Lexicon alpinum

ALM - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Der Begriff ALM oder auch ALP (Schweizer Standarddeutsch) umfasst die über dem Talboden gelegene Hochweidestufe, "die wegen ihrer räumlichen Entfernung von den Heimgütern und der durch die Höhenlage bedingten klimatischen Verhältnisse nur während der Sommermonate zu einer weidewirtschaftlichen Nutzung geeignet" (Eibl/Kremer 2009, 37) ist, sowie die zugehörigen, mehr oder weniger einfachen Gebäude für das Almpersonal und/oder Almvieh (Jungvieh, Milchvieh; vor allem Kühe, Schafe, Ziegen, auch Pferde). Neben der Weidewirtschaft steht die Milchverarbeitung im Mittelpunkt des ALMWESENS; privatrechtliche und genossenschaftliche Betriebsformen sind zu unterscheiden, obwohl die Sprachatlanten diesen Unterschiede nicht systematisch berücksichtigt haben (vgl. die klassische Darstellung von Weiss 1992 sowie Baer 2000 und neuerdings Eibl/Kremer 2009, 7-17 sowie Bätzing 1997, 18-23, HLS s.v. Alpen, Kap. 3).

(auct. Thomas Krefeld)

ALMHÜTTE - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Ebenso wie die Milchverarbeitung ist auch die Existenz von "zugehörigen, festen Steinbauten aus dem 1. Jahrtausend v.Chr. als einfache alpwirtschaftliche Installationen, | die primär dem täglichen Melken des Alpviehs sowie der erforderlichen Weiterverarbeitung der Milch gedient haben" (Reitmaier 2016, 26 f.) mittlerweile archäologisch gesichert.

(auct. Thomas Krefeld)

Anke (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Zu diesem Typ (vgl. Id. I: 341) findet sich im Kluge der folgende, kurze Eintrag:

„Anke(n), (durch Butter ersetzt) Sm ‛Butter’ per. wobd. (8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko
Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwōn m. ‛Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. (weur.) *ongwen- ‛Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ‛Fett, Salbe’, air. imb ‛Butter’ (*ṇgwen-) zur Verbalwurzel ig. *ongw- ‛salben’ in ai. anákti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ‛Salbe, Schmiere’.“ (Kluge 2011, 47)

Hier wird einerseits ein einleuchtender Zusammenhang offengelegt; andererseits wird daraus jedoch ein unwahrscheinlicher wortgeschichtlicher Schluss gezogen: Kluge interpretiert das Wort als isoliertes indogermanisches Relikt, obwohl es doch viel näher läge, diesen südwestdeutschen (alemannischen) Typ aus dem Lateinisch-Romanischen zu erklären (vgl. unguere). Die erwähnte lateinische Basis mit dem Velar ist zwar im unmittelbar angrenzenden romanischen Kontaktgebiet durch die Variante *ŭngĕre (REW 9069) verdrängt worden, wie an der Palatalisierung des g in surs. unscher, eng. uondscher, ita. ungere u.a. (vgl. HWbR, 971) zu erkennen ist. Im heute französischen Gebiet herrschen jedoch Kognaten von lat. ŭnguĕre (vgl. FEW 14, 36 f.); darunter sind auch Formen mit eindeutigem semantischen Bezug zur Milchverarbeitung, wie ogner 'donner son lait | Milch geben' (mit Wechsel der Konjugationsklasse) und ogna 'quantité de lait que donne une vache en une fois | Menge Milch, die eine Kuh auf ein Mal gibt'. Aus dem Partizip unctum ist im Übrigen die im romanischsprachigen Teil des VA-Gebiet gut belegte friaul. Bezeichnung der BUTTER ont, lad. onto, vonto (vgl. rum. unt) geworden. Die hiermit vorgeschlagene Entlehnung aus dem Lateinisch-Romanischen ist lautlich möglich und semantisch selbstverständlich, wenn man an die zahlreichen anderen Romanismen in diesem onomasiologischen Bereich denkt. Im Hinblick auf die viel weitere Verbreitung des Typs butyru(m) liegt es weiterhin nahe, in den aus den Verbvarianten ŭnguĕre, *ŭngĕre abgeleiteten Bezeichnungen einen älteren Typ zu sehen, der später durch butyru(m) überlagert wurde.

(auct. Thomas Krefeld)

babeurre (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Das fra. babeurre ‘Buttermilch’ ist ein Kompositum aus zwei Basistypen: bassus 'niedrig' und butyrum ‘Butter’ (vgl. TLFi: s.v. “babeurre”). Vorangestelltes fra. bas drückt in der Regel eine negative Wertung aus; die bei der Butterherstellung enstehende BUTTERMILCH wird also nur als Abfallprodukt angesehen, da sie zum größten Teil Wasser enthält. Die Bauern in den Alpen haben sie nur sehr selten konsumiert, hauptsächlich wurde sie in der Zigerherstellung weiterverwendet oder aber an die Schweine verfüttert.

(auct. Myriam Abenthum)

baita - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Die Etymologie ist unklar; es werden Herleitungen aus der isolierten Sicht einzelner Sprachfamilien vorgeschlagen, die dem großen Verbreitungsgebiet im Deutschen, im Romanischen und im Slowenischen nicht gerecht werden.
Aus italianistischer Sicht schlägt DELI rom. baita, bait wahta vor – ohne jedoch das slow. bajta 'schlechtes Haus' einzugehen oder das alem. Beiz, bair. Boazn, Beisl 'Kneipe' zu berücksichtigen (der weit verbreitete Typ fehlt leider im SDS, im Idiotikon und im BSA); die genannten germanischen Formen mit ts, s können so nicht erklärt werden.
Aus germanistischer Sicht leitet Kluge 2011, 106 die alem. und bair. Formen aus jiddisch bajis 'Haus' bajit 'Haus' ab, was nicht zum rom. t passt (vgl. EWD I, 203). Direkte Vermittlung aus dem Hebräischen (ohne jidd. Vermittlung also) ist angesichts des großen Areals und des Bezugs zum bergbäuerlichen Alltag historisch wenig plausibel. Die Semantik der romanischen Formen ('Hütte, Almhütte, Stall' u.ähnl.) sowie die slowenischen Belege ('schlechtes Haus') liefern keine Motivationen für die Annahme einer großräumigen Verbreitung einer ursprünglich adstratalen Entlehnung aus dem friaulisch-slowenischen Kontaktgebiet; viel plausibler erscheint die substratale Entlehnung aus dem vorslawischen und vorgermanischen Altromanischen der Ostalpen. Letztlich scheint es sich um ein vorrömisches Alpenwort zu handeln.

(auct. Thomas Krefeld)

*barica (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

Vgl. DRG 2, 179-189 und 192-197 zum Derivat bargun, margun.

bassus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Dieser Basistyp geht zurück auf das lat. Etymon bassus ‘niedrig’ (vgl. REW 978). Im klassischen Latein ist es eigentlich nur als Zusatz zu Familiennamen belegt im Sinne von ‘der Dicke’ (vgl. Georges 1: 793). In den meisten Glossen erhält es in adjektivischer Verwendung die abwertende Bedeutung ‘fett, dick, untersetzt’, was auch die eigentliche Bedeutung des Wortes ist. Es ist hier also nicht niedrig im Sinne von ‘tiefliegend’ gemeint (vgl. FEW 1: 275). Im Französischen wurde daraus das Adjektiv bas, das je nachdem, ob es vor oder nach dem Substantiv steht, seine Bedeutung ändern kann. Wenn man einem Substantiv eine äußere oder geographische Eigenschaft zuschreiben möchte, steht es nach dem Substantiv. Möchte der Sprecher allerdings eine subjektive Wertung ausdrücken, steht es vor dem Substantiv, welches dadurch abgewertet wird (vgl. TLFi: s.v. “bas”). Das fr. babeurre ‘Buttermilch’ ist eine Komposition aus zwei Basistypen: bassus und butyrum ‘Butter’ (vgl. TLFi: s.v. “babeurre”). In der Verbindung mit fr. bas kommt zum Ausdruck, dass die Buttermilch nur als Abfallprodukt angesehen wurde. Sie entsteht bei der Butterherstellung und enthält zum größten Teil Wasser. Die Bauern in den Alpen haben sie nur sehr selten konsumiert, hauptsächlich wurde sie in der Zigerherstellung weiterverwendet oder aber an die Schweine verfüttert.

(auct. Myriam Abenthum)

brama (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Der für das Ladinische charakteristische Typ brama unterscheidet sich nur im Tonvokal [a] vom Typ bruma; offenkundig ist er unter Einfluss von crama entstanden. Da aber das dolomitenladinische Gebiet nicht von Galliern besiedelt gewesen zu sein scheint (##Beleg, Quelle##), ist das ursprünglich gallische crama dort nicht als Substratwort anzusehen; die Verschmelzung der beiden Typen kann vielmehr dadurch erklärt werden, dass gall., bzw. dann rom. crama von Westen her bis in das zentralladinische Gebiet vorgedrungen ist und sich dort mit dem ursprünglich verbreiteten, lat. Typ bruma vermischt hat, was schließlich die ladinischen Wortformen des Typus brama ergab (vgl. Karte). Dies muss vor der Germanisierung des Eisack- und Etschtals geschehen sein (vgl. EWD I: 337-338).

(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

*brenta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

vgl. HdR 1, 121. S

*brod (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Dieser Basistyp kann anhand von anord. brot ‘Fleischbrühe’, e. broth, mndl. brode, ahd. proth ‘Brühe’ auf germanischen Ursprung zurückgeführt werden. Daraus haben sich auch it. brodo, broda, piem. breu oder kat. brou entwickelt. BRÜHE war eine typische Speise der Germanen, die Römer kannten sie nicht. Das ist der Grund, warum das Wort aus dem Germanischen in die romanischen Sprachen entlehnt wurde. Es hat aber neben seiner eigentlichen Bedeutung ‘Brühe’ auch noch die sekundäre Bedeutung ‘Schaum’ entwickelt, welche in die Terminologie der Milchverarbeitung eingedrungen ist. So finden sich im Galloromanischen Ableitungen wie zum Beispiel brou de beurre ‘Butterschaum’ oder brôe ‘Schaum auf der Milch’ (vgl. FEW 15/1: 291-300). Eine Übertragung auf das Konzept BUTTERMILCH ist im VerbaAlpina-Gebiet für Trient belegt.

(auct. Myriam Abenthum)

*brottiare (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Dieser vermutlich aus einem vorrömischen Substrat stammende Basistyp wird im VerbaAlpina-Gebiet durch den morpho-lexikalischen Typ brousse vertreten.

(auct. Thomas Krefeld)

brousse (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Dieser morpho-lexikalische Typ ist über das Frankoprovenzalische und Okzitanische hinaus auch im Katalanischen und Korsischen (brocciu) belegt (vgl. TLFi s. v. brousse 2). Die früher angenommene Herleitung aus dem Gotischen ist im Hinblick auf diese Verbreitung (vor allem in Korsika) und die Onomasiologie (MILCHVERARBEITUNG, inbesondere: FRISCHKÄSE AUS SCHAFS- UND ZIEGENMILCH) wenig plausibel. Viel überzeugender ist die von Ernest Schüle vorgeschlagene vorrömische Etymologie, die TLFi im Resümee der Wortgeschichte erwähnt:
"D'apr. Brüch dans Z. rom. Philol. t. 35, p. 635, GAM. Rom.1t. 1, p. 369, t. 2, p. 38 et Gamillscheg dans Z. rom. Philol. t. 40, p. 148, ce groupe de mots est issu du got. *brǔkja « ce qui est brisé », dér. du got. gabruka « morceau » (FEIST, s.v. gabruka; KLUGE20, s.v. Brocken). E. Schüle dans Pat. Suisse rom., s.v. brochyè, estime au contraire qu'un terme got. peut difficilement s'être implanté dans le vocab. laitier des Alpes, et propose une base préromane *brottiare, d'orig. inconnue.” (TLFi).

