzigen Basistyp malga zuweisen: malga (ALM, HERDE), malgaro (SENN), malghese (HIRTE), immalgare (ALM BEZIEHEN), dismalgare (ALM VERLASSEN). Allerdings sagt der lexikalische Basistyp nichts über die Wortgeschichte der einzelnen morpho-lexikalischen Typen aus: Ob ein Typ mit lateinisch-romanischem Etymon, der heute im germanischen oder slowenischen Sprachgebiet belegt ist, wie z. B. slowenisch bajta 'einfaches Haus', auf altes lokales Substrat zurückgeht oder aber auf neueren romanischen Sprachkontakt, muss jeweils einzeln herausgearbeitet werden. Aus diesem Grund wird die Bezeichnung "Etymon", die sich grundsätzlich auf die unmittelbare historische Vorstufe eines Wortes bezieht, in diesem Kontext vermieden – auch wenn in vielen Fällen der lexikalische Basistyp tatsächlich auch das Etymon eines morpho-lexikalischen Typs ist. Die Basistypen, die von den Referenzwörterbüchern als unbekannt oder umstritten gekennzeichnet sind, werden durch eine zusätzliche Voranstellung eines Fragezeichens markiert, wie im Beispiel: (?) battuere. Wenn im Prozess der Typisierung die Bestimmung des Basistyps nicht möglich ist, verwendet VerbaAlpina einen unbekannten Typ, der mit einem ? markiert wird.
Die morpho-lexikalischen Typen bilden die Leitkategorie in der Verwaltung der sprachlichen Daten; sie sind den Lemmata der Lexikographie vergleichbar. Mittels der oben genannten, robusten und gut operationalisierbaren Kriterien lassen sich z.B. die vier phonetischen Typen barga, bark, margun, bargun mit der Bedeutung ALMHÜTTE, ALMSTALL auf drei morpho-lexikalische Typen reduzieren:

Die Zugehörigkeit der morpho-lexikalischen Typen zu Sprachfamilien (gem., roa., sla.) hängt von der jeweiligen Quelle ab; sie ergibt sich im Fall traditionell erhobener Atlas- oder Wörterbuchdaten automatisch über die jeweiligen Informanten und wird entsprechend in der Datenbank notiert. Zeigen einzelne Wörter in bestimmten Varietäten ein Suffix, das aber keinen Genuswechsel mit sich bringt, so wird kein gesonderter morpho-lexikalischer Typ angelegt (vgl. bar. Nom. Sg. die Wiesn vs. deu. die Wiese), da die Bündelung der Belege im Vordergrund steht. Im Fall der Daten, die VerbaAlpina selbst durch Crowdsourcing erhebt, wird die Sprach- bzw. Dialektzugehörigkeit von den Informanten behauptet und im Idealfall quantitativ bestätigt; die Anzahl von bestätigenden Informanten wird so zu einem Instrument der Datenvalidierung.
Morpho-lexikalische Typen sind auf eine Sprachfamilie beschränkt. Es stellt sich nun die Frage, durch welche Form ein morpho-lexikalischer Typ in der Suchfunktion der interaktiven Karte repräsentiert werden soll. Im Hinblick auf die germanische und slawische Sprachfamilie fällt die Antwort eher leicht, da beide jeweils nur durch eine standardisierte Einzelsprache ('Deutsch' [deu] bzw. 'Slowenisch' [slo]) vertreten sind. Die morpho-lexikalischen Typen können in Gestalt ihrer standardsprachlichen Varianten abgebildet werden, selbstverständlich unter der Bedingung, dass es im Standard Entsprechungen des Typs gibt; so können beispielsweise alle entsprechenden phonetischen Typen des Alemannischen und Bairischen, die Varianten der Standardform
Im Fall der romanischen Sprachfamilie ist die Situation wegen der zahlreichen, teils nicht hinreichend standardisierten Kleinsprachen sehr viel komplexer. Aus pragmatischen Gründen wurde hier der folgende Weg gewählt: Alle morpho-lexikalischen Typen werden, sofern vorhanden, durch die französischen und italienischen Standardformen repräsentiert; so können z. B. alle phonetischen Typen, die Varianten von beurre/burro 'Butter' sind, unter diesen beiden Formen aufgerufen werden; als Referenzwörterbücher fungieren u.a. TLF und Treccani. In entgegengesetzter Perspektive werden jeder Einzeläußerung alle drei Typen, ein Konzept sowie ein Verweis auf ein Referenzwörterbuch zugeordnet: Vgl. Karte Konzept RAHM
Falls nur eine dieser beiden Standardsprachen eine passende Variante hat, erscheint nur diese, wie im Fall von ricotta (die Zugehörigkeit zum Italienischen wird durch die Notationskonvention -/ricotta angezeigt). Wenn in keiner der beiden romanischen Referenzsprachen eine Variante des Typs existiert, wird auf den Eintrag eines dialektalen Referenzwörterbuchs zurückgegriffen, etwa auf LSI. Für den Fall, dass keine verlässlichen Einträge in Dialektwörterbüchern verfügbar sind, schlägt VerbaAlpina einen Basistyp mitsamt grafischer Repräsentation ('VA') vor.
Im Gesamtkonzept und der technischen Umsetzung vorgesehen, jedoch peripher und demnach nicht konsequent umgesetzt, ist die phonetische Typisierung des Sprachmaterials. Die entsprechende Kategorie ist vor allem deswegen unentbehrlich, weil Sprachatlanten bisweilen (z. B. SDS und VALTS) und Wörterbücher ausschließlich phonetische Typen dokumentieren. Bei der phonetischen Typisierung durch VerbaAlpina werden die Tokens nach Kriterien der historischen Phonetik in phonetische Typen eingeteilt (Datenbankfeld 'phon_typ'). Dazu ein charakteristisches Beispiel (aus AIS 1204 LA PANNA | RAHM | CRÈME):