(auct. Thomas Krefeld)

bruma - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Das lat. Etymon dieses Basistyps ist bruma mit der Ausgangsbedeutung ‘Wintersonnenwende’. Bruma ist die zusammengezogene Form von *brevŭma (brevissima dies 'kürzester Tag' (vgl. Treccani: s.v. bruma. Daneben bezeichnet es im generellen Sinn den ‘Winter’ und im engeren Sinn den ‘Winterfrost’ (vgl. Georges s.v. bruma). Daraus hat sich in der Westromania die Bedeutung ‘Nebel’ entwickelt, wie in fra. brume, sp., pg. bruma und kat. broma. Diese Bedeutung hat auch friaul. brume (vgl. FEW), das überdies metaphorisch zur Bezeichnung von RAHM wurde. Die sich westlich anschließende ladinische Form brama hat ihren Tonvokal wohl unter dem Einfluss der synonymen Bezeichnung crama erhalten.

(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

BUTTER - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

Der dominierende Basistyp (vgl. Georges s.v. būtȳrum), eine antike Entlehnung aus dem Griechischen, bezeichnet bereits im Lateinischen das Konzept BUTTER (vgl. auch: butyru(m)).
Allerdings scheint das Produkt nicht als Nahrungsmittel, sondern vielmehr als Pflege- und Heilmittel gedient zu haben. Columella († um 70 n. Chr.), der sich in seiner Abhandlung über die Landwirtschaft (Res rustica, 7. Buch, Kap. 8) recht ausführlich mit der Milchverarbeitung befasst (vgl. KÄSE), erwähnt sie in diesem Zusammenhang gerade nicht. Dagegen empfiehlt er die Behandlung chronischer (?) Schmerzen mit flüssiger Butter:
"Fere autem omnis dolor corporis, si sine vulnere est, recens melius fomentis discutitur; vetus uritur, et supra ustum butyrum vel caprina instillatur adeps." (Columella 1941, Buch VI, Kap. XII, S. 160).
In englischer Übersetzung:
"Almost all bodily pains, if there is no wound, can in their early stages be better dissipated by fomentation; in the advanced stage they are treated by cauterizations and the dropping of burnt butter or goat’s fat upon the place." (Columella 1941, Buch VI, Kap. XII, S. 161)
Die anderen zum Konzept BUTTER gehörigen Basistypen sind onomasiologisch interessant, da sie ganz unterschiedlich motiviert sind:
  • über die fette und cremige Konsistenz, (vgl. die Basistypen lat. pĭngue(m) 'Fett' und lat. ŭnguĕre 'salben, bestreichen' mit der Variante *ungĕre;
  • über das Stampfen als Herstellungsverfahren (vgl. Basistyp lat. *pisiāre 'zerstampfen');
  • über das Auslassen als elementare Technik der Konservierung (vgl. Basistyp deu. Schmalz vom Verb schmelzen).

  • (auct. Thomas Krefeld)

    butyru(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Das lat. Etymon des Basistyps ist unproblematisch; es handelt sich um eine Entlehnung aus dem Griechischen, der ein Kompositum aus tyrós 'Käse' und boūs 'Rind', 'Kuh' zu Grunde liegt. Die in der Wortbildung angelegte Betonung, dass es sich um Rinder-Käse handelt, markiert das Produkt als eine Besonderheit und deutet darauf hin, dass KÄSE ursprünglich nicht aus KUHMILCH erzeugt wurde. Im griechischen Kulturkreis stellte man – und stellt bis heute – Käse üblicherweise aus Schafs- oder Ziegenmilch her (man vergleiche etwa eine entsprechende Schilderung in der Polyphem-Episode in der Odyssee [9,170-566; speziell 244-247]; Polyphem besitzt keine Rinder).
    Beim Basistyp butyru(m) sind zwei Akzentvarianten zu unterscheiden:
    • paroxytones lat. butӯru(m), auf das der ita. Typ butirro zurückgeht (vgl. DELI 179);
    • lat. bútyru(m) mit von griech. βούτυ̅ρον ererbtem Initialakzent; daraus hat sich franz. altfra. bure bzw. neufra. beurre entwickelt. Dieser Typ wurde ins Italienische entlehnt und ergab auch standardita. burro (vgl. DELI 178).
    Weniger eindeutig ist die Entlehnungeschichte aus dem Rom. ins Germ. Zu beachten ist Varianz des Genus von deu. Butter: im Alemannischen und Bairischen dominiert der maskuline Typ; aber der SDS belegt auch das Femininum und sogar ein Neutrum. Kluge, 166 sieht den maskulinen Typ als sekundäre Entwicklung in Analogie zum ebenfalls maskulinen alemannischen Synonym Anke; primär sei dagegen die feminine Variante, die aus der Umdeutung des lat. Neutrum Pl. auf -a als feminines Singular erklärt wird. Dazu passt spätalthochdeutsch butira. Im Licht der interlingualen Geolinguistik des Alpenraums kann diese Deutung nicht überzeugen, denn der maskuline Typ bildet im bairischen Sprachraum Tirols ein gemeinsames Areal mit dem sich südlich anschließenden und ebenfalls maskulinen rom. Typ but'ir. Es ist daher viel näherliegend, in dieser Form die primäre adstratale Entlehnung zu sehen und den femininen Typ die Butter als sekundäre Variation. Die Entlehnung scheint wegen des unverschobenen Dentals -t- nicht sehr früh (nicht vor dem 8. Jh. n.Chr.), sondern erst nach Abschluss der 2. Lautverschiebung erfolgt zu sein.
    Im Alpenraum scheint also der Typ butyrum die auf lat. unguere / *ungere 'schmieren' zurückgehenden Bezeichnungen weithin verdrängt zu haben.

    (auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)

    cabane / capanna (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Die Herkunft dieses Typs ist unklar. Im lateinischen ist capanna ein einziges Mal und überdies erst sehr spät, nämlich bei Isidor von Sevilla, bezeugt. Es ist vermutet worden, dass es sich um ein keltisches Wort handelt (FEW S. 246 s.v. capanna), jedoch lässt sich diesbezüglich keine Sicherheit gewinnen.
    Die phonetischen Varianten dieses morpho-lexikalischen Typs lassen sich auf Grund der folgenden Kriterien zu Typen gruppieren:
    (1) Varianz des Wortanlauts:
    • [k-] erhalten; vgl. frz. cabane;
    • [k-] palatalisiert:
      • [k-] > [ts-]; vgl. frankoprov. tsˈăvănə
      • [k-] > [tɕ-]; vgl. engadinisch chamanna;
      • [k-] > [ʧ-]; vgl. frankoprov. ʧavˈaːna
    (2) Anlaut der 2. Silbe in intervokalischer Position:
    • [-p-] erhalten; vgl. it. capanna;
    • [-p-] geschwächt:
      • - Sonorisierung [-p-] > [b-]; vgl. frz. cabane;
      • - Sonorisierung und Spirantisierung [-p-] > [v-];
    (3) Auslautvokal:
    • [-a];
    • [-ə];
    • [-e];
    • [-o].

    (auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)

    *cala (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp "ist als ortsname und Appellativum über ein weites gebiet in den westl.mittelmeersprachen verbreitet" (FEW II, 51). Es ist wohl vorindogerm. und scheint ursprünglich eine Geländebezeichnung mit der Bedeutung 'geschützte Stelle' gewesen zu sein. So erklärt sich cala 'Bucht' im Italienischen (z.B. Sizilianisch) und im Iberoromanischen (vgl. FEW ebd.). Im Untersuchungsgebiet von VA liegt die Basis auch dem Namen der Val Calanca, einem Seitental des Misox/Misocco, zu Grunde.

    (auct. Thomas Krefeld)

    capănna(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp wir nur durch einen morpho-lexikalischen Typ repräsentiert:
    • vgl. ital. capanna; fra. cabane; roh. chamona.
    Das zu Grunde liegende lat. capanna ist laut FEW II, 246 nur ein einziges Mal (bei Isidor) belegt; "sein ursprung ist dunkel" (FEW II, 246). Die Formen mit -m- bilden eine alpine Variante; vgl. DRG 3, 336-339. Zur Semantik der bündnerrom. Formen heisst es: "In der Bed. 'Hütte, einfaches, armseliges Haus' nimmt das heute lit. gefärbte camona eine Mittelstellung ein zwischen fam. --> baita DRG (2,76) 'Baracke, verfallenes Haus, schlechte Hütte' und --> teja 'Hütte, Senn-, Alphütte'. Vgl. auch --> fögler" (239).

    (auct. Thomas Krefeld)

    *cappellus (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht aus lat. *cappellus ‘eine Art Kopfbedeckung’ hervor und ist ein Diminutiv von lat. cappa ‘Hut’ (vgl. FEW 2, 293, s.v. cappellus. Ursprünglich bezeichnete lat. *cappellus verschiedene Arten von Kopfbedeckungen. Hüte zu tragen war den Römern eigentlich fremd. Nur die einfachen Leute, die viel draußen arbeiteten, trugen zum Schutz Hüte verschiedenster Formen und aus unterschiedlichstem Material. Aus lat. *cappellus entwickelten sich fr. chapeau, it. cappèllo, eng. tśapé und auch friaul. tśapel . Laut Kramer (EWD II, 153) ist das Grundwort lad. ćiapél ‘Hut’ ein reines Erbwort. In unserem Gebiet konnte es auch als Bezeichnung für die Schlagsahne gefunden werden. Ableitungen von lat. cappa konnten in Bezeichnungen für den Schaum auf Cidre oder Bier oder für die Haut, die sich auf gekochter Milch bildet, belegt werden (vgl. EWD II, 275). Diese metaphorische Bedeutung 'Schaum' hat auch der lat. Diminutiv *cappellus entwickelt, (vgl. EWD II, 291). So erklärt sich, warum *cappellus auch als Bezeichnung der Schlagsahne wiederfindet; ähnlich motiviert ist die metaphorische Übertragung von caput.

    (auct. Myriam Abenthum)

    caput - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Als Basis dient hier klat. caput ‘Kopf’. Im Lateinischen erhielt caput Konkurrenz durch testa, eigentlich 'Gefäß aus Ton, Scherbe'. Im größten Teil des romanischen Sprachgebiets wurde caput zugunsten von testa aufgegeben (vgl. FEW 2, 345 s.v. caput). Überlebt hat es in seiner Grundbedeutung aber in der Lombardei, in Süditalien, in der Toskana, in Friaul, Graubünden, Rumänien, Katalonien, Südostfrankreich und im dolomitenladinischen Gebiet (so it. capo, lad. ćé oder friaul. ciâf; vgl. DELI 1, 199-200; vgl. EWD II, 74-75). Schon lat. caput wurde vielfältig in metaphorischer Weise benutzt, so etwa im Sinne von ‘das Oberste, die Spitze, die Kuppe’ (vgl. Georges s.v. caput). Im romanischsprachigen Gebiet der Alpen finden sich metaphorische Bezeichnungen des RAHMS, denn der Rahm ist das, was sich oben auf der Milch absetzt; ähnlich motiviert ist die metaphorische Übertragung von cappellus.

    (auct. Myriam Abenthum)

    caschiel (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp entspricht einem Diminutiv von lat. caseus ‘Käse’ und ist ursprünglich im Sinne von ‘kleiner Käse’ zu verstehen. Wie die Karte zeigt, findet er sich in der generischen Bedeutung von 'Käse' vor allem im Bündnerromanischen (vgl. DRG 3, 444-450), aber auch in einem Teil des Ladinischen (Grödner- und Abteital) und über das Untersuchungsgebiet hinaus, z.B. im Venezianischen (casuòla; vgl. EWD II, 126) und im Okzitanischen (vgl. FEW, s.v. caseolus).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    caseāria - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Die Herleitung dieses Typs aus lateinisch casearia[m], einer adjektivischen Derivation von caseus 'Käse' ist unproblematisch; DELI, 213 weist auf einen mittellat. Beleg casiera aus Bergamo aus dem Jahre 1145 hin; zum alem. vgl.Idiotikon s.v. chäseren. Im deutschsprachigen Alpenraum findet sich der Typ auch häufig in Namen von einzelnen Almen (Kaser(alm)).

    (auct. Thomas Krefeld)

    caseolus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp entspricht einem Diminutiv von lat. caseus ‘Käse’ und ist ursprünglich im Sinne von ‘kleiner Käse’ zu verstehen. Wie die Karte zeigt, findet er sich in der generischen Bedeutung von 'Käse' vor allem im Bündnerromanischen (vgl. DRG 3, 444-450), aber auch in einem Teil des Ladinischen (Grödner- und Abteital) und über das Untersuchungsgebiet hinaus, z.B. im Venezianischen (casuòla; vgl. EWD II, 126) und im Okzitanischen (vgl. FEW, s.v. caseolus).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    caseus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    KÄSE wird im Lat. ganz allgemein als caseus ‘Käse’ bezeichnet (vgl. Georges, s.v. caseus); Kluge sieht einen Zusammenhang mit altkirchenslav. kvasŭ ‛Sauerteig’ plädiert daher für indoeuropäischen Ursprung. Das lat. Wort gelangt schon sehr früh ins Germanische (vgl. das im 8. Jahrhunderte belegte ahd. kāsi und ae. cēse, mit auffälliger Palatalisierung); laut Kluge wird "[d]as lateinische Wort [...] mit der Labkäsebereitung entlehnt. Zuvor kannten die Germanen nur Weichkäse (Quark)" (478). Im Romanischen selbst wird der zunächst dominante Typ (vgl. DéROM: s.v. “*/`kasi-u/” und FEW 2: 456-458) jedoch weithin ersetzt, insbesondere durch den Typen formaticu(m), der explizit durch die Labkäserei, genauer: durch die Produktion von Käse mit einem GERINNUNGSMITTEL motiviert ist, denn er mit dieser Technik wir es möglich den Käse zu formen, reifen zu lassen und länger zu konservieren (vgl. fra. fromage, ita. formaggio usw.). Erhalten hat sich der Typ caseus in it. càcio, das auf dialektaler Ebene vor allem in der Toskana und in den Dialekten Mittel- und Süditaliens verbreitet ist (vgl. DELI 1: 182), aber auch im Untersuchungsgebiet von VerbaAlpina, in Gestalt von ladinisch ćiajó (vgl. EWD II: 126) vorkommt. In den Westalpen konnte sich caseus dagegen von vorneherein nicht gegen das vorrömische, vermutlich gallische Substratwort toma durchsetzen.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    cautum - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp beruht auf lat. cautum ‘eingehegter Platz’, was zu lat. cautus ‘sicher, sichergestellt’ gehört (vgl. Hubschmid 1950: 338; vgl. REW, s.v. cautum. Romanische Kognaten sind dolomitenladinisch ćiàlt ‘Schuppen’ (vgl. EWD II: 129) und friaul. ciôt ‘Schweinestall’ (vgl. FEW, s.v. cautus).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    cellārium - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Die Verbreitung der Formen, die zu diesem Basistyp gehören, ist nicht leicht zu beurteilen. Denn auf das lat. cellārium geht auch das standarddeu. Keller zurück, so dass sich die Frage erhebt, ob die alemannischen und bairischen Belege des Untersuchungsgebiet als Varianten zu sehen, die mit dem Standarddeutschen gekommen sind, oder ob man in ihnen Relikte des lateinisch-romanischen Substrats vermuten sollte. Für die Substraterklärung spricht zweifellos die Semantik, denn im germanischen Alpengebiet dominiert so wie im Romanischen die Bedeutung 'Milchraum, Raum/Häuschen zum Lagern von Milch und Käse' oder auch 'Hütte zur Verarbeitung von Milch'. Diese Bedeutung ist primär funktional, durch den Zweck, weniger architektonisch definiert und entspricht daher viel eher der klassischlat. Bedeutung von cellārium, nämlich 'Speisekammer, Vorratskammer' als der Bedeutung 'Untergeschoss' des standarddeu. Keller. Auch italienisch cellaio bezeichnet eher den Vorratsraum; das 'Untergeschoss' wird dagegen cantina genannt. Die romanischen Belege zeigen also eine ethnographisch naheliegende, leichte semantische Spezialisierung. Auch die Bedeutungsentwicklung von 'Vorratsraum' zu 'Keller' ist sehr plausibel, speziell im Fall von Wein, der gern im Keller gelagert wird. Sehr unwahrscheinlich ist dagegen die Rückentwicklung von deu. 'Keller' zu 'Vorratsraum für Milch und Käse', d.h. genau zur mutmaßlich schon alten Bedeutung der benachbarten romanischen Formen.
    Allerdings ist die Phonetik der alemannischen und bairischen Formen schwierig, da sie keinen Reflex der romanischen Palatalisierung des initialen [k-] zeigen. Dieses Problem stellt sich jedoch nicht nur für den süddeutschen, sondern für den gesamten frühen lateinisch-romanisch/deutschen Entlehnungsraum, wie das Nebeneinander der verschobenen (deu. Zwiebel cēpŭlla [REW 1820]) und unverschobenen Formen (deu. Kiste cĭsta 'Korb', deu. Wicke vĭcia) zeigen. Man beachte in diesem Zusammenhang auch den Flussnamen deu. Neckar Nicer (vgl. RE, XVII/1 und dKP, 4, 88), ohne jede Palatalisierung. Dieser Name wurde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor 260-280 n.Chr. entlehnt, da die rechtsrheinischen Gebiete der Germania superior, einschließlich des gesamten Neckarlaufs in dieser Zeit aufgegeben wurden; es ergibt sich damit also ein terminus post quem für die Palatalisierung im nordalpinen Imperium, oder vorsichtiger gesagt für ihre generelle Durchsetzung. Denn angesichts des grundsätzlich hohen Alters der romanischen Palatalisierung ist es nicht überzeugend, hier nur mit dem Zeitpunkt der Entlehnung zu argumentieren. Vielmehr sollte man damit rechnen, dass unverschobene, konservative und verschobene, innovative Varianten über einen langen Zeitraum im Frühromanischen nebeneinander bestanden. Man beachte, dass sich der Plosivs ja keineswegs nur im früh romanisierten, isolierten und recht weit entfernten Sardisch erhalten hat (vgl. die bekannten Beispiele wie sard. kentu 'hundert' centu[m] usw.), sondern auch im Dalmatischen existiert zu haben scheint – in diesem Fall ist die Entfernung zum Alpenromanischen nicht mehr sehr groß (vgl. dalmatisch kapula cēpŭlla [REW 1820]).

    (auct. Thomas Krefeld)

    chalet (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Der ursprünglich alpine Bezeichnungstyp chalet ist über den Tourismus in die fra. Standardsprache eingegangen; zu Grunde liegt die Diminutivableitung eines wohl vorindogermanischen *cala.

    (auct. Thomas Krefeld)

    clarus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Zugrunde liegt lat. clarus ‘hell’ in der metaphorischen Bedeutung ‘verdünnt’, die im Hinblick auf die wässerige und weniger opake BUTTERMILCH nachvollziehbar motiviert ist. Analoge Formen belegt FEW, 2, 741 s.v. clarus, 2, 742).

    (auct. Myriam Abenthum)

    coagŭlum - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Diesem Basistyp liegt lat. coagulum zugrunde, was schon im klat. sowohl ‘Lab’ als auch metonymisch ‘geronnene Milch’ bedeutete. Es besteht in allen romanischen Sprachen fort. Allerdings haben sich die beiden Bedeutungen 'Lab' und 'geronnene Milch' nur im Galloromanischen erhalten (vgl. FEW, 2, 818 ff., s.v. coagulum. In den anderen romanischen Sprachen bezeichnet der Typ ausschließlich das Gerinnungsmittel, so etwa it. caglio oder surs. cuagl, eng. quegl ‘Lab’ (vgl. HWdR, 206). haben. Neben dem Substantiv steht das Verb coagulare ##komm#

    Das zunächst transitive Verb lat. coagulare 'zum Gerinnen bringen' wird seit dem 5. Jahrhundert auch intransitiv in der Bedeutung von ‘gerinnen’ benutzt. Es ist im gesamten romanischen Gebiet anzutreffen, wie beispielsweise frz. cailler, it. quagliare (vgl. FEW 2, 816-820, s.v. coagulare).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    colare - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht zurück auf lat. cōlare ‘sieben, seihen’, was von lat. colum ‘Sieb’ abgeleitet ist (vgl. DELI 2, 250 f.). Außer in der Terminologie der Metallverarbeitung ist es als Fachausdruck vor allem in der Milchwirtschaft im Sinne von ‘die Milch sieben, seihen’ verbreitet; vgl. fra. couler, it. colare, bündnerrom. cular, ladinisch corè (mit Rhotazismus von -l- zu -r-) etc.; vgl. FEW s.v. colare.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    crama - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Das Etymon des Basistyps crama ist gallischen Ursprungs. Der erste Beleg findet sich im 6. Jahrhundert bei Venantius Fortunatus (s.u.), danach taucht es wieder im 9. und 10. Jahrhundert in einer Glosse und medizinischen Rezepten auf. In primärer Bedeutung bezeichnet dieser Basistyp das Konzept RAHM. Interessant ist die Wortgeschichte der franzöischen Kognaten: Im Altfr. findet sich die erwartbare Form craime ‘crême du lait’. Im Mittelfranzösischen ist jedoch seit dem 13. Jahrhundert die Form cresme ‘la partie la plus épaisse du lait, qui s´élève à la surface quand on le laisse reposer, et dont on faire le beurre’ belegt (vgl. FEW 2, 1271.1274, s.v. crama. Das s dieser Form, dessen letzter Reflex sich in der Schreibung ê der franz. Standardorthographie (crême) findet, ist erklärungsbedürftig. Es lässt sich aus einer Kreuzung mit dem Kirchenwort chrisma ‘Salbung, Ölung’, aus gr. χρῖσμα gut erklären. Im Neufranzösischen hat sich dann die Form crème etabliert, welche wiederum als crema ins Italienische entlehnt wurde (vgl. DELI 1: 295). Der Basistyp crama wurde dagegen vor allem im Piemontesischen, Lombardischen und Rätoromanischen fortgeführt, wenn auch mit der Sonorisierung des Anlaut cr- > gr- ersetzt, wie etwa in surselvisch groma / engadinisch gramma (vgl. HWdR, 381.
    Der lexikalische Typ deu. Rahm wird hier ebenfalls zum Basistyp crama gestellt; es wird also auf Grundlage der alpinen Sprachkontaktverhältnisse eine neue Ableitung vorgeschlagen. Im Kluge 2011 wird die Wortgeschichte aus indogermanistischer Sicht folgendermaßen skizziert:

    "Rahm S[.] m ‛Sahne’ std. (11. Jh.), mhd. roum, mndd. rōm(e)[.] Aus wg. *rauma- m.Rahm’, auch in ae. rēam; im Ablaut dazu ­anord. rjúmi. Falls von *raugma- auszugehen ist, vergleicht sich avest. raoγna- n., raoγniiā- f. ‛Butter’. Weitere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche Form beruht auf einer Mundart, die mhd. ou zu ā entwickelt hat. Wo Rahm gegen Sahne semantisch differenziert wird, bezieht es sich eher auf den sauren Rahm. Präfixableitung: entrahmen; Partikelableitung: abrahmen. Hinweise[:] Ebenso nndl. room." (Kluge 2011, Online s.v. Rahm 1)

    In diesem Ansatz werden die dialektalen Verhältnisse ausgeblendet; es muss jedoch berücksichtigt werden, dass im romanischen Alpenraum, und zwar unmittelbar südlich der germanisch-romanischen Sprachgrenze der Typ fra. crème | ita. crema gehören, weit verbeitet ist.