Nach Maßgabe der Phonetik ist es sinnvoll, die Anlautvarianten [kr-] und [gr-] sowie die Tonvokalvarianten [a], [e] und [o] vor [m] zu differenzieren. Sie erscheinen daher als unterschiedliche 'phonetische Typen'. Gleichzeitig ist es klar, dass es sich um lautliche Varianten ein und desselben morpho-lexikalischen Typs handelt, denn es gibt zahlreiche analoge Fälle von Lautwandel. Da sich jedoch keinerlei Evidenz für einen Wandel von [kr-] > [br-] findet, wäre es nicht sinnvoll die entsprechenden dolomitenladinischen Formen (brama) ebenfalls dazu zu stellen. Sie repräsentieren daher trotz der Ähnlichkeiten im Tonvokal und im Silbenauslaut [-ama] einen anderen morpho-lexikalischen Typ.

Eine Automatisierung der phonetischen Typisierung auf Basis von Levenshtein- und soundex-Algorithmen wird untersucht und wenn möglich umgesetzt werden; allerdings wird in jedem Fall ein starker Korrekturaufwand entstehen. Etwa die beiden historisch zusammengehörigen Formen krama und gromma unterscheiden sich rein numerisch im Sinn der Levenshtein-Distanz durch die Menge an Zeichenersetzungen die durchgeführt werden müssen, um eine Form in die andere zu transformieren, stärker als die nicht zusammengehörigen Formen krama und brama.

Durch die Typisierung (Klassenbildung) wird die Datenvielfalt zunehmend übersichtlich; es gilt also in der Regel: Zahl der Tokens > Zahl der phonetischen Typen > Zahl der morpho-lexikalischen Typen > Basistyp. Man beachte jedoch den Extremfall eines einzigen Belegs (Hapax), der einem Token, einem phonetischem Typ und einem morpho-lexikalischen Typ als einzigem Vertreter eines Basistyps entspricht. U.U. ist es sinnvoll, solche Hapax-Formen in der Darstellung herauszufiltern.
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
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Wissenshorizont
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(1) über außersprachliche Realität (‘Sachen’),
(2) über Konzepte, oder: inhaltliche, bzw. onomasiologische Kategorien, die nicht an einzelne Sprachen oder Dialekte gebunden sind,
(3) über sprachliche Ausdrücke der untersuchten Sprachen und Dialekte.
Die getrennte Behandlung von (2) und (3) ist grundlegend, da ja die relevanten Konzepte durchaus nicht immer im gesamten Untersuchungsgebiet mit spezifischen Bezeichnungen belegt (‘lexikalisiert’) sind; so gibt es z. B. in weiten Teilen des bairischen Gebiets kein Wort für den aus Molke hergestellten so genannten Käse (vgl. dafür gsw. (alemannisch) Ziger, ita. ricotta, fra. sérac), während es z.B. für die frische, noch ungeformte Käsemasse (bar. Topfen, deu. Quark) in den romanischen Dialekten oft, so wie auch im Standarditalienischen, keine Bezeichnung gibt. Das Verhältnis von (1) auf der einen Seite und (2) und (3) auf der anderen ist gelegentlich auch problematischer als es auf den ersten Blick erscheint; so finden sich manchmal sprachliche Ausdrücke mit unklarem semiotischen Status, weil aus den Belegen nicht hervorgeht, ob es sich um Bezeichnungen von Konzepten oder aber womöglich um Namen für Dinge handelt; das ist z. B. der Fall, wenn ein Sprecher eine ganz bestimmte Alm, etwa diejenige, die er selbst nutzt, mit einem generischen Wort als munt wörtlich ‘Berg‘ oder als pastüra ‘Weide‘ tituliert.
(auct. Thomas Krefeld)
Tags: Linguistik Außersprachlicher Kontext