    Die zugehörigen phonetischen Typen mit den Tonvokalvarianten [æ], [e], [o] und [a] führen ganz selbstverständlich auf eine gemeinsame Ausgangsform [a] zurück, denn die Hebung von betontem /a/ > [e]  bzw. > [æ] in offener Silbe und die Rundung /a/ > [o] vor Labial sind vollkommen unauffällig. Es ergibt sich somit ein Basistyp crama, der ursprünglich wohl aus dem Gallischen (d.h. aus dem Keltischen) stammt (vgl. FEW  2, 1271-1274, s.v. crama); das Wort ist übrigens bei Venantius Fortunatus (*540-600/610) belegt, der in Valdobbiadene, d.h. am südöstlichen Alpenrand nördlich von Treviso geboren wurde. Es wäre nun wenig plausibel, das gemeinsame Areal der synonymen Typen von deu. Rahm und rom. crama aus einem zufälligen Zusammentreffen zu erklären. Vielmehr sollte der deutsche zum selben gallo-romanischen Basistyp  geschlagen werden.

    Die Reduktion des Anlauts  lat.-rom. [kr-] > deu. [r-] ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass "im d. h- vor Konsonant im 9. jh. schwindet" (FEW 16, 249, s.v. *hrokk), wie zahlreiche analoge Formen belegen. In der frühen Zeit des germ.-romanischen Sprachkontakts muss die Variante [hr-] noch existiert haben, denn fra.  froc 'Kutte' kann nicht auf althochdeutsch roc, sondern nur auf hroc mit Substitution des laryngalen durch den labiodentalen Frikativ zurückgehen. So auch Kluge:

    "Rock[.] Sm std. (9. Jh.), mhd. roc, rok, ahd. (h)roc, as. rok [.] Aus wg. *rukka- m.Rock’, auch afr. rokk. Außergermanisch vergleicht sich air. rucht ‛Tunika’, kymr. rhuchen ‛Mantel’. Alles weitere ist unklar. Es besteht auch eine Variante mit Anlaut hr- in ahd. hroc, as. hroc, afr. hrokk, die vermutlich über das Französische zu Frack geführt hat. Hinweise[:] Ebenso nndl. rok." (Kluge 2011, Online s.v. Rock)

    Ebenso erklärt sich das Nebeneinander von engl. horse neben deu. Ross germ. *hrussa (vgl. Kluge 2011, s.v. Ross und deu. röcheln neben  nisl. hrygla ‛Rasseln in der Kehle’, lett. kraũkât ‛husten, Schleim auswerfen’ idg. *kruk-  ‛schnarchen, röcheln, grunzen’  (vgl. Kluge 2011, s.v. röcheln).


    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    *crassia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Der Basistyp *crassia ‘Fett’ ist das Kollektivum zum lat. Adjektiv crassius ‘dick, fett’, einer Variante der klassischlat. Form crassus (vgl. DELI 2: 517). Seit dem 3. Jahrhundert verdrängt diese Variante das ursprünglich in der gesamten Romania geltende pinguis, das jedoch im Gebiet von VerbaAlpina durchaus erhalten ist (vgl. lomb. pench ‘Buttermilch’ oder bündnerrom. paintg ‘Butter’ (vgl. pinguĕ(m)). Der Anlaut der Formen, die sich im Romanischen erhalten haben (gr-), wurde vielleicht durch lat. grossus 'dick' beeinflusst, das im klassischen Latein nicht belegt ist (vgl. FEW, 2, 1277-1286, s.v. crassus und Georges s.v. grossus). Analoge Sonorisierungen finden sich jedoch auch sonst (vgl. z.B. crama).
    Im Alpengebiet gehen aus diesem Basistyp vereinzelt Bezeichnungen für den RAHM, also den fetthaltigen Teil der Milch hervor.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    crŭsta - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf lat. crŭsta ‘Kruste’ zurück, eine Variante der klassischen Form mit [uː] (vgl. Georges, s.v. crūsta), zur Bezeichnung der harten, trockenen Oberfläche eines sonst weichen Körpers. Es bezeichnet im Lateinischen u.a. die Rinde des Brotes. Die Übertragung auf die Käserinde liegt nahe, ist im klassischen Latein aber noch nicht nachweisbar, sondern muss später erfolgt sein.

    (auct. Myriam Abenthum | Stephan Lücke)

    *excŏcta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp entspricht der femininen Form *excŏcta des Partizips Perfekt Passiv von lat. *excoquere ‘herauskochen’. Bei letztgenanntem handelt es sich um eine zusammengesetzte Form aus lat. coquere ‘kochen’ und dem Präfix ex- (vgl. DELI 5,1167). Der Typ ist in Oberitalien weiter verbreitet als die derzeitige Belegdichte in VerbaAlpina erkennen lässt (vgl. FEW 3, 278, s.v. *excocta und zum Ita. Treccani s.v. scotta2). Die deutschen Formen des Basistyps repräsentieren ebenso wie das slowenische skuta in geradezu prototypischer Weise die romanischen Substratwörter im Bereich der alpinen Milchverarbeitung. Ältere Ansätze, die eine Ableitung von althochdeutsch scotto aus deu. schottlen/schütt(l)en mit nachfolgender Entlehnung ins Romanische sehen wollten, sind zu verwerfen, denn Formen wie lombardisch scoččia [skotʃa] können nur auf das Etymon *excocta und nicht auf althochdeutsch scotto zurückgeführt werden. Es ist eindeutig von umgekehrter Entlehnungsrichtung auszugehen und das althochdeutsche Wort auf das Romanische zurückzuführen (vgl. in diesem Sinne schon das Idiotikon VIII, 1563, s.v. Schotten und ebenso EWD, II, 200).
    Man beachte jedoch, dass im Ladinischen zwei phonetische Typen koexistieren:
    (a) mit anlautendem [ʃk-] (vgl. [ʃkota] in Livinallongo), wie auch in Friaul;
    (b) mit anlautendem [tʃ-] (vgl. [tʃot(e)] im Rest der Sella-Ladinia).
    Bei (b) scheint es sich um eine Rückentlehnung aus dem Südtiroler Bairischen zu handeln (vgl. EWD II, 199-200).
    Der Basistyp ist jedoch in semantischer Hinsicht bemerkenswert, denn er liefert ein charakteristisches Beispiel metonymischer Polysemie: Er bezeichnet die beiden Produkte, die bei der Gerinnung der Milch bzw. der Molke durch Erhitzen und Auskochen (lat. EXCOQUERE) entstehen, nämlich die Flüssigkeit einerseits und die Käsemasse bzw. den Ziger und die aufsteigenden Eiweißteilchen andererseits (vgl. auch VALTS IV, 204).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    exsūctus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf das lat. Partizip Perfekt Passiv exsūctus ‘ausgesogen’ zurück (vgl. Georges, s.v. exsugo und FEW, 3, 342 f., s.v. exsuctus) und gehört zu den romanischen Fortsetzern in den Bedeutungen ‘trocken’ (ita. asciutto, piemontesisch sü(i)t, engadinisch süt, katalanisch aixut, spanisch enjuto, portugiesisch enxuto) und ‘mager’ (rumänisch supt). Für VerbaAlpina relevant sind einige friaulische Belege mit der Bedeutung 'Käse'.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    flōs - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp ist aufgrund seiner breitgefächerten Polysemie sehr interessant. Er beruht auf dem lat. Etymon flōs, dessen Grundbedeutungen ‘Blume’ und 'Blüte' in metonymischer Relation stehen und zahlreiche metaphorische und weitere metonymische Bedeutungen hervorgebracht haben.
    Ausgehend von 'Blüte' bezeichnet flōs oft den DEN BESTEN, SCHÖNSTEN TEIL EINER SACHE, so etwa in lat. flos aetatis ‘die Blüte der Jahre, die Jugendkraft, Jugendfülle’ (vgl. Georges, s.v. flōs), einem Ausdruck, der sich bis ins Romanische erhalten hat (wie in fra. la fleur de l´âge ‘die Jugend’; vgl. FEW, 3, 630-638, s.v. flōs). Ähnlich motiviert sind fra. fleur de la farine ‘la partie la plus fine de la farine’, ita. fior della farina, engadinisch flur d´farina oder schweizerdt. Blume (vgl. FEW, loc. cit.). Ebenfalls ausgehend von 'Blüte' erklären sich Bedeutungen, die mit der OBERFLÄCHE, dem HÖCHSTEN PUNKT von Dingen zu tun haben, wie in altfra., mittelfra. à fleur de ‘à la surface, au niveau de’.
    Beide semantische Dimensionen ('gut' und 'oben') motivieren womöglich gemeinsam die Bezeichnung des Konzeptes RAHM, die sich bereits im Lateinischen entwickelte (flos lactis ‘Rahm’) und auch heute noch im Untersuchungsgebiet gut belegt ist (vgl. auch ita. fior di latte 'Rahm'). Dementsprechend sind auch Verben wie fra. défleurer oder neuokzitanisch sanflurá, sonflurá 'abrahmen' leicht zu verstehen (vgl. FEW, loc. cit.).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    Gaden (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Der morpho-lexikalische Typ Gaden bezeichnet im heutigen Standard nur noch in verschiedenen Gegenden ein Haus, dass nur aus einem Raum besteht oder eine Kammer. Daneben existiert es auch als fachsprachliches Wort aus dem Bereich Architektur für einen Fensterbereich einer Basilika (vgl. Duden: s.v. Gaden). Im VerbaAlpina-Gebiet ist das Wort meist in Komposita gebunden, besonders häufig in den alemanischen Dialekten der Schweiz, wo es einen einzelnen Raum (Milchraum, Viehstall auf der Alm, Heuraum in der alpinen Stallscheuen) bezeichnet, während vor allem in Südtirol damit ein Stadel gemeint. Im nördlichen Tirol werden hierfür hingegen Wortformen mit Stadel gebraucht.
    Das Wort ist als Neutrum seit althochdeutscher Zeit als gadum oder gadem belegt. Über ein Wort für 'lassen' oder 'freilassen' wird ein Zusammenhang mit Wörtern anderer indoeuropäischer Sprachen ein germanisches *ǵhə-t-mo- für ‛freier Raum, leerer Raum’ angesetzt (vgl. Kluge) 2011, online s.v. Gaden). Gaden bzw. Gadem hat schon im 19. Jahrhundert als veraltet gegolten, wie der Blick in Grimm'sche Wörterbuch zeigt. Zu dieser Zeit war das Wort noch sowohl als Neutrum als auch als Maskulinum vorhanden (vgl. DWB: s.v. Gadem).

    (auct. Markus Kunzmann)

    iŭncus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf lat. iŭncus ‘Binse’ zurück. Er ist weiterhin in vielen romanischen Sprachen vertreten, so it. giunco, piem. gionch, kat. jonc, sp., pg. junco und frz. jonc ‘Binse’. Seit dem Mittelfranzösischen finden sich Ausdrücke, um die Gerätschaft aus Binsen zu bezeichnen, in der der Weichkäse hergestellt wurde, darunter jonchiere ‘petit panier en jonc pour la preparation du fromage mou’ und jonchée ‘panier en jonc pour la préparation du fromage mou’. Jonchée ist aber auch als Bezeichnung für ‘fromage préparé dans un petit panier’ bekannt (vgl. FEW , 5, 65-67, s.v. jŭncus). Diese Bedeutung hat auch it. giuncata (vgl. Treccani, s.v. giuncata). Erklären lässt sich der semantische Wandel aus der metonymischen Verbindung von Wort und Sache. Für das Formen von Ziger oder Käse werden unterschiedliche Geräte genutzt, so auch Körbchen, die nicht zuletzt aus Binsen geflochten sind. In diese Körbchen wird die Käsemasse gegeben und auf ein Tropfbrett gestellt, um die überschüssige Flüssigkeit dann von Hand ausdrücken zu können (vgl. Scheuermeier 1943: 41). Körbe mit diesem Zweck werden übrigens bereits in der Polyphem-Episode in der Odyssee (ταρσοί [Buch 9, 219] und πλεκτοὶ τάλαροι [Buch 9, 247]) erwähnt.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)

    KÄSE - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Vorbemerkung

    Unter diesem Konzept werden ausschließlich die Milchprodukte zusammengefasst, die aus den Feststoffen bestehen, die sich bei der ersten Scheidung der Milch (auf Grund der Gerinnung) ergeben. Aus der ebenfalls entstehen Flüssigkeit (MOLKE) können durch ein zweite Gerinnung wiederum Feststoffe gewonnen werden, die ein käseähnliches Milchprodukt ergeben, das ital. als ricotta, alem. als Ziger und im Deutschen manchmal ein wenig irreführend als 'Molkenkäse' bezeichnet wird: Im Unterschied zum eigentlichen Käse enthält der ZIGER jedoch kein Kasein, sondern ein anderes Eiweiß (Albumin).

    Sachgeschichte


    Im HLS wird darauf hingewiesen, dass die Käserei mit Lab, gemeint ist offensichtlich die Käseherstellung unter Zusatz eines Gerinnungsmittels (das nicht unbedingt dem tierischen Lab entsprechen muss) womöglich nicht überall in antiker Kontinuität steht: "Aus sprachwissenschaftl. Sicht (K. von lat. caseus) ist denkbar, dass die Römer die Kunst des Verkäsens von fetter Milch mit Lab zu einem haltbaren, gesalzenen Fettkäse gekannt und über die Alpen in die kelt. Gebiete gebracht haben. K. war bereits in der Antike ein alpines Exportprodukt Rätiens. Mit dem Rückzug der rom. Kultur verschwand im HochMA die Herstellung von Labkäse im alemann. Gebiet, doch blieben die Produktionskenntnisse in den rom. Gebieten wahrscheinlich erhalten. Quellen des 13. bis 14. Jh. aus dem Unterwallis und Greyerzerland weisen auf Fettkäseproduktion hin. Die archäolog. Untersuchung ma., alpiner Temporärsiedlungen (bisher v.a. Innerschweiz) brachte Einrichtungen zum Bereiten und Lagern des K.s zutage, so Unterlagen zum Käsepressen, nach Art der Trulli errichtete Milch- und Käsespeicher, Felsklüfte, die als Lagerräume gedient haben mochten. Auf Bergeten im glarner. Braunwald wurde ein Felskeller mit Wasserkühlung entdeckt. Unbekannt bleibt die Art des hier produzierten K.s." (Dominik Sauerländer/Anne-Marie Dubler). Dazu ist allerdings festzuhalten, dass es eine deutliche breitere und auch anders gelagerte sprachwissenschaftliche Evidenz für eventuelle Kontinuität gibt. Vor allem scheint es, als hätten die Römer ihrerseits bereits von vorrömischer Alpenbevölkerung spezielle Techniken der Milchverarbeitung übernommen. Offenkundig vorlateinisch sind die Bezeichnungen Senn, Ziger, Brente, Tomme. Eine andere Schicht ist lateinisch (Schotten, Gebse, Käse; vgl. Hubschmid 1951). Die Archäologie bestätigt mittlerweile das hohe Alter der alpinen Milchverarbeitung, denn sie liefert: "Belege einer eigentlichen Alpwirtschaft am Ende des 2. bzw. im frühen 1. Jahrtausend v.Chr." (Reitmaier 2016, 28; vgl. auch Carrer 2012 und Carrer et al. 2016).
    Eine für die römische Milchverarbeitung und für einige einschlägige Bezeichnungen aufschlussreiche Stelle findet in der Historia naturalis des Plinius; nachdem die Milcharten unterschiedlicher Lebewesen (einschließlich des Menschen) angesprochen wurde, heißt es:

    "[...] omne autem igne spissatur, frigore serescit. bubulum caseo fertilius quam caprinum, ex eadem mensura paene altero tanto. [...]
    Coagulum hinnulei, leporis, haedi laudatum, praecipuum tamen dasypodis, quod et profluvio alvi medetur, unius utrimque dentatorum. mirum barbaras gentes quae lacte vivant ignorare aut spernere tot saeculis casei dotem, densantes id alioqui in acorem iucundum et pingue butyrum. spuma id est lactis concretior lentiorque quam quod serum vocatur; non omittendum in eo olei vim esse et barbaros omnes infantesque nostros ita ungui." (Plinius 1906, 11, 96, 238 f.)

    In englischer Übersetzung:

    "All milk is made thicker by fire and turned into whey by cold. Cow’s milk makes more cheese than goat’s milk, almost as much again from the same quantity. [...] The curds of the roebuck, hare and goat are praised, but that of the rabbit is the best, and is even a cure for diarrhoea—the rabbit is the only animal with teeth in both jaws that has this property. It is remarkable that the foreign races that live on milk for so many centuries have not known or have despised the blessing of cheese, at most condensing their milk into agreeable sour curds and fat butter. Butter is a foam of milk of thicker and stickier substance than what is called whey; it must be added that it possesses the quality of oil and is used for anointing by all foreigners and by ourselves in the case of children." (Plinius 1855)

    Wir erfahren hier zunächst die besondere Wertschätzung der KUHMILCH (bubulum) für die Käseherstellung. Ferner wird caseus in Zusammenhang mit dem tierischen coagulum (vgl. coagŭlum) gebracht, bei dem es sich an dieser Stelle wohl nur um LAB handeln kann; caseus ist daher kein generischer Ausdruck für Milchprodukte, sondern für LABKÄSE. Caseus wird ja auch in Gegensatz zu acorem iucundum und butyrum gestellt – zu zwei Produkten, die charakteristisch für die barbaros (und damit nicht für die Römer) sind. Diese beiden Bezeichnungen sind nicht ganz klar; immerhin spricht nichts gegen eine Deutung von butyrum im Sinne von 'Butter'. Auf welche Art von Sauermilchprodukt sich dagegen acorem iucundum bezieht, bleibt ein wenig fraglich; der Gedanke an BUTTERMILCH liegt nahe. Schließlich nennt Plinius mit serum die Bezeichnung der MOLKE; entsprechende Kognaten sind im VA-Material in den piemontesischen Westalpen gut belegt.
    Ein detailliertere Beschreibung der Käseherstellung gibt Columella (7. Buch, Kap. 8); dort werden zusätzlich zum tierischen Lab auch pflanzliche Gerinnungsmittel (u.a. Färberdistel und Saft aus der Feigenbaumrinde), Gefäße (mulctra'Melkgefäß') sowie Körbe zum Formen (fiscella, calathus, crates) erwähnt. Vor allem beschreibt Columella jedoch wichtige Phasen des Käsens, insbesondere das Salzen, Pressen und Formen (s.u.). Er stellt auch den besonderen Wert des konservierbaren, reifen Käses heraus: "potest etiam trans maria permitti" ('er kann über das Meer verschickt werden'; 6).

    Generische Bezeichnungen des Konzepts

    Der im deutschsprachigen VA-Gebiet so gut wie ausschließlich geltende morpho-lexikalische Typ Käse geht zweifellos auf lat. caseus zurück, das im romanischsprachigen VA-Gebiet dagegen nur sehr wenige Fortsetzungen findet, nämlich im Dolomitenladinischen; weiter verbreitet, vor allem im Bündnerromanischen, sind Kognaten des lat. Diminutivs caseolus. Anstatt lat. caseus dominieren im romanischsprachigen VA-Gebiet einerseits das vorlateinische, wie es scheint gallische tuma in den französischen und frankoprovenzalischen Westalpen, sowie das lateinische formaticus, dessen unmissverständliche Motivation aus dem Partizip von lat. formare, darauf hinweist, dass es ursprünglich wohl eine spezifizierte Bezeichnung des geformten und reiferen Käses gewesen sein muss, die dann verallgemeinert wurde.
    Da dieser Typ im deutschsprachigen Raum vollkommen zu fehlen scheint, muss man annehmen, dass er sich im Romanischen erst verbreitet hat, nachdem der Sprachwechsel zum Deu. im nord- und ostalpinen Raum weitestgehend vollzogen war. Slow. sir 'Käse' setzt offenkundig die von Plinius genannte Bezeichnung der 'Molke', lat. serum, in metonymisch verschobener Bedeutung fort.

    (auct. Thomas Krefeld)

    LAB - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    In der Labkäserei wird zur Herstellung von Käse Lab (lactic acid bacteria) eingesetzt, welches die Laktose fermentiert. Lab ist ein Enzym, welches das Kasein aus der Milch ausfällt. In der traditionellen Käserei wird es aus dem Labmangen von Kälbern extrahiert wird. Heutzutage kommen aber auch pflanzliche, mikrobielle oder biotechnologisch hergestellte Austauschstoffe zum Einsatz. Die Reaktion von Lab ist temperaturabhängig und ist für die Koagulation (Gerinnung) der Milch verantwortlich. In der Labkäserei wird als Ausgangsstoff süße Milch verwendet. Zunächst wird die Milch erwärmt und dann wird ihr Lab zugefügt. Die Zugabe von Lab bewirkt, dass das in der Milch enthaltene Protein Kasein zum Gerinnen gebracht wird. Die dadurch entstandene Gallerte wird dann nach der Ausfällung und kompletten Entwässerung in der weiteren Verarbeitung zerkleinert. Der Masse wird dann noch eventuell Salz beigefügt, bevor sie zum Festwerden in eine Käseform gegeben wird. Danach wird die festgewordenen Masse getrocknet und anschließend setzt die Reifung ein (vgl. König 1893: 326-327; vgl. Rehm 1967: 93).

    (auct. Myriam Abenthum)

    lăcte(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Der Basistyp leitet sich aus lat. lac ‘Milch’ ab, was eine Entlehnung aus gr. *glact. γάλα (n.) oder γλάγος (n.; vor allem poetisch, Bevorzugung wahrscheinlich aus Gründen der Metrik, belegt bei z.B. bei Homer Il. II 471 oder Pindar frg. 106) ist (vgl. Georges 2: 525). Später wurde das Genus von Neutrum zu Maskulin, was dann lat. lăcte(m) (Akk. von lac [n.] = lac!) ergab. Die meisten romanischen Sprachen haben lat. lacte(m), also mit dem maskulinen Genus, als Erbwort fortgesetzt, woraus fr. lait, it. làtte, friaul. lait, piem. lait und auch der dolomitenladinische Typ làt (vgl. FEW 5: 114; vgl. EWD IV: 177; vgl. DELI 3: 655). Im Untersuchungsgebiet von VerbaAlpina seltener begegnet das Erbwort als Femininum, wie etwa venez. late (vgl. DéROM: */'lakt-e/; außerhalb des Alpenraums ist der feminine Typus vor allem in Südfrankreich und Nordspanien anzutreffen [DéROM a.a.O.]). In einigen Gebieten der Alpen, beispielsweise in der Schweiz und in Savoyen, wurden die Wörter zur Bezeichnung der Milch aus lat. *lacticellum entlehnt, was der Diminutiv zu lat. lăcte(m) ist (vgl. FEW 5: 114). Daraus wurde auch it. laticèllo ‘Buttermilch’ entlehnt (vgl. DELI 3: 655). Aus dem Basistyp gingen auch einige Ausdrücke zur Benennung der MOLKE hervor. Einerseits dienen dazu Ableitungen mit dem Suffix -ata, die eigentlich ein Kollektivum bezeichneten. Andererseits finden sich auch häufig Diminutiva, denen die Vorstellung zugrunde liegt, dass die Molke, die bei der Herstellung des Käses entsteht, keine gehaltvolle Milch ist. Im Französischen hat sich zur Bezeichnung der MOLKE der Ausdruck petit-lait gebildet. Wörtlich heißt das eigentlich ‘kleine Milch’, aber durch die Voranstellung des Adjektivs petit ‘klein’ kommt genau dieselbe Vorstellung wie bei den Diminutiva zum Ausdruck (vgl. FEW 5: 114).

    (auct. Myriam Abenthum | Stephan Lücke)

    mascarpa - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Für den Ursprung des Basistypen mascarpa werden unterschiedliche Ansätze diskutiert. Im DEI (2380) wird mascarpa mit lat. mascarpiō, -ōnis
    ‘masturbatore’ in Zusammenhang gebracht, was auf dem rekonstruierten Verb *manū scarpere ‘prendere con la mano, mit der Hand nehmen’ beruht, woraus wiederum mascherpa abgeleitet ist. Das DELI (3: 726) verwirft diese Möglichkeit mit Verweis auf die zeitliche Abfolge der Belege. Hubschmied 1936 schlägt eine andere Erklärung vor. Er führt das in der Lombardei, im östlichen Piemont und in den Provinzen Piacenza und Parma geltende mascarpa ‘Ziger’ auf gallischen Ursprung zurück. Ausgehend von dem keltischen Wortstamm skar- ‘trennen, scheiden’ rekonstruiert er *skarpā- im Sinne von ‘Trennung, Scheidung’. Da in vielen Sprachen die Verwandtschaftsbezeichnung für VATER und MUTTER bildlich auf ERZEUGER, URSACHE übertragen werden, so zum Beispiel in dt. der Wunsch ist oft der Vater des Gedankensoder lat. omnium malorum stultitia est mater und analog im Irischen mac ‘Sohn’ zur Bezeichnung des ERZEUGNISSES oder der HERKUNFT verwandt wird, zum Beispiel mac mallachtain ‘Teufel’ (lat. filius maledictionis), macc-alla ‘Echo’ – wörtlich ‘Sohn des Felsens’ – oder mac-órna ‘Whisky’, was wörtlich übersetzt ‘Sohn der Gerste’. Davon ausgehend stellt er die Hypothese auf, dass auch das Keltische über solche Wortbildungsverfahren verfügt hat und rekonstruiert ein gall. *mapo- bzw. *makko-, was dann *mapo-skarpābzw. *makko-skarpā ‘Sohn der Scheidung, Produkt der Scheidung’ ergeben haben könnte. Er stützt seine Annahme also onomasiologisch, denn der Ziger entsteht ja als Produkt aus der Scheidung der Molke in Flüssigkeit und verbliebene Feststoffe (vgl. Hubschmied 1936: 100-102).  Aktuell bezeichnet lomb.mascarpón (vgl. Treccani eine typische Käsespezialität aus der Lombardei, die unter Zusatz süßer Sahne hergestellt wird und einen hohen Rahmgehalt hat. Ausgehend vom Lombardischen ist das Wort mit der Sache auch in andere italienische Mundarten gelangt (vgl. DELI 3: 726).

    (auct. Myriam Abenthum)

    mŭlgēre - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf lat. mŭlgēre ‘melken’ zurück (vgl. auch altgriech. ἀμέλγω, wobei das anlautende Alpha offenbar als Präfix zu deuten ist, dessen Motivation allerdings zunächst unklar bleibt). Die romanischen Entsprechungen wie it. mungere (vgl. Treccani, s.v. mungere oder lad. mùje (vgl. EWD IV, 488) setzen jedoch Konjugationswechsel zu mŭlgĕre und den Wandel von -l- zu -n- voraus.
    Ein Zusammenhang mit Malga liegt semantisch nahe, ist jedoch wegen des anderen Tonvokals phonetisch problematisch.
    Das deu. melken geht – wie dann wohl auch lat. mulgere und griech.
    ἀμέλγειν – laut Kluge, 614 auf ig. *melǵ- 'melken' zurück.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)

    *nīta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp ist im Alemannischen der deutschen Schweiz (vgl. Nidel ‘Rahm, Rahmschicht auf der gekochten Milch’; vgl. Idiotikon s.v. Nidel) und im Ladinischen (vgl. nìda ‘Buttermilch’ (vgl. EWD V: 49-50) verbreitet. Die Annahme einer Entlehnung aus dem Deutschen ins Romanische erscheint wenig plausibel; eher sollte ein vorlat. *nīta angesetzt werden (vgl. Jud 1924: 201-203).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    pannus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf eine lat. Bezeichnung des Konzepts TUCH zurück (vgl. Georges s.v. pānnus), die sich in dieser Bedeutung auch im Ital. erhalten hat (vgl. Treccani s.v. panno). Die Entwicklung der Bedeutung ‘Haut, Schicht, die sich auf der Oberfläche einer Flüssigkeit bildet, wenn sie abkühlt oder an der Luft stehen gelassen wird’ ist leicht nachzuvollziehen. So erkären sich auch ital. panna, friaul. pane  ‘Rahm, Sahne’ übertragen, denn der Rahm setzt sich auf der Milch wie eine Decke ab, wenn man sie einfach stehen lässt (vgl. DELI 4: 871, Treccani s.v. panna mit der Verbalableitung pannare 'Rahm absetzen'. Eine analog motivierte Metapher findet sich im Fall von tēla.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    pasteur / pastore (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser morpho-lexikalische Typ umfasst zwei in der Romania verbreiteten phonetischen Typen:

    [p'astor] und [past'ore]

    Die erste Form hat ihren Urspung in dem Kasus Rektus, die zweite in dem Obliquus. In einigen Gebieten sind beide Formen parallel in leichter semanitischen Differenzierung zu treffen.

    VerbaAlpina charakterisiert einen morpho-lexikalischen Typ über folgende Kategorien: Genus, Suffix, Wortart. Daher ist die Zusammenfassung der genannten phonetischen Typen unter dem pasteur / pastore sinnvoll.

    (auct. Aleksander Wiatr)

    pellīcia - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp entspricht einer adjektivischen Ableitung (vgl. Georges s.v. pellīceus) des lat. Substantivs pĕllis ‘Haut, Fell, Pelz’. Die metaphorische Bedeutung 'Rahm; Rahmschicht auf gekochter Milch' ist ähnlich motiviert wie im Fall von *nīta 'Tuch' bzw. pannus 'Gewebe', die sich semantisch ganz ähnlich entwickelt haben. Ganz sporadisch haben im VA-Gebiet übrigens auch Fortsetzer des lat. Grundworts die Bedeutung 'Rahm' erhalten (vgl. pĕllis).
    Man beachte, dass die alemannischen Formen durchweg maskulin sind, während das romanische pleʧɑ 'Rahm' (im graubündnerischen Münstertal) feminines Genus aufweist und insofern dem fr. pelisse und it. pelliccia 'Pelz' entspricht (vgl. FEW, 8, 162-164, s.v. pĕllīceus). Bei den alemannischen Formen scheint es sich daher um sekundäre Entwicklungen einer im Genus bereits adaptierten Entlehnung des deu. Typs Pelz zu handeln (der natürlich letztlich auch auf lat. pĕllīceus zurückgeht; vgl. Kluge, 692) und nicht um Relikte aus dem lokalen romanischen Substrat, die ja im Genus eher dem genannten femninen pleʧɑ entsprechen müssten.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    pĕllis - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieses Wort geht auf die lat. Bezeichnung des FELLS bzw.
    der TIERISCHEN HAUT zurück (vgl. Georges s.v. pĕllis). Im späteren Latein wurde seine Bedeutung dann auch auf die menschliche Haut erweitert, was die romanischen Sprachen fortgesetzt haben, wie etwa rum. piele, sp. piel, it. pelle, pg. pelle oder fr. peau. Weiterhin bezeichnet der romanische Typ dünne, flexible Schalen von Obst, Gemüse, Pflanzen etc. (vgl. FEW 8, 164-172, s.v. pĕllis). Die metaphorische Übertragung auf die Rahmschicht, die zwar auf der VerbaAlpina-Karte nur ganz sporadisch belegt ist, liegt eigentlich nahe (vgl. die semantisch ähnlich motivierten Typen pellīcia, *nīta und pannus).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    pigna (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)

    pinguĕ(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht zurück auf die lat. Akkusativform pĭnguem ‘fett’ (vgl. Georges s.v. pinguis, die sich im Bündnerromanischem, speziell in engadin. painch 'Butter' erhalten hat (vgl. HWdR, 589, s.v. pieun 'Butter'). Die Bedeutungsspezialisierung von ‘fett’ zu ‘Butter’ lässt sich onomasiologisch leicht erklären, denn in Gegenden, wo traditionell kein Öl produziert wurde, besser: werden konnte, gilt BUTTER als das FETT schlechthin. Öl war dort in der traditionellen Küche nicht typisch. Die Verwendung von Öl statt Butter dominiert hingegen in der mittel- und unteritalienischen Küche (vgl. Scheuermeier 1943: 28).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    *pinguia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Das Konzept BUTTERFASS, speziell das so genannte STOSSBUTTERFASS wird mit zahlreichen Geosynonymen bezeichnet.




    Manche Bezeichnungen weisen im Stamm eine so auffällige lautliche Ähnlichkeit auf, dass man ihre Zusammengehörigkeit kaum in Frage stellen kann:
    • (1) rom. pigna, mit den Tonvokalvarianten [ɪ, e, ɛ, a] u.a.;
    • (2) slaw. pinja, ein offenkundiger Romanismus, da sich sein Verbreitungsgebiet an dasjenige von (1) anschließt;
    • (3) rom. pinacc, eine suffigierte Form von (1);
    • (4) rom. panaglia (mit Varianten des hier unbetonten, initialen Stammvokals, die den unter (1) genannten entsprechen); bei diesem Typ dominieren die Varianten mit dem unbetonten Stammvokal [a]
    • (5) der auch im Standardita. bekannte Typ pignatta 'Topf'  mitsamt seiner dialektal häufigen mask. Variante (vgl. AIS 973) ist ebenfalls zu (1) zu stellen; er ist zwar im VA-Gebiet eher in der Bedeutung 'Topf aus Terracotta' belegt (vgl. AIS 955), bezeichnet jedoch außerhalb des VA-Gebiets, nämlich in der Emilia-Romagna ausdrücklich einen Topf, in dem durch Schlagen (mit einem Holzlöffel u.a.) kleinere Mengen von Butter hergestellt werden (vgl. AIS 1206, Punkte 427, 453, 455).
    Morphologisch und semantisch liegt es somit nahe, an eine Gefäßbezeichnung pigna als Basistyp zu denken. Für einen solchen Grundtyp, als Bezeichnung des allgemeinen Konzept BUTTERFASS, d.h. GEFÄSS ZUM BUTTERN spricht auch der Bezeichnungstyp:
    • latte di pigna BUTTERMILCH, d.h. wörtlich 'Milch aus dem Butterfass' (im Trentino).
    Sachkundlich von Interesse ist, dass das archaisch erscheinende STOSSBUTTERFASS gemessen an seinen Bezeichnungen eben nicht die älteste Technik darstellt, wie seine spezifizierten bündnerromanischen Bezeichnungen panaglia lunga, wörtlich 'langes Butterfass', und panaglia dret sü, wörtlich 'aufrechtes Butterfass' (Unterengadin), zeigen (vgl. AIS 1206).

    Allerdings kann die für ita. pignatta vorgeschlagene Rückführung auf ita. pigna 'Pinienzapfen' (pīnea[m]) – "prob. [...] per la somiglianza di forma delle più antiche pignatte con una pigna" (link) – semantisch nicht überzeugen; zwar mag die konische Form mancher Terracotta- und auch Bronzetöpfe durchaus an Pinienzapfen erinnern (vgl. DELI#). Aber ein für die Wortgeschichte entscheidender sachgeschichtlicher Hinweis lässt sich der bereits genannten AIS-Karte 955 LA PENTOLA (PIGNATTA) DI TERRACOTTA entnehmen: Sie enthält nämlich auch eine Liste mit Bezeichnungen des BRONZETOPFS (AIS 955_2), die insbesondere im alpinen Raum teilweise sekundär darauf übertragen wurden, da sie auf ein ganz anderes Material zu Herstellung von Kochtöpfen zurückgehen, nämlich auf den so genannten Speckstein, ita. laveggio, dt. auch Lavetz(stein) (vgl. AIS 963 Komm. LA MARMITTA, AIS 970 IL VASO PER LO STRUTTO) . Dieses vielseitig und wegen seiner geringen Härte vergleichsweise leicht nutzbare Material, das vor allem in den Tessiner und lombardischen Bergen abgebaut wurde, diente auch zur Fertigung von anderen Gegenständen, wie zum Beispiel von Öfen, die auf bündnerromanisch ebenfalls als pegna, engad. pigna bezeichnet werden (HWbR, 571; LRC, 798; zu pigna, pegna 'Ofen aus Speckstein' vgl. AIS 937, Kommentar); diese Öfen sind übrigens "annähernd kubisch" (AIS 937, Kommentar) und haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Pinienzapfen.

    Hier handelt es sich demnach um einen klaren Fall von metonymischer Polysemie (und nicht von Homonymie); pigna 'Ofen' und pigna 'Gefäss zum Butterschlagen' werden nach dem Material benannt, aus dem beide Dinge hergestellt wurden – dem Specksein. Es ist jedoch nicht unbedingt nötig, ein vorrömisches Etymon anzunehmen, wie Alexi Decurtins im LRC, 798#) für bündnerromanisch pegna | pigna 'Ofen' vorschlägt, sondern formal käme als Etymologie durchaus das von G. B. Pellegrini vorgeschlagene *pinguia (zu lat. pĭnguis 'fett') in Frage – allerdings nicht elliptisch aus pinguia(m) (ollam) im Sinne eines 'Gefäßes (= lat. olla) für Fett' ("Recipiente particolare per conservare il grasso, fosse esso strutto, sugna, o burro cotto, oppure un arnese elementare per fare il burro" ([1976, p. 171 zit. DELI 928]), sondern im Sinne eines hinsichtlich seines Aussehens und seiner Konsistenz fettähnlichlichen Minerals bzw. Gesteins (vgl. analog motiviertes deu. Speckstein). Als Basistyp für (1)-(5) wird daher lat. *pinguia (petra) 'Speckstein' vorgeschlagen.

    Die vielen Formen mit Stammvokal [ ɐ, a] zeigen eine starke und onomasiologisch naheliegende Beeinflussung durch das etymologisch zu trennende panna 'Rahm'. Nicht zu diesem Typ gehört dagegen

    (6) lombardisch pench, bündnerrom. paintg 'Butter', 
    die besser direkt auf pĭnguis 'fett' zurückgeführt wird (HR. Bei

    (7) bündnerrom. penn 'Buttermilch'

    könnte es sich immerhin um eine Rückbildung auf Basis von pigna 'Butterfass' handeln. Die Buttermilch wird ja daraus abgelassen.

    Das folgende Schema zeigt die Wortfamilie (grüne Pfeile) sowie die belegten Bedeutungen (rote Pfeile).



    Im Hinblick auf die metonymische Motivation der Polysemie lässt sich also die Übertragung der Bezeichnungen vom natürlichen Rohstoff auf daraus hergestellte Artefakte zunehmender Komplexität (einfaches Gefäß -> mechanisches Gerät) und schließlich auf die damit verbundene Funktion feststellen.

    (auct. Thomas Krefeld)

    *pinia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp ist vorläufig. Es handelt sich hierbei um einen fiktiven Typus. Er hält die morpho-lexikalischen Typen pigna (rom. f.), pinja (sla. f.) zusammen. Lautgeschichtlich lassen sich die genannten morp.-lexikalischen Typen dem Etymon PINGUEM nicht zuschreiben.

    (auct. Aleksander Wiatr)

    *pisiāre (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf die vulgärlateinische Variante *pisiare des kassischlat. pīnsāre ‘zerstampfen’ zurück zurück; vgl. zur klassischen Form Georges s.v. pīstrīnum; es handelt sich dabei um eine Variante von gleichbedeutendem pinsĕre. Die vulgärlateinische Variante wird im REW (6518, s.v. *pinsiare) und im FEW (8, 539-41 s.v. *pīnsiare) aufgeführt, wobei es nicht einleuchtend, wieso beide Wörterbücher in ihren rekonstruierten Varianten noch die Verbindung -ns ansetzen, denn vor s ist der Nasal bekanntlich sehr früh geschwunden, so dass keine einzige romanische Form eine Spur davon zeigt. Das Wort war EWD (5, 296) zufolge Teil des gastronomischen und landwirtschaftlichen Fachvokabulars. Im Alpengebiet ging aus dem Partizip, genauer gesagt aus seiner in der Wortbildung sehr produktiven femininen Form (vgl. fra. -ée, ita. -ata), die bündnerromanische Bezeichnung der BUTTER (pischada) hervor. Die semantische Spezialisierung ist onomasiologisch einfach zu erklären, denn das Stoßen des Rahms, z.B. in einem Butterfass (vgl. Frehner 1919: 103) ist ein übliches Produktionsverfahren (vgl. BUTTER).

    (auct. Thomas Krefeld)

    *puína (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Es ist phonetisch möglich, diesen Basistyp – ein typisches Alpenwort – an lat. popīna ‘Garküche’ anzuschließen und von einer metonymischen Ableitung ‘Speisen aus der Garküche’ auszugehen (vgl. Georges s.v. popīna). REW erklärt diesen Ansatz als "begrifflich ganz ausgeschlossen" (s.v. pūpa) und schlägt anstatt dessen einen vorrömischen Ursprung vor. Dieser Vorschlag wird allgemein akzeptiert (vgl. HWdR, 624 und EWD 5, 417).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    Schmalz - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp ist germanischen Ursprungs und gehört zum Verb schmelzen(vgl. Kluge, 814). Schmalz bezeichnet AUSGELASSENES FETT im Allgemeinen und in vielen Mundarten im Besonderen die ZERLASSENE BUTTER, die in dieser Form besser konserviert werden kann (vgl. DWB s.v. Schmalz). In Regionen, in denen viel Milchwirtschaft betrieben wird, steht Schmalz in der Bedeutung ‘frische und gesottene Butter’ oft in Opposition zu Anke 'frische Butter' (vgl. Idiotikon s.v. ).
    In der Bedeutung ‘Butter’ wurde Schmalz auch ins Alpenromanische entlehnt; vgl. lad. smàlz entlehnt (EWD VI: 273-274).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    Schupf (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Schupf (m.) bzw. Schupfe (f.) ist die oberdeutsche Entsprechung des unverschobenen nhd. Schuppen in der Bedeutung eines einfachen Holzbaus für die Aufbewahrung von Geräten, Materialien, Fahrzeugen usw. (vgl. Duden: s.v. Schuppen).
    Die früheste bekannte Nennung dieses Wortes findet sich im Gotischen als skuft in der Bedeutung von 'Haupthaar' (vgl. Kluge) 2011, online s.v. Schopf), vgl. nhd. Schopf. Später kam es zu einer Bedeutungserweiterung im Sinne von 'zu einem Haufen zusammengetragene Garben, Heu' (vgl. Kluge 2011, online s.v. Schober), bevor eine Bedeutungsübertragung auf das Gebäude stattfand, in dem die Ernte getrocknet und gelagert wird. Das Wort existiert in anderen germanischen Sprachen in ähnlicher Bedeutung, z.B. altengl. scoppa (vgl. Köbler 2014b, s.v. scoppa), ags. scypen bzw. engl. (dialektal) shippen 'Stall' sowie engl. shop (vgl. DWB, s.v. Schuppen).
    Im Alpenraum scheint nur das Slowenische diesen Worttyp für die Bezeichnung einer Scheune entlehnt zu haben (siehe Karte).

    (auct. Markus Kunzmann)

    SENN - Konzept (Auf Karte visualisieren)

    seracium - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf eine spätlt. Ableitung zur Bezeichnung des Zigers von lt. sěrum ‘Molke’ mit -aceus zurück, die in Oberitalien, Savoyen und in der Schweiz zu verorten ist. Erhalten ist der Basistyp vor allem im Frankoprovenzalischen und Okzitanischen. Aus *sēraceum ging frprov. seraz hervor, was als sérac ins Französische einging. Die französische Schreibweise bewahrt das -c von *sēraceum einfach nur aus graphischen Gründen. Vom Französischen der Westschweiz wurde Rescherack ‘gesalzener Ziger’ ins Schweizerdeutsche entlehnt (vgl. FEW 11: 495; vgl. Id. VI: 1642; vgl. TLFi: s.v. “sérac”).


    (auct. Myriam Abenthum)

    *skūm (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    *skūm

    Dieser Basistyp mit der Bedeutung ‘Schaum’ ist germanischen Ursprungs. Seine weitläufige Verbreitung weist auf Entlehnung aus dem Germanischen vor der Völkerwanderung hin. Ursprünglich bezeichnete das Wort die flüssige Seife, die die Römer von den Germanen kauften und von den Römern als spuma bezeichnet wurde. Bei Plinius wird das Wort aber auch zur Beschreibung von butyrum, wohl 'Butter', gebraucht (vgl. den Textauszug im Kommentar zum Konzept KÄSE). Deshalb liegt es nahe, das germanische Wort als Lehnübersetzung von lat. spuma zu sehen; durch den Kontakt mit dem lat. Ausdruck nahm ger. *skūm zu skuma auch das feminine Genus an. Daraus wurden dann fr. écume und it. schiuma entlehnt. Das afr.,mfr. escume ist für das 12. Jahrhundert mit der allgemeinen Bedeutung ‘Schaum, der sich auf Flüssigkeiten bildet, wenn man sie schüttelt, erhitzt oder wenn sie gären’ belegt (vgl. FEW 17: 137-140). Die spezifische Bedeutung 'Rahm' scheint typisch alpin zu sein.


    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    *sponga (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp geht auf lat. spŏngia ‘Schwamm’ zurück, was aus gr. σπογγιά entlehnt wurde. Die jüngere Form *sponga ergab sich aus dem Einfluss von gr. σπόγγος. Dadurch wurde das Suffix -ia zu -a vereinfacht, das feminine Genus blieb erhalten. Aus *sponga wurden fr. éponge und it. spongia entlehnt. In Italien hat sich das Wort an der Ostküste von Süden nach Norden verbreitet, hat in der Poebene lat. spongia verdrängt. Auch an der Westküste hat es sich gen Norden verbreitet, konnte aber tosk. spugna spŏngia nicht beiseite drängen. Auf Kosten von spŏngia hat es sich auch im gesamten galloromanischen Gebiet verbreitet. Hier wird Mar-seille als Zentrum der Verbreitung vorgeschlagen, da das Wort mit der Sache aus Griechenland über den Handel mit Schwämmen kam und Marseille Hauptort für diesen Handel war (vgl. FEW 12: 208-209). Aus dem Veneto oder Trentino wurde das Wort ins Dolomitenladinische entlehnt (vgl. EWD VI: 395). Im Friaul wird mit diesem Typ in metaphorischer Verwendung auch die Butter bezeichnet (vgl. AIS 1207, 1208; vgl. ASLEF 3397), was damit erklärt werden könnte, dass sie in Form und Farbe einem Naturschwamm ähnelt. Beim Buttern trennt sich das Fett in Form von Butterkörnern von der Buttermilch ab. Nach dem Ablassen der Buttermilch wird das Butterkorn gewaschen und anschließend wird durch Kneten die restliche Flüssigkeit ausgedrückt (vgl. Mohr 1937: 379-380).


    (auct. Myriam Abenthum)

    srasa (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Mit diesem morpho-lexikalischen Typ wird im Frankoprovenzalischen und Okzitanischen der ZIGER bezeichnet; der Typ kann auf *sēracea, also auf die fem. Form einer Adjektivableitung von lat. sĕrum ‘Molke’ zurückgeführt werden (vgl. Georges unter diesem Stichwort). Das FEW belegt s.v. *sēraceum auch eine maskuline Variante (frankoprov. seraz), die in Gestalt von sérac (mit rein graphischem Auslaut -c) in die fra. Standardsprache eingegangen ist. Eine davon abgeleitete Form wurde in der Westschweiz wiederum ins Alem. entlehnt (vgl. Idiotikon s.v. Rescherack ‘gesalzener Ziger’).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    Staffel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)

    Vgl. Idiotikon 1394-1407

    tēla - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp führt eindeutig auf das Lateinische zurück; vgl. Georges s.v. tēla 'Gewebe'. In diesen Bedeutungen existieren im gesamten romanischsprachigen Gebiet Kognaten, so rum. teară ‘Webkette’, it. tela ‘Gewebe’, piem. teila, frz. toile, engad. taila, friaul. tele, sp. tela oder pg. teia. Neben seinen ursprünglichen Bedeutungen hat tēla noch einige speziellere entwickelt, wie ‘Haut, Hülle’. Die im EWD I: 338 erwähnten metaphorischen Ableitungen 'Haut auf der Milch, Rahm' sind auf der VA-Karte schön zu sehen; sie finden sich auch andernorts, wie zum Beispiel apr. teleta ‘peau qui se forme sur le lait cuit’ oder mazedorumänisch teară ‘Haut auf der Milch’ (vgl. FEW s.v. tēla 13/1: 158-162 und REW 8620 s.v. tēla). Eine analog motivierte Metapher ist *nīta.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    *toma (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)

    Vgl. die Bemerkungen zu fra./ita. tomme/toma.

    tomme / toma (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    In den Westalpen ist der morpholexikalische Typ tomme verbreitet; er geht etymologisch auf gall. toma (vgl. FEW 13, 20 f.) zurück. Als generische Bezeichnung des Konzepts KÄSE ist er weitgehend synonym mit dem Typ fra. fromage/ita. formaggio. Die transparente Etymologie von fromage/formaggio aus dem lateinischen Partizip formaticu(m) 'geformt' zeigt, dass bei diesem Typ eine sekundäre taxonomische Bedeutungserweiterung von 'geformter fester Käse' --> 'Käse, allgemein' vorliegt. Weniger offensichtlich ist, dass sich die generische Bedeutung auch im Fall von tomme erst sekundär entwickelt zu haben scheint. Den Beweis liefert Sizilien, wo beide Typen mit komplementären Bedeutungen gut belegt sind: siz. tuma, das offensichtlich mit den galloitalischen Kolonisten im Gefolge der normannischen Eroberung gekommen ist, bezeichnete den ungeformten Frischkäse, während siz. fromaggiu ausschließlich und ganz im Sinne der Etymologie den geformten Käse bezeichnet, genauer: die in Formgefäßen gepresste Käsemasse unteschiedlicher Reifungsgrade:
    "tuma GA ['tuma], GE → etn., AL → etn., CA → etn., IS. → etn., PO → etn. ['tuma],['tumwa] f. prodotto caseoso che si ottiene rompendo la cagliata. 2. formaggio fresco non sottoposto a sterilizzazione nella scotta. 3. formaggio fresco, immerso direttamente nella scotta senza essere pressato nelle fiscelle.
    Rotta la cagliata (→ quagghiata) nella → tina, la massa caseosa che precipita sul fondo e che viene raccolta (→ accampari, → arricampari) e sistemata a scolare nel → tavulìeri è ormai detta tuma. La tuma, poi, facoltativamente tagliata a cubetti, viene sistemata in fiscelle (→ ntumari, → ntumalora) perché possa scolare ulteriormente. Tuma è, inoltre, chiamato il formaggio che non viene sottoposta a sterilizzazione nella scotta (cfr. GE) e che generalmente viene consumato subito [...]
    Etn[otesto]. GE [a Geraci; TK] a tuma un ci â d'èssiri misa nâ → vasceɖɖa, si ssi parra di tuma.
    Trad. «la 'tuma' non va messa [raccolta] nelle fiscelle, se parliamo della 'tuma' ». [...]
    Etn. IS [a Isnello, TK] a tuma jeni u prodottu che si ffa ppoi u → formàggiu
    Trad. «La 'tuma' è il prodotto [la pasta caseosa] che [con cui] si fa il formaggio». [...]" (Sottile 2002, 168)
    In Sizilien haben sich also beide Typen in ihren ursprünglichen und spezifischen Bedeutungen erhalten, die im Fall von fromaggiu sogar noch motiviert ist. Ebenfalls noch motiviert ist der siz. Diminutiv tumazzu (vgl. Sottile 2002, 168) der für zwar fest und geformte, aber daher auch reduzierte, eher kleine Käselaibe steht, wie die Produkte, die heute in Frankreich und in der Westschweiz als tomme vermarktet werden (vgl. die entsprechenden 'tipi morfo-lessicali' im Atlante linguistico della Sicilia – online).

    (auct. Thomas Krefeld)

    traire (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Im Galloromanischen wurde der Typ mŭlgēre 'melken' weithin durch lat. trahěre 'ziehen' (vgl. Georges s.v. traho) ersetzt; als Grund dafür wird meistens die Homophonie angeführt, die sich aus dem phonetischen Zusammenfall mit den Nachfolgeformen von lat. molěre 'mahlen' in altfra., mittelfra. moudre ergab (vgl. FEW 6, 198-200, s.v. mŭlgēre).

    (auct. Thomas Krefeld)

    ŬNCTU(M) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Dieser Basistyp beruht auf lat. ŭnctum ‘Fett, Salbe’, welches das Partizip Perfekt des lat. Verbs ŭngere ‘schmieren’ ist und mittels Substantivierung die Bedeutung ‘das Fette’ erhielt. Gleichzeitig bedeutete es ab dem 2. Jahrhundert auch noch ‘Salbe’. Beide Bedeutungen finden sich noch heute. ‘Salbe’ ist in it. unto, piem. oit ‘Salbe’ erhalten. Zu dieser Basis gehören aber auch rum. unt oder frl. ont mit der Bedeutung ‘Butter’ (vgl. FEW 14: 29-30; vgl. REW: 9057). Der Basistyp ancho dürfte laut Kluge (2012: 437) über die idg. *ongw en- ‛Salbe, Fett, Butter’ mit dem Basistypen ŭnctum urverwandt sein.


    Zu Grunde liegt lat. ŭnctum 'Fett', eine Ableitung vom Verb lat. ŭngere 'schmieren'. Zu dieser Basis, vgl. REW, 2075 gehört auch rum. unt 'Butter'. Der Basistyp ancho dürfte urverwandt sein; alpine Entlehnung scheint die beiden Typen jedoch nicht zu verbinden.

    (auct. Myriam Abenthum)

    *ungere (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Die lateinische Basis unguere mit dem Velar ist zwar im unmittelbar angrenzenden romanischen Kontaktgebiet durch die Variante *ŭngĕre (REW 9069) verdrängt worden, wie an der Palatalisierung des g in surs. unscher, eng. uondscher, ita. ungere u.a. (vgl. HWbR, 971) zu erkennen ist. Aus dem Partizip unctum ist die im romanischsprachigen Teil des VA-Gebiet gut belegte friaul. Bezeichnung der BUTTER ont, lad. onto, vonto (vgl. rum. unt) geworden. Gleichzeitig bedeutete es ab dem 2. Jahrhundert auch noch ‘Salbe’, was sich in it. unto, piem. oit ‘Salbe’ erhalten hat (vgl. FEW 14: 29-30; vgl. REW: 9057).

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)

    unguere - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    Im Gegensatz zu Kluge spricht manches dafür, den alemannischen Typ Anke (vgl. Id. I: 341) zum lat.-rom. Basistyp ŭnguĕre 'salben, bestreichen' zu stellen. Im Kluge heißt es:
    „Anke(n), (durch Butter ersetzt) Sm ‛Butter’ per. wobd. (8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko
    Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwōn m. ‛Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. (weur.) *ongwen- ‛Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ‛Fett, Salbe’, air. imb ‛Butter’ (*ṇgwen-) zur Verbalwurzel ig. *ongw- ‛salben’ in ai. anákti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ‛Salbe, Schmiere’.“ (Kluge 2011, 47)
    Hier wird einerseits ein einleuchtender Zusammenhang offengelegt; andererseits wird daraus jedoch ein unwahrscheinlicher wortgeschichtlicher Schluss gezogen: Kluge interpretiert das Wort als isoliertes indogermanisches Relikt, obwohl es doch viel näher läge diesen südwestdeutschen (alemannischen) Typ aus dem Lateinisch-Romanischen zu erklären. Die erwähnte lateinische Basis mit dem Velar ist zwar im unmittelbar angrenzenden romanischen Kontaktgebiet durch die Variante *ŭngĕre (REW 9069) verdrängt worden, wie an der Palatalisierung des g in surs. unscher, eng. uondscher, ita. ungere u.a. (vgl. HWbR, 971) zu erkennen ist. Im heute französischen Gebiet herrschen jedoch Kognaten von lat. ŭnguĕre (vgl. FEW 14, 36 f.); darunter sind auch Formen mit eindeutigem semantischen Bezug zur Milchverarbeitung, wie ogner 'donner son lait | Milch geben' (mit Wechsel der Konjugationsklasse) und ogna 'quantité de lait que donne une vache en une fois | Menge Milch, die eine Kuh auf ein Mal gibt'. Aus dem Partizip unctum ist im Übrigen die im romanischsprachigen Teil des VA-Gebiet gut belegte friaul. Bezeichnung der BUTTER ont, lad. onto, vonto (vgl. rum. unt) geworden. Die hiermit vorgeschlagene Entlehnung aus dem Lateinisch-Romanischen ist lautlich möglich und semantisch selbstverständlich, wenn man an die zahlreichen anderen Romanismen in diesem onomasiologischen Bereich denkt. Im Hinblick auf die viel weitere Verbreitung des Typs butyru(m) liegt es weiterhin nahe, in den aus den Verbvarianten ŭnguĕre, *ŭngĕre abgeleiteten Bezeichnungen einen älteren Typ zu sehen, der später durch butyru(m) überlagert wurde.

    (auct. Thomas Krefeld)

    ZIGER - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)

    ZIGER ist ein käseähnliche Milchprodukt, das durch eine zweite Gerinnung (oder Scheidung) der bei der ersten Gerinnung entstehenden Flüssigkeit (MOLKE) gewonnen wird. Die ital. Bezeichnung dafür ist ricotta, alem. spricht man von Ziger und fra. von sérac. Im Standarddeutschen von Deutschland und Österreich ist manchmal ein wenig irreführend von Molkenkäse die Rede; aber im Unterschied zum eigentlichen KÄSE enthält der ZIGER kein KASEIN, sondern ein anderes Eiweiß, nämlich ALBUMIN. Der Ziger kann frisch verzehrt oder durch Trocknung und Räucherung haltbar gemacht werden.

    (auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